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Beitrag vom 12.07.2024

NZZ

Verarbeitungspartnerschaften als neuer Weg zur Rohstoffsicherung

Der Westen und China haben über Jahrzehnte kaum Rücksicht auf die Interessen afrikanischer Länder genommen. Mit Ausnahme von Südafrika hat kein einziges rohstoffproduzierendes Land in Subsahara-Afrika eine namhafte Verarbeitungsindustrie aufgebaut.

Matthias von Bismarck-Osten

Afrikanische Rohstoffe importieren, Industrieprodukte exportieren: An dieses Austauschmodell haben wir uns über Jahrzehnte gewöhnt. Doch es funktioniert nicht mehr. Die für die Dekarbonisierung unserer Wirtschaft wichtigen «grünen» Rohstoffe – Bauxit, Lithium, Kobalt, Grafit, Nickel, Mangan und seltene Erden, über die Afrika im Überfluss verfügt – werden immer weniger auf den Rohstoffmärkten gehandelt, sondern werden im Rahmen von Joint Ventures oder öffentlich-privaten Partnerschaften vor Ort weiterverarbeitet.

In solche Verarbeitungspartner­schaften bringen die Partner Kapital und technisches Know-how ein und können im Gegenzug die verarbeiteten Rohstoffe langfristig beziehen. Simbabwe hat Ende letzten Jahres angekündigt, dass es kein unverarbeitetes Lithium mehr verkaufen werde. Andere afrikanische Länder werden folgen. Sie haben erkannt, dass ihre Verhandlungsposition gegenüber Kooperationspartnern des globalen Nordens stärker geworden ist.

Positive Spillover-Effekte

So schätzt die Internationale Energieagentur (IEA), dass die Nachfrage nach «grünen» Rohstoffen im Zuge der Dekarbonisierung bis zum Jahr 2040 um ein zweistelliges Vielfaches steigen wird. Afrika verfügt über etwa 30 Prozent der entsprechenden Reserven.
Die Erwartungshaltung der afrikanischen Regierungen verdient unser Verständnis: Die Verarbeitung von Rohstoffen birgt ein enormes Potenzial zur Ankurbelung einer CO2-armen Industrialisierung.

Investitionen, Know-how-Erwerb und die Qualifizierung von Arbeitskräften sorgen für positive Spillover-Effekte in Richtung lokale Abnehmer, Zulieferer und Dienstleister, wie IT und Logistik. Da Afrika aufgrund des Bevölkerungswachstums jährlich etwa 20 Millionen neue Arbeitsplätze schaffen muss, nur damit die Arbeitslosigkeit nicht weiter ansteigt, ist der Beschäftigungseffekt von enormer Bedeutung.

Der Westen hat ebenso wie China jahrzehntelang wenig oder keine Rücksicht auf dieses Interesse der afrikanischen Länder genommen. Mit Ausnahme Südafrikas hat kein einziges rohstoffproduzierendes Land in Subsahara-Afrika eine nennenswerte Verarbeitungsindustrie aufgebaut. Nigeria ist ein eklatantes Beispiel: Das Land steht an zehnter Stelle der Länder mit den höchsten Erdölreserven und hat erst kürzlich angefangen, Raffineriekapazitäten aufzubauen, so dass es Benzin im grossen Umfang importieren muss.

Viele afrikanische Länder, die sich vom Export unverarbeiteter Rohstoffe abhängig gemacht haben, werden mit schlechter Regierungsführung, Oligarchentum, Bürgerkriegen und Korruption assoziiert. Ein Grund: Unverarbeitete Rohstoffe können leicht von Machthabern und militanten Gruppen in Beschlag genommen, illegal ausser Landes gebracht und dort verkauft werden. Wenn dagegen viele Arbeitsplätze in der nachgelagerten Wertschöpfungskette tangiert sind, ist das schwieriger: Die wirtschaftlichen Interessen von Beschäftigten, Lieferanten und Abnehmern lassen sich nicht ignorieren.

Veredelungspartnerschaften sind daher eine Win-win-Situation. Die Chinesen haben die Zeichen der Zeit längst erkannt. China hat über eine lange Zeit Rohstoffe über die Infrastruktur der Seidenstrasse nach China gebracht und dort verarbeitet. Doch schon vor etwa zehn Jahren begannen die Chinesen, auf Verarbeitungsprojekte umzusteigen. Als Beispiele können die Lithium- und Kupferprojekte in Sambia und in der Demokratischen Republik Kongo dienen.

