Beitrag vom 28.02.2019
eve Magazin 2.19
Ein Rucksack voller Biogas
Feuerholz, Holzkohle? Nein, ab sofort wird in vielen Ländern Afrikas mit Biogas gekocht.
Katrin Pütz hat ihre Vision in die Tat umgesetzt.
Er ist groß und weiß und erinnert im ersten Moment an ein dickes Daunenkopfkissen. Im Biogas-Rucksack von Katrin Pütz sind aber keine Federn, sondern 6 Kilowattstunden tragbare Energie; genauer gesagt: 1 Kilogramm Biogas. Angeschlossen an einen Gaskocher können die Frauen in Äthiopien, Ruanda, Bolivien oder Indien damit drei Stunden kochen. Als Symbol trägt die junge Unternehmerin den Rucksack gerne bei Vorträgen über das Konzept des von ihr gegründeten
Sozialunternehmens (B)energy.
Bevor das Biogas transportiert werden konnte, musste viel passieren. »Als ich in meinem ersten
afrikanischen Land arbeitete, war ich mit Entwicklungshilfe konfrontiert und hatte Schwierigkeiten, den Ansatz zu verstehen«, erzählt Katrin Pütz. »Was die internationalen Organisationen unternahmen, um zu ›helfen‹, machte für mich keinen Sinn: Warum wurden ›Begünstigte‹ dafür bezahlt, ihre Felder zu bewirtschaften? Warum gab es keinen Fokus auf
technische Verbesserungen und keinen unternehmerischen Ansatz für die unabhängige Entwicklung?«
Sie zog die Konsequenzen. »Ich hatte das Gefühl, dass ich etwas Konkretes tun muss. Ich habe meinen Job aufgegeben und bin wieder an die Uni gegangen, um Agartechnik zu studieren. Als ich mich dort mit Biogas beschäftigt habe, fand ich das, wonach ich nicht einmal gesucht hatte.« Sie begann in Afrika danach zu forschen und entdeckte die sogenannten ›National Biogas Programme‹. »Das machte mich froh, aber ich war sehr überrascht über die subventionsorientierte
Herangehensweise. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass dies jemals zu einem unabhängigen Sektor werden würde, und bat die Organisationen um Bewertungsberichte.
»Meine Erwartungen wurden bestätigt.« Aus Ärger über den typischen Hilfsansatz und der Liebe
zu der Technologie gründete sie (B)energy. »Mein Ziel war, ein System zu entwickeln, bei dem Einheimische selbst zu Biogas-Produzenten und -Händlern werden können. Es galt, einen Weg zu finden, das Biogas transportabel zu machen.« Sechs Monate dauerte es, bis das Produkt stand.
Das Ergebnis ist einfach wie genial!
Energieerzeugung vor Ort
Das Herzstück der Anlage ist ein Mini-Kraftwerk, der sogenannte Fermenter – ein 6 Meter langer
Schlauch aus Kunststoff. Er wird täglich mit bis zu 60 Litern Wasser und 60 Litern organischem
Sub strat gefüttert. Dies kann Dung sein, es können aber auch Essensreste eines Restaurants oder Fäkalien sein. Nun beginnt die Fermentierung, in deren Prozess Biogas entsteht. Ein Foliengewächshaus schützt alles vor der Witterung. Zugleich bewirkt es, dass sich die Luft darunter durch die Sonneneinstrahlung stark erwärmt. Das beschleunigt die Fermentation und die Bildung des Biogases.
Täglich produziert das kleine Kraftwerk bis zu 3 Kubikmeter Biogas. Dieses wird über einen
Schlauch in den Rucksack geleitet. Zusätzlich produziert die Anlage täglich auch rund 100 Liter
organischen Dünger. Mithilfe des Rucksacks wird das Biogas mobil. »Das Kochen liegt in Afrika in der Hand der Frauen, genauso wie die Beschaffung von Kochenergie«, so Katrin Pütz. »Traditionell werden dazu einfache Kocher aus Steinen, Lehm oder Metall verwendet, die mit Holz oder Holzkohle befeuert werden. Das Sammeln von Ästen und Zweigen nimmt täglich oft viele Stunden in Anspruch«, weiß die Agrartechnikerin. »Durch die Verbrennung entstehen zudem giftige Gase. Das Biogas bietet hier eine echte Alternative. Die Frauen können entweder selbst zu Biogas-Produzentinnen und -Verkäuferinnen werden oder sie kaufen das Gas bei einem lokalen Produzenten für einen Preis von ca. 50 Eurocent pro Ladung. Zu Hause angekommen, wird der Rucksack mit einem Gaskocher verbunden.«
Unternehmertum fördern
2014 gründete Katrin Pütz das Sozialunternehmen (B)energy. Im Unterschied zu einem klassischen
Unternehmen wird der Profit zu 100 Prozent wieder in den Betrieb investiert. Katrin Pütz spricht heute lieber von »impact business«. »Mir geht es darum, Verantwortungs- und Selbstbewusstsein zu schaffen. Und das geht aus meiner Sicht nur, wenn lokale Probleme von Menschen vor Ort in die Hand genommen werden – mit eigenem Risiko und mit eigenen Ressourcen – und sie sich so nachhaltig eine Chance auf wirtschaftlichen Erfolg erarbeiten.«
