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Beitrag vom 25.02.2024

Die Tagespost

GESCHEITERTE MISSIONEN

UN-Einsätze in Afrika haben keine Zukunft

Mangelnde Erfolge führen zu wachsender Unzufriedenheit mit UN-Missionen auf dem Kontinent. Afrikanische Regierungschefs werben für ein anderes Modell zur Friedenssicherung.

Veronika Wetzel

Erst Mali, jetzt die Demokratische Republik Kongo (DRK): Nach dem westafrikanischen Land hat ein weiterer afrikanischer Staat die UN-Mission dazu aufgefordert, vorzeitig das Land zu verlassen. Bis Ende 2024 sollen die verbliebenen 13.500 UN-Soldaten aus der DRK vollständig abgezogen werden; die erste UN-Basis ist bereits geräumt. Der Abzug der Friedensmission MONUSCO „wird zu einer zwingenden Notwendigkeit, um die Spannungen zwischen ihr und unseren Mitbürgern abzubauen“, begründete der Präsident der DRK, Felix Tshisekedi, die Forderung.

Die Blauhelme sind seit rund 25 Jahren in dem zweitgrößten Land Afrikas – ursprünglich, um zur Sicherheit der Zivilbevölkerung und zur Stabilisierung der politischen Lage beizutragen. Doch im vergangenen Jahr haben die Spannungen im Osten des Landes, wo sich mehr als 120 Rebellengruppen tummeln, wieder zugenommen. Insbesondere die Gruppe M23 sorgt aktuell für Unruhen im Kongo: Berichten zufolge nahm sie zuletzt den Süden der Stadt Goma an der Grenze zu Ruanda ein, die Rebellen haben die Stadt bereits mehrfach besetzt.

Unmut der Bevölkerung ist gewachsen

Bei der Rebellen-Gruppe handelt es sich um Tutsi-Milizen, die sich zur Bekämpfung extremistischer Hutu gegründet haben. Nach dem ruandischen Genozid von 1994 flohen die Hutu in die DRK und formierten dort die Widerstandsgruppe „Kräfte zur Befreiung Ruandas“ (FDLR), wohl mit dem Ziel, die ruandische Regierung zu stürzen. Ruanda wird sowohl von der DRK als auch von den Vereinten Nationen vorgeworfen, M23 zu unterstützen; das Land selbst weist die Anschuldigungen immer wieder zurück.

Angesichts der mangelnden Erfolge der UN-Mission in dem ostafrikanischen Land ist der Unmut in der Bevölkerung über die Mission zuletzt gewachsen. Immer wieder kam es zu Protesten gegen den Einsatz, im August 2023 wurden bei einer gewaltsamen Auseinandersetzung während eines Protests gegen den UN-Einsatz 43 Menschen getötet. Zudem sollen verstärkt Angriffe auf die Blauhelme vonseiten der Bevölkerung stattgefunden haben, wie lokale Medien berichten.

Auch der 22-jährige Espoir Majaliwa aus Bukavu, im Osten der DRK, zeigt sich enttäuscht über die Ergebnisse der Friedensmission. „Im Kongo herrscht heute Frieden und morgen Krieg. Wir fragen uns oft, wo die UN mit ihren friedenserhaltenden Maßnahmen bleibt. Ihre Truppen sind zwar vor Ort und sie unternehmen vielleicht einige Anstrengungen, aber sie erfüllen nicht unsere Erwartungen: nämlich den Frieden in der DRK.“
Falsche Erwartungen an den Einsatz in der Bevölkerung sieht der in Ruanda lebende Student allerdings selbst als ein Grundproblem der Unzufriedenheit mit der Mission: „Die meisten Kongolesen sind gegen die UNO, weil sie deren Auftrag nicht richtig verstehen. Sie denken, dass die UNO in der Demokratischen Republik Kongo ist, um für die Kongolesen zu kämpfen, aber das stimmt nicht.“

