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Für eine andere Entwicklungspolitik!

Beitrag vom 29.04.2009

Tansania News 05/2009
Interview mit dem ehemaligen deutschen Botschafter in Tansania, Wolfgang Ringe:

(Auszüge:)

Vier Jahre Tansania, was ist Ihnen am positivsten in Erinnerung geblieben?
... Wenn es in Tansania nicht diese Handelshemmnisse wie Korruption oder Bürokratie gäbe, könnte das Land heute noch viel besser dastehen.

Was hat sie im Land am meisten bedrückt?
Der Unterschied zwischen Arm und Reich - vor allem im Süden des Landes, durch den ich im Jahr 2006 mit meinem holländischen Kollegen zwei Wochen gereist bin. Es war erschütternd, Menschen zu sehen, die im Grunde von nichts leben. Und dazu dann im Kontrast die reichen Tansanier, die mit dicken Autos durch die Gegend fahren und die sich nicht um ihre in Armut lebenden Landsleute kümmern. Ich sage es ganz offen: Die Korruption in Tansania ist schon sehr übel, nun sind inzwischen allerdings immerhin zwei Minister der Regierung Mkapa angeklagt. Warum werden aber z.B. die Verantwortlichen des EPA-Skandals um die National Bank of Tanzania noch nicht angeklagt, wo viele Millionen Euro veruntreut worden sind?

Welche Rolle spielt Kikwete im Land? ZEIT-Korrespondent Bartholomäus Grill hat ihn einmal als einen "Big man" bezeichnet, von dem man noch nicht genau wisse, in welche Richtung er sich entwickeln wird.
So "big" ist er meines Erachtens nicht. Einen Wahlsieg mit 80%, der ihm alle Möglichkeiten eröffnet hätte, wird er 2010 nicht noch einmal erreichen. Die Enttäuschung über ihn ist im Land ziemlich groß. Er kümmert sich in der Meinung vieler nicht nachhaltig genug um die Belange der armen Bevölkerung. Er kündigt sehr viel an, setzt aber zu wenig um. In den zwei ersten Jahren seiner Amtszeit war er zudem unangemessen viel im Ausland. Auch als Präsident der Afrikanischen Union hat er, trotz großer Ankündigungen, ziemlich enttäuscht. Mich hat positiv überrascht, dass er zwei Minister aus der Vorgänger-Regierung von Benjamin Mkapa hat anklagen lassen. Das war immerhin einmal ein positiver Anstoß im Kampf gegen die Korruption.

Wie beurteilen Sie die offensive Rolle der Chinesen in Schwarzafrika? Auf der Suche nach Rohstoffen ist Afrika immerhin, wie jüngst eine Schlagzeile lautete, "Chinas Liebling".
Die Chinesen machen eine sehr kluge Politik. Ihr Einfluss wird immer größer, wobei sie natürlich eigene Interessen, das heißt vor allem massive wirtschaftliche Interessen verfolgen.
Der riesige Absatz chinesischen Plastikschunds in Afrika würde hier bei uns schlichtweg konfisziert. Und es geht China darum, eigene Arbeitskräfte in Afrika einzusetzen. Beim Bau des Nationalstadions in Dar es Salaam wurden überwiegend chinesische Arbeiter beschäftigt. China hat auch keine Hemmungen, mit bösen Buben wie al-Bashir im Sudan Geschäfte zu machen. Es gibt hier aber meines Erachtens keinen Grund, emotional zu reagieren. So ist halt die Welt, es geht um Absatzmärkte und Arbeitskräfte. Wussten Sie übrigens schon, dass chinesische Firmen unter dem Deckmantel einheimischer Firmen gegenwärtig große Gebiete des Selous Wildschutzgebiets abholzen? Tansania verschweigt dies: Nach chinesischen Statistiken ist die Holzausfuhr von Tansania nach China 90% höher als die Einfuhr. Tansania spricht hingegen lediglich von 10%.

Deutschland zählt zu den wichtigsten Partnern Tansanias in der Entwicklungszusammenarbeit. Wie beurteilen Sie die deutsche Entwicklungshilfe?
Die deutsche Entwicklungshilfe in ihrer jetzigen Form kann ich nicht uneingeschränkt befürworten. Die deutsche Entwicklungshilfe in den Bereichen Wasser und Gesundheit ist richtig aufgestellt. Aber die Förderung der lokalen Verwaltungen klappt überhaupt nicht. Es ist eine gute Idee, aber ein Erfolg ist kaum erkennbar. Dabei ist die Grundidee der Verlagerung von Kompetenzen auf eine niedrigere Verwaltungsebene durchaus lobenswert. Dies setzt aber voraus, dass die internen Kontrollen bei den Tansaniern funktionieren. Und das tun sie nicht. Mit einer Budgethilfe, die einen nicht unerheblichen Teil unsere Hilfe ausmacht, müssen Kontrollmechanismen einhergehen. Die gibt es leider in von uns gewünschtem Maße nicht.

Welche Auswirkungen der globalen Finanzkrise könnte es in Schwarzafrika geben? Schließen Sie sich den Aussagen der IWF-Tagung vor wenigen Wochen in Dar es Salaam an, dass nun soziale Unruhen in Schwarzafrika drohen?
Noch scheint Afrika weniger betroffen zu sein. Ich bin mir aber sicher, dass die Transferleistungen von allen Ländern geringer werden. Versprechen zählen nicht mehr, wenn es um das eigene Hemd geht. Tansania ist mit seinem Haushalt zu ca. 40% von Transferleistungen abhängig. Das ist ein großes Problem. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass es in dem im Grunde friedfertigen Tansania zu Unruhen kommt, ich hoffe es jedenfalls für die tansanische Bevölkerung, dass so etwas nicht geben wird.

Jüngst wurde eine Reise von Parlamentariern des Deutschen Bundestages nach Tansania in den Medien scharf kritisiert. Sollten deutsche Politiker nach Tansania reisen?
Grundsätzlich gilt: Reisen bildet. Warum allerdings der Umweltausschuss mit 7-8 Mitgliedern
nach Tansania reisen musste, ist mir nicht ganz klar geworden. Mit Reisen des Haushaltsausschusses habe ich hingegen gute Erfahrungen gemacht. Da kann durchaus etwas bewegt werden.