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Beitrag vom 03.07.2023

NZZ

Botswana ist dem Ressourcenfluch entkommen – anders als viele afrikanische Länder. Nun will der zweitgrösste Diamantenförderer der Welt mehr

Die Sanktionen gegen Russland haben Botswanas Diamantenindustrie Schub verliehen. Nun hat das einst bitterarme Land ein besseres Abkommen mit dem Industrieriesen De Beers erzwungen.

Samuel Misteli, Nairobi

Botswana ist eine afrikanische Erfolgsgeschichte. Zum Zeitpunkt der Unabhängigkeit 1966 war das Land mausarm, es gab drei Sekundarschulen und ein paar wenige Kilometer geteerte Strasse. Heute, sechs Jahrzehnte später, hat Botswana das höchste Pro-Kopf-Einkommen in Subsahara-Afrika (die Inselstaaten Seychellen und Mauritius ausgenommen), 300 Sekundarschulen und eine Demokratie, um die das Land von vielen auf dem Kontinent beneidet wird.

Botswana verdankt seinen Aufstieg den Diamanten. Festus Mogae, damals Präsident, sagte 2006: «Für unser Land bedeutet jeder Diamantenverkauf Essen auf dem Tisch, bessere Lebensbedingungen, bessere Gesundheitsversorgung, sicheres Trinkwasser, mehr Strassen, um abgelegene Gemeinden zu erschliessen.» Anderswo in Afrika, wo Länder trotz Öl, Kupfer oder vielen anderen Ressourcen arm geblieben sind, wären das leere Worte. Nicht in Botswana.

Nun will Botswana mehr. Dafür hat das Land in den vergangenen Monaten die Beziehung infrage gestellt, die ihm den Aufstieg beschert hat. Seit 1969 hat Botswana eine Partnerschaft mit dem südafrikanischen Industrieriesen De Beers, dem umsatzstärksten Diamantenproduzenten der Welt. Die Partnerschaft spülte Botswana zuletzt 4,5 Milliarden Dollar in die Staatskasse. Es ist eine Zusammenarbeit, von der die Bürger in anderen afrikanischen Ländern träumen, in denen Regierungen mit oft zwielichtigen ausländischen Mittelsmännern paktieren.

Doch das Abkommen lief Ende Juni aus. Während Jahren fanden Gespräche über seine Weiterführung statt. Botswanas Präsident Mokgweetsi Masisi drohte mehrfach damit, die Partnerschaft aufzukündigen, wenn sein Land nicht einen grösseren Teil des Kuchens erhalte. Skeptiker glaubten, Botswana sabotiere mit seiner sturen Haltung seinen Aufstieg.

Doch das Land verhandelte mit Erfolg: Am Samstag haben die Regierung und De Beers bekanntgegeben, man habe sich auf ein neues Abkommen geeinigt. Es gewährt Botswana deutlich bessere Bedingungen als bisher. Und ist der nächste Schritt für ein Land, das zunehmend selbstbewusst einfordert, selber über seine Ressourcen zu bestimmen.

Eine belastete Ehe

Das Kernstück der Partnerschaft von Botswana und De Beers ist ein Joint Venture. Die Firma heisst Debswana. Sie betreibt vier Diamantenminen und fördert mehr als 95 Prozent von Botswanas Rohdiamanten. Unter den bisherigen Bedingungen kaufte De Beers 75 Prozent der Diamanten, die Debswana fördert. Die restlichen 25 Prozent gingen an den botswanischen Staat, der sie ausserhalb des De-Beers-Netzwerks verkauft.

Das neue Abkommen gewährt Botswana anfänglich 30 Prozent. In den nächsten zehn Jahren steigt der Anteil schrittweise auf 50 Prozent. De Beers richtet zudem einen Entwicklungsfonds ein, der helfen soll, Botswanas Wirtschaft zu diversifizieren. Der Fonds soll bis zu 750 Millionen Dollar umfassen.

Botswanas Regierung glaubt, dass sie Hunderte Millionen Dollar mehr verdienen kann, wenn sie nun über einen grösseren Teil der Diamanten selber verfügen kann. Wenn Präsident Masisi in den vergangenen Monaten über die Verhandlungen mit De Beers sprach, klang er, als ob er einen Freiheitskampf ausfechten würde. «Wir haben es mit einem Giganten zu tun», sagte er im Februar. «Es ist das erste Mal, dass er so bedrängt wird. Wir wollen haben, was uns gehört. Wenn die Gespräche sich schwierig gestalten, werden wir sagen: Lasst uns alle zusammenpacken und getrennte Wege gehen.» Bei anderer Gelegenheit sagte er: «Die Art, wie extraktive Industrien mit afrikanischen Regierungen umgehen, muss sich fundamental ändern.»

Bei De Beers gab man sich gelassen. «Wir sind seit langem in einer Ehe, und wir werden noch lange Zeit in dieser Ehe sein», sagte der Co-Vorsitzende Bruce Cleaver.

