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Beitrag vom 06.03.2019

FAZ

Moçambique

Flecken auf der weißen Weste

Ein Kreditskandal in Moçambique dehnt sich auf Angola aus. Im Mittelpunkt steht Angolas Präsident João Lourenço – er galt bisher als Saubermann.

Von Thilo Thielke

Dass João Lourenço als einer der Hoffnungsträger Afrikas gilt, hatte sich bis in die Bundeshauptstadt herumgesprochen. Als Angolas Präsident im vergangenen August in Berlin weilte, glänzte Angela Merkel mit Kenntnissen aus seinem Heimatland an der Südwestküste Afrikas. Dort wehe jetzt „ein frischer Wind“, sagte die Bundeskanzlerin und berichtete von „Reformen in vielerlei Bereichen“, die sie „mit großer Hochachtung“ verfolge.

Der 64 Jahre alte Gast aus Luanda, Staatschef seit September 2017, revanchierte sich für die warmen Worte mit ein paar Investmenttips „in den Bereichen Straßen und Schienennetz, Energie, Eisen und Stahl, aber auch Fremdenverkehr“. Noch interessierter zeigte er sich an einer Zusammenarbeit im „Verteidigungsbereich“. Sein Land habe eine „sehr lange Küste“, sagte Lourenço: „Deswegen appellieren wir auch an deutsche Investoren, mit dem angolanischen Staat beim Schutz dieser Küste zusammenzuarbeiten, zum Beispiel was unsere Kriegsmarine, aber auch was die Lieferung von anderen elektronischen Systemen angeht.“ In unmittelbarer Nähe Angolas trieben „Terroristen und Piraten ihr Unwesen“. Merkel schien erfreut über das offenkundige Interesse an deutschen Patrouillenbooten. „Da sind wir natürlich gerne Partner, wenn es zu solchen Investitionsentscheidungen der angolanischen Marine kommen sollte“, gab sie dem Gast mit auf den Weg.

Lourenços Begeisterung für Kriegsgerät ist nicht neu. Obwohl der angolanische Bürgerkrieg bereits 2002 mit dem Tod des Rebellenführers Jonas Savimbi endete, ist das Land bewaffnet bis unter die Zähne. Angolas Militärausgaben hätten sich seit dem Ende des Konflikts fast vervierfacht, schreibt das Centre for African Journalists in Südafrika. 2014 habe das Land die höchsten Militärausgaben Schwarzafrikas gehabt, 2017 sei es zwar von Algerien und Südafrika überholt worden, allerdings würden die Militärausgaben im Jahr 2019 weiter steigen – auf voraussichtlich 13 Milliarden Dollar.

Die Begeisterung über den neuen Mann an der Spitze des ölreichen Landes gilt seinem konsequenten Einsatz gegen die Cliquenwirtschaft seiner Parteifreunde aus der herrschenden „Volksbewegung zur Befreiung Angolas“ (MPLA). Kaum hatte Lourenço Angolas Langzeitherrscher José Eduardo dos Santos, der das Land von 1979 bis 2017 regierte, abgelöst, entließ er dessen Tochter Isabel als Chefin des staatlichem Ölkonzerns. Ihr Bruder José Filomeno dos Santos sitzt inzwischen im Gefängnis. Ihm wirft die Staatsanwaltschaft die Bildung einer kriminellen Vereinigung, illegale Bereicherung, Geldwäsche und Korruption vor.

Möglicherweise kamen die Lobeshymnen auf den neuen Präsidenten jedoch etwas zu früh. Glaubt man der britischen, auf Risikoberatung spezialisierten Firma ExxAfrica, könnte João Lourenço in einen bizarren Korruptionsskandal verwickelt sein, dessen Spur unter anderem nach Moçambique an der ostafrikanischen Küste führt.

Zwischen 2013 und 2016 hatten die moçambiquanischen Staatsbetriebe Proindicus, Ematum und MAM bei der Schweizer Großbank Credit Suisse und der russischen VTB-Bank Kredite im Wert von insgesamt mehr als zwei Milliarden Dollar aufgenommen. Offiziell war das Geld für den Aufbau einer Thunfischfangflotte und Radarstationen an der Küste sowie den Kauf von Patrouillenbooten gedacht gewesen. Die Boote sollten von der Firma Privinvest mit Sitz in Abu Dhabi geliefert werden. Abgewickelt wurde der Deal über den Privinvest-Vertreter Jean Boustani, einen libanesischen Geschäftsmann.