Laut Schätzungen kontrolliert China durch Lieferverträge und Verarbeitungspartnerschaften bereits rund 30 Prozent der afrikanischen Reserven an «grünen» Rohstoffen. Dies hat die USA auf den Plan gerufen: Aussenminister Blinken unterzeichnete im Dezember 2022 eine Absichtserklärung mit der Demokratischen Republik Kongo und Sambia zur Entwicklung einer gesamten Wertschöpfungskette, von der Verarbeitung der Rohstoffe bis zum Bau einer Fabrik für Lithium-Ionen-Batterien in einer neu geschaffenen Freihandelszone.

Veredelungspartnerschaften sind eine Win-win-Situation. Die Chinesen haben die Zeichen der Zeit längst erkannt.
Die deutsche Bundesregierung hat die Verlängerung der Wertschöpfungsketten auf dem afrikanischen Kontinent ebenfalls zum Programm erhoben. Entsprechend fördern das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), die deutsche Förderbank KfW und die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) Verarbeitungsprojekte in mehreren afrikanischen Ländern. Doch bewegen sich diese Projekte noch sehr im Klein-Klein. Es fehlt die Entschlossenheit, das Thema Ressourcensicherheit umfassend anzugehen.

Das zeigt sich deutlich bei dem Rohstofffonds. Schon vor zwei Jahren hat die deutsche Bundesregierung ihren Plan verkündet, einen Rohstofffonds im Umfang von 1 Milliarde Euro zu implementieren, den die KfW verwalten soll. Der Fonds würde sich, so der Plan, nicht nur an Bergbau-, sondern auch an Verarbeitungsprojekten direkt beteiligen können. Seither ist nichts passiert. Im Zuge der kürzlichen Haushaltsverhandlungen zwischen den Koalitionären stand der Fonds in Gefahr, gestrichen zu werden. Wir werden sehen, wie sich der Deutsche Bundestag dazu verhält.

Entschlossenes Handeln zur Rohstoffsicherung würde sich auch darin zeigen, dass die Bundesregierung grosse Projekte initiiert, bei denen komplementäre grosse und mittelständische Industrieunternehmen, Dienstleister, Logistikunternehmen und Startups kooperieren, um Rohstoffe zu verarbeiten und Zwischenprodukte in Afrika herzustellen, die für unsere Industrieprodukte gebraucht werden. Um mittelständische Unternehmen in der Rohstoffverarbeitungsindustrie für grössere und langfristigere Projekte in Afrika zu gewinnen, müssten solche Projekte noch stärker gegen politische und wirtschaftliche Risiken abgesichert werden, als dies mit den bestehenden Instrumenten der deutschen Aussenwirtschaftsförderung möglich ist.

Druck durch Energiewende

Die Energiewende hat gezeigt, dass die deutsche Bundesregierung durchaus beherzt handeln kann, wenn der Druck nur gross genug ist: So hat sie sich stark für Projekte für grünen Wasserstoff in Namibia und Marokko eingesetzt, an denen deutsche Konzerne massgeblich beteiligt sind.

Die beiden Projekte mit einer Investitionssumme von jeweils etwa 9 Milliarden Euro bieten bemerkenswerte positive soziale und wirtschaftliche Effekte für die afrikanischen Vertragsländer, wie zum Beispiel Local-Content-Regelungen, Beschäftigung lokaler Arbeitskräfte, Ausbildungsprogramme, Bereitstellung der erzeugten Energie für benachteiligte Regionen und umfassende Umweltauflagen. Im Gegenzug konnten sich deutsche und europäische Unternehmen Wasserstoff- und Ammoniaklieferungen für Jahrzehnte sichern.

Warum gibt es solche strategischen Projekte nicht im Rohstoffbereich? Sie würden die Position Deutschlands auf dem afrikanischen Kontinent deutlich stärken: Deutschland könnte zeigen, dass es sich nicht nur kritische Rohstoffe sichern, sondern den afrikanischen Ländern helfen möchte, die wirtschaftlichen und sozialen Chancen zu realisieren, die mit ihrem Rohstoffreichtum verbunden sind.

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Matthias von Bismarck-Osten ist Sprecher des Beirats der Greentec Capital Africa Foundation.