Tatsächlich hätte sich der botswanische Staat nur schwer aus der Ehe mit De Beers befreien können. Es ist fraglich, ob das Land die Mittel gehabt hätte, De Beers aus dem Joint Venture herauszukaufen. Und auf absehbare Zeit wäre Botswana nicht in der Lage gewesen, seine gesamte Fördermenge ohne De Beers zu verkaufen, weil es ein Vertriebsnetzwerk in der nötigen Grössenordnung nicht einfach so schaffen kann. Es wäre deshalb auf einen der anderen Industrieriesen angewiesen gewesen, auf die britische Rio Tinto oder die russische Alrosa, die unter Sanktionen steht. Und diese hätten kaum bessere Bedingungen geboten als De Beers.

Vermutlich zielte der angriffige Ton von Botswanas Regierung deshalb von Anfang an darauf, bessere Bedingungen mit De Beers auszuhandeln.

Afrikaner verbieten Ausfuhr von Rohstoffen

Doch die Regierung hatte auch stichhaltige Argumente. Sie verlangte auch deshalb einen höheren Anteil, weil sie die lokale Diamantenindustrie fördern möchte – das heisst die Zahl von Botswanern, die im Land Steine sortieren, schneiden, polieren und Schmuck kreieren. Präsident Masisi glaubt, das Land könnte gegen 100 Milliarden Dollar jährlich verdienen, wenn es nicht vor allem Rohdiamanten verkaufen würde, die dann anderswo verarbeitet werden.

Viele afrikanische Volkswirtschaften kranken daran, dass es die Länder erst in Ansätzen geschafft haben, verarbeitende Industrien aufzubauen. Mehrere Länder versuchen das gerade zu ändern. Botswanas Nachbar Namibia zum Beispiel hat Anfang Juni beschlossen, den Export von Mineralien zu verbieten, die für Batterien für Elektroautos benötigt werden. Simbabwe hat die Ausfuhr von unverarbeitetem Lithium verboten. Und Kongo-Kinshasa, das Paradebeispiel dafür, wie afrikanische Länder ihren Rohstoffreichtum verscherbelt haben, verhandelt Verträge mit chinesischen Minenfirmen neu.

In Botswana hat De Beers Hand geboten, die lokale Industrie zu fördern. Seit 2013 führt die Firma ihre Verkaufsmessen in Botswanas Hauptstadt Gaborone durch. 2022 hat sie Rohdiamanten im Wert von einer Milliarde Dollar in botswanischen Einrichtungen schneiden und polieren lassen, in denen rund 4000 Arbeiter beschäftigt sind.

Eine antikoloniale Diamantenfirma?

Botswanas Regierung genügte das nicht. Sie besorgte sich deshalb ein zusätzliches Druckmittel. Im März erwarb sie einen 24-Prozent-Anteil an der belgischen Firma HB Antwerp, die Diamanten verarbeitet und verkauft. HB Antwerp wurde erst 2020 gegründet, sie behauptet, ein Geschäftsmodell geschaffen zu haben, das die Diamantenindustrie revolutioniere. Die Firma kauft Rohdiamanten zu einem höheren Preis ein. Dieser basiert auf dem geschätzten Verkaufswert der Steine, den diese erzielen, nachdem sie poliert worden sind. Die Schätzung geschieht mithilfe moderner Scan-Technologie. HB Antwerp behauptet, ihre Kunden verdienten rund 40 Prozent mehr, als wenn die Steine zum üblichen Preis von Rohdiamanten verkauft würden.

HB Antwerp ist bereits in Botswana tätig, die Firma kauft Steine aus der Karowe-Mine im Zentrum des Landes. Sie soll nun dank einem Abkommen, das vorerst für fünf Jahre gilt, Rohdiamanten von der Okavango Diamond Company kaufen – das ist jene staatliche Firma, die bis jetzt 25 Prozent der zusammen mit De Beers geförderten Diamanten verkauft hat.

Präsident Masisi sprach im März vom «Anbruch einer neuen Ära», als er eine Manufaktur in der Hauptstadt eröffnete, in der HB Antwerp Steine schleifen und polieren will. Und einer der Gründer von HB Antwerp, Rafael Papismedow, klang in den vergangenen Monaten in Interviews noch stärker als der Präsident wie ein Freiheitskämpfer. Der «Financial Times» sagte er, das Geschäftsmodell von De Beers führe koloniale Prinzipien weiter. HB Antwerp dagegen werde Botswana helfen, auszubrechen aus einem Modell, das das Land «gefangen hält in einer Box, die sagt, du kannst Diamanten höchstens schürfen und waschen».

Experten, die dem Pathos weniger zugeneigt sind, erinnerten daran, dass HB Antwerp viel zu klein sei, um Botswanas Geschäftsmodell mit De Beers ersetzen zu können. Und Botswanas Regierung hat nun erreicht, was sie wollte: Die Ehe mit De Beers wird zu verbesserten Bedingungen weitergeführt. Und sie kann in Ruhe beobachten, ob HB Antwerp tatsächlich hält, was ihre Gründer so vollmundig versprechen.

Die Aussichten für Botswanas Diamantenindustrie sind so oder so glänzend. Russland, der grösste Diamantenförderer der Welt, wird durch Sanktionen gebremst. In den letzten Monaten sind die Preise zwar gesunken, doch die Nachfrage nach Diamanten aus Botswana ist gross: Debswana, das Joint Venture von Botswana und De Beers, verkaufte 2022 Diamanten im Wert von 4,6 Milliarden Dollar. Im Vorjahr waren es 3,4 Milliarden gewesen.