Sicherheit und Stabilität kaum verbessert

Dass der Abzug zur Verbesserung der Situation in dem Land beitragen wird, glaubt der 22-Jährige allerdings nicht: „Der Abzug ist keine Garantie für die Lösung des Konflikts in unserem Land. Er bedeutet in erster Linie, dass der internationalen Gemeinschaft kein Vertrauen mehr entgegengebracht wird. Das wird die Rebellen dazu motivieren, weiter zu kämpfen.“

Auch in den anderen afrikanischen Staaten, in denen UN-Einsätze stattfinden, haben die Missionen kaum zur Verbesserung der Sicherheit und der Stabilität beigetragen. Die Zukunft der Einsätze ist daher ungewiss. In der West-Sahara, die sowohl die Sahauri-Widerstandsgruppe „Polisario“ als auch Marokko beanspruchen, versucht die UN-Mission seit 1991 ein Referendum für das Gebiet abzuhalten – bislang ohne Erfolg. Denn Marokko lehnt ein Referendum zum Entscheid über den völkerrechtlichen Status der Region ab. Stattdessen setzte das nordafrikanische Land für seine Bürger Anreize, das umstrittene Gebiet zu besiedeln.

Sowohl die USA als auch Israel anerkannten die Westsahara nun als marokkanisches Staatsgebiet. Die Stimmung zwischen den beiden Parteien ist angespannt, immer wieder kommt es zu Konfrontationen zwischen dem marokkanischen Militär und der „Polisario“. Zuletzt griff die Widerstandsgruppe in dem ehemaligen spanischen Kolonialgebiet auch einen UN-Stützpunkt an.

Die Moral der eingesetzten Soldaten ist niedrig

In der Zentralafrikanischen Republik sind aktuell rund 14 400 Blauhelm-Soldaten stationiert, die die Einhaltung des Friedensabkommens „Khartoum-Vereinbarung“ von 2019 überwachen, sowie politische Stabilität und die Sicherheit von Zivilisten gewährleisten sollen. In dem Land nahmen vor der Präsidentschaftswahl Kämpfe zwischen der Rebellengruppe „Koalition der Patrioten für Veränderung“ (CPC) und dem zentralafrikanischen Militär zu. Der CPC gehören vor allem Kämpfer der ehemaligen muslimischen Rebellengruppe Séléka an, die 2012 zahlreiche Angriffe durchführte, die Hauptstadt Bangui einnahm und den damaligen Präsidenten zur Flucht zwang. Auch wenn laut einem Bericht der UN in einigen Regionen des Landes mehr Stabilität eingekehrt sein soll, sorgen Rebellen weiterhin für Unsicherheit. Im Dezember wurden bei einem Überfall im Nord-Westen des Landes 23 Menschen getötet.

Gleich zwei verschiedene UN-Missionen finden aktuell im Sudan statt, wo im April des Vorjahres Krieg ausgebrochen ist: zunächst die Mission UNISFA in der Grenzregion Abyei, die sowohl Nord- als auch Südsudan für sich beanspruchen und die derzeit vom Südsudan kontrolliert wird. In der ölreichen Region sollen rund 3.500 Blauhelme die Grenze zwischen den beiden Ländern überwachen und die Lieferung humanitärer Hilfe sichern. Im jüngsten Staat der Erde, Südsudan, sollen zudem im Rahmen der Mission UNMISS rund 17.000 UN-Soldaten Zivilisten schützen, humanitäre Hilfe gewährleisten und bei den ersten Wahlen dieses Jahr im Dezember unterstützen. Das Land wird jedoch durch verschiedene Probleme destabilisiert: Natur- und Hungerkatastrophen, sowie ethnische Konflikte.

Nicht nur wegen mangelnder Erfolge gibt es immer wieder Kritik an den UN-Einsätzen in Afrika, die rund die Hälfte aller Friedensmissionen der Vereinten Nationen ausmachen. Vermehrt gab es auch Vorwürfe, Blauhelm-Soldaten hätten in den Einsatzländern sexuellen Missbrauch begangen. Insbesondere in der DRK trug der Vorwurf dazu bei, dass die Mission zunehmend an Beliebtheit verlor. Vergangenes Jahr wurden 60 tansanische UN-Soldaten aus der Zentralafrikanischen Republik abgezogen, die des sexuellen Missbrauchs beschuldigt wurden. Hinzu kommt, dass einer internen Befragung der UN zufolge die Moral der eingesetzten Soldaten niedrig ist, und die Blauhelmsoldaten aller internationalen Einsätze nur in einem von fünf Fällen, in denen Zivilisten von tödlichen Angriffen bedroht waren, eingriffen.