Ungefähr ein Viertel der mehr als zwei Milliarden Dollar scheint jedoch nie an seinem Bestimmungsort angekommen zu sein. In einer Anklageschrift, die das Bundesgericht von Brooklyn veröffentlichte, heißt es, mindestens 200 Millionen Dollar seien stattdessen in den Taschen von drei ehemaligen Investmentbankern der Credit Suisse, von Jean Boustani und von moçambiquanischen Beamten verschwunden. Daraufhin wurden Boustani, Moçambiques ehemaliger Finanzminister Manuel Chang und drei Banker verhaftet. Ihnen werden Korruption, Geldwäsche und Wertpapierbetrug vorgeworfen. Die drei früheren Credit-Suisse-Mitarbeiter, ein Neuseeländer, ein Brite und eine Bulgarin, wurden mittlerweile auf Kaution wieder aus der Haft entlassen. Die Banken selbst sind nicht angeklagt.

Gegenüber dem Internationalen Währungsfonds verschwieg die Regierung des damaligen moçambiquanischen Präsidenten Armando Guebuza die mit Staatsgarantien abgesicherten Kredite – und manövrierte das Land damit noch weiter in Richtung Staatsbankrott. „Mit Aufdeckung der Skandalkredite“, schreibt das Auswärtige Amt, „verlor Moçambique quasi über Nacht das Vertrauen der internationalen Finanzmärkte und Geber. Die Budgethilfe wurde eingestellt, ebenso wie ein laufendes IWF-Programm, derzeit erhält Moçambique vom IWF lediglich Unterstützung in Form von technischer Assistenz.“

Nach Recherchen von ExxAfrica könnten in den Jahren 2014 und 2015 ähnlich krumme Deals in Angola abgewickelt worden sein – mit João Lourenço als einer der Hauptfiguren. Der jetzige Präsident war von 2014 bis 2017 Verteidigungsminister seines Landes. Er soll zu jener Zeit nach Moçambique gereist sein, um bei Boustani „ein ähnliches Paket“ wie die Moçambiquaner zu kaufen. Die Informationen über die Reise stammen aus dem Umfeld der moçambiquanischen Staatsfirma Proindicus, heißt es in dem ExxAfrica-Bericht. Tatsächlich soll die Regierung in Luanda über die staatliche Firma Simportex, die dem angolanischen Verteidigungsministerium gehört, mit Privinvest einen Vertrag über 495 Millionen Euro abgeschlossen und für diese Summe Schiffe und Werftanlagen bestellt haben. „Im Wortlaut wie im Inhalt“ seien sich die Verträge „auffallend ähnlich“, so ExxAfrica.

Die Beziehungen zwischen Moçambique und Angola sind traditionell eng. Beide Länder gehörten einst zum portugiesischen Kolonialreich, erlangten aber nach der Nelkenrevolution die Unabhängigkeit. Später bildeten die beiden Staaten Russlands marxistische Vorposten im südlichen Afrika: Angola unter der Führung der MPLA, Moçambique unter jener der „Moçambiquanischen Befreiungsfront“ (Frelimo). Beide Parteien herrschen ununterbrochen seit der Unabhängigkeit ihrer Länder im Jahr 1975.

ExxAfrica ist überzeugt von der Sprengkraft der Recherchen, die sich auf ranghohe Quellen stützen sollen: „Diese sich abzeichnenden Verbindungen und geschäftlichen Transaktionen drohen die populären und viel beachteten Antikorruptionsbestrebungen der Regierung Angolas zu gefährden, ranghohe angolanische Politiker in eine peinliche Lage zu bringen und den Ruf von Investoren in Angola abermals zu schädigen“; sie könnten sogar „Angolas Beziehungen zum IWF und die Aussicht auf einen Wirtschaftsaufschwung trüben“. Der Währungsfonds hatte dem hochverschuldeten Land erst im Dezember einen neuen Kredit von 3,7 Milliarden Dollar gewährt.
Auch Angolas Opposition ist alarmiert. „Wir verfolgen diesen Fall mit größtem Interesse“, teilte Alcides Sakala der Deutschen Welle mit. Der Sprecher der ehemaligen Rebellentruppe Unita glaubt, es gebe bereits genug Material für die Staatsanwaltschaft, um Ermittlungen aufzunehmen. Der moçambiquanische Philosoph Severino Ngoenha sprach gegenüber dem deutschen Auslandssender davon, dass sich „Gruppen, die zusammen für die Freiheit gekämpft haben, auch in Mafia-Gruppen verwandeln können“. Und auch der angolanische Verfassungsrechtler Albano Pedro hält eine Verwicklung Lourenços in die Moçambique-Connection für denkbar: „Da er Verteidigungsminister war und es sich um zwei Länder handelt, die eine politische Partnerschaft verbindet und deren politische Interessen sehr nahe beieinander liegen, habe ich keine Zweifel, dass hier eine Vorteilsgewährung geplant worden ist.“