Allzu oft wird kleinen Unternehmen durch »Spenden« der Industrieländer wieder der Boden für eine Entwicklung entzogen. Die Anti-Aid- Aktivistin Dambisa Moyo aus Sambia berichtet in ihrem Buch
»Dead Aid« beispielsweise von einem gut funktionierenden Unternehmen, das Moskitonetze für den
heimischen Markt herstellte und durch die Lieferung von Moskitonetzen durch die Entwicklungshilfe kaputt gemacht wurde. »Wir müssen akzeptieren, dass wir die Probleme in Afrika nicht mit unseren Mitteln beheben können, besonders nicht mit Geld und Projekten. Wichtig ist aber aus meiner Sicht auch, dass die Menschen in Afrika sich selbst nicht mehr als Empfänger oder sogar als Bettler sehen und entsprechend handeln«, findet Katrin Pütz. »Ich habe es mehrfach erlebt, dass ich von Einheimischen gefragt wurde, was ich bezahle, wenn sie an einer meiner Schulungen teilnehmen. Das ist erschreckend, aber von Hilfsorganisationen eingeführt worden!«
Aus diesem Grund ist es bei (B)energy so, dass Installateure und Produzenten für die Schulung
bezahlen müssen. Damit ihnen das Wissen etwas wert ist. Auf Einladung der Universität von
Addis Abeba konnte Katrin Pütz damals die ersten Biogas-Anlagen und -Rucksäcke mit Bauern in
Äthiopien erproben. Bis 2017 blieb sie dort, bevor sie nach Deutschland zurückkehrte, um von hier
aus ihr Sozialunternehmen weiter auszubauen.
Produziert werden die Anlagen und die TÜV-geprüften Rucksäcke in einem mittelständischen
Unternehmen in Unterfranken. (B) energy verkauft diese an die Importeure in dem jeweiligen Land.
»Dieser bringt die Technik ins Land. Dann gibt es den Installateur. Das sind meist lokale Handwerker. Sie bauen die Biogas-Anlagen auf und warten sie«, erklärt Katrin Pützt das Prozedere. Es folgt der Produzent. Dies sind Inhaber eines Restaurants, Landwirte oder auch Schulen. Sie produzieren das Biogas und verkaufen es wiederum an die Frauen und Männer vor Ort. »Sie sind stolz auf die neue Kochenergie. « Die installierte Anlage kostet zwischen
500 und 900 Euro, je nach Land, inklusive 4 Rucksäcken und 3 Kochern. Die Produzenten verkaufen
das Biogas wiederum pro Rucksack-Ladung. »Entscheidend ist, dass jeder in der Kette selbstständig
sein Geschäft betreibt.« Genau in diesem Punkt unterscheidet sich das Unternehmen deutlich von anderen Biogas-Projekten.
»Wir arbeiten komplett ohne Hilfsgelder und das aus voller Überzeugung. Es sind in all den Jahren
noch keine Spenden oder Förderungen in dieses Unternehmen geflossen. Und das gilt auch für die
lokale Ebene. Die Verantwortung für die Umsetzung wird komplett auf lokale Partner übertragen, es wird weder künstlich eine Nachfrage erzeugt, indem Produkte verschenkt werden, noch wird jemand durch Fördergelder zum verkappten Unternehmer gemacht. Das bedeutet 100 Prozent Eigenverantwortung für die eigenen Probleme, kein ausländisches Eingreifen. Wir machen ausschließlich ein Angebot, das angenommen, aufgegriffen und mit eigenen Ressourcen umgesetzt werden kann.«
Ideen ohne Ende
Für ihre Idee wurde Katrin Pütz bereits mehrfach ausgezeichnet. Doch sich darauf auszuruhen, ist
nicht das Ding der Unternehmerin. Begeistert berichtet sie von ihren nächsten Projekten: »Gemeinsam mit freiwilligen (B)angels und dem deutschen Biogas-Unternehmen Ökobit, bin ich gerade dabei, Online trainings für Installateure zu entwickeln, damit mehr junge Leute die Chance haben, sich zum Installateur weiterzubilden. Und wir haben eine App entwickelt, die kurz vor der Markteinführung steht. Wenn alles klappt, ist es in einigen Wochen so weit. Über die App können Installateure neue Kunden werben und registrieren, Installationen fehlerfrei durchführen und Unterstützung von (B) energy bekommen.« mag
Der Artikel mit Bildern:
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Katrin Pütz, Gründerin & Geschäftsführerin (B)ENERGY, 37, ist studierte Umweltwissenschaftlerin
(Bachelor) und Agrartechnikerin (Master). Nach mehreren Studien- und Arbeitsaufenthalten in
Ruanda und Äthiopien entwickelte sie die Idee der Biogas-Rucksäcke und gründete 2014 das
Sozialunternehmen (B)energy mit Sitz im Westerwald.