Das lässt sich darauf zurückführen, dass im Krisenfall erst geprüft werden muss, ob und in welchem Umfang eine militärische Intervention vom jeweiligen UN-Mandat gedeckt wäre. Zusätzlich muss ein militärischer Eingriff mit den Heimatländern der Soldaten abgesprochen werden. All das verzögert die Abläufe und führt dazu, dass Hilfe die betroffenen Zivilisten teilweise erst erreicht, wenn die Gefahr bereits vorüber ist oder es bereits zu Opfern gekommen ist. Kritiker bemerken, dass langwierige Abläufe und zu breit gefasste Mandate dazu führen würden, dass die Umsetzung der Ziele erschwert und die Einsätze teils ineffizient seien.

Wagner-Söldner sind in Afrika weiterhin aktiv

Angesichts dieser Probleme und des wachsenden Unmuts über die UN-Einsätze in einigen afrikanischen Ländern stellt sich die Frage, ob die Friedensmissionen in Afrika überhaupt noch eine Zukunft haben und welche Alternativen dem Kontinent im Bereich Sicherheit bleiben. Eine Möglichkeit scheinen viele afrikanische Staaten in der Zusammenarbeit mit Russland zu sehen: In mindestens vier Staaten, in denen UN-Einsätze stattfanden oder noch stattfinden, sind russische Kämpfer der Söldnertruppe „Wagner“ inzwischen aktiv. Darunter der Sudan, die Zentralafrikanische Republik, Mali und nun angeblich auch die DRK.

Einem Bericht des US-amerikanischen Magazins „Foreign Policy“ zufolge soll „Wagner“ in Afrika seit dem Tod des Gründers, Jewgeni Prigoschin, umstrukturiert worden sein. Die Wagner-Söldner kämpften nun für eine Gruppe namens „Africa Corps“, die dem russischen Verteidigungsministerium und dem stellvertretenden russischen Verteidigungsminister Junus-bek Bamatgirejewitsch Jewkurow unterstellt sei. Der Einsatz von „Africa Corps“ soll bereits in Mali, Libyen und der Zentralafrikanischen Republik bestätigt sein.

Im Sahel weiter Einfluss gewinnen

Die Strategie Russlands sei, so die Analyse, die militärischen russischen Interventionen auf dem Kontinent aus privater in öffentliche Hand zu legen und im Sahel weiter Einfluss zu gewinnen. Da man sich in Afrika aber nicht sicher ist, wie verlässlich Russland tatsächlich ist, bündelt es doch all seine Kräfte aktuell im Ukraine-Krieg, haben sich als weitere Alternative zu den UN-Einsätzen Missionen unter der Schirmherrschaft regionaler Zusammenschlüsse wie der Afrikanischen Union (AU) und der Wirtschaftsgemeinschaft Westafrikanischer Staaten (ECOWAS) entwickelt. Bereits jetzt stammen die meisten Soldaten für UN-Friedensmissionen in Afrika vom Kontinent selbst, sowie zusätzlich aus Bangladesch, Nepal und Indien.

Allerdings fehlen den afrikanischen Staaten selbst in der Regel die finanziellen Mittel zur Durchführung solcher Missionen. Deshalb hat sich auch UN-Generalsekretär António Guterres bei einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats zum Thema „Frieden in Afrika“ für eine „neue Generation“ von Operationen unter der Führung der AU starkgemacht, die von den UN-Mitgliedsstaaten finanziert werden sollen. Ein Modell, das in Afrika, wo generell immer mehr Regierungschefs dafür werben, sich aus ausländischen Abhängigkeiten zu befreien, willkommen geheißen wird.