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Beitrag vom 28.11.2022

faz

Was der Westen im Sahel leisten muss

Von Franca Wittenbrink

Deutschland will sich in Zukunft stärker auf Niger konzentrieren, um gegen den Terror im Sahel zu kämpfen. Allzu große Illusionen sollte man sich aber auch dort nicht machen.

Der Abzug aus Mali kommt spät, aber immerhin herrscht jetzt Klarheit. Im Mai 2024 ist Schluss für die deutschen Soldaten in Gao. Die Entscheidung ist richtig. Die Militärputsche in den vergan­genen Jahren, die Schikane auslän­discher Kräfte durch die Militärherrscher und deren Zusammenarbeit mit russischen Söldnern haben der Bundeswehr die Erfüllung der Mission im­mer schwerer ge­macht. All das gibt es in Niger nicht, deshalb spricht vieles dafür, sich in Zukunft auf das Nachbarland zu konzentrieren, um den Terror im Sahel zu bekämpfen. Allzu große Illusionen sollte man sich allerdings auch hier nicht ma­chen.

Auf den ersten Blick hat es gute Gründe, dass Niger als Stabilitätsanker in der Region gilt. Während in den Nachbarländern ein Staatsstreich auf den nächsten folgt, wurde Prä­sident Mohamed Bazoum im vergangenen Jahr demokratisch gewählt. Die Verbindungen zu den westlichen Partnern sind eng und lange gewachsen. Anders als in Mali läuft die Ausbildung nigrischer Ortskräfte durch die Bundeswehr gut. Dass die „Operation Gazelle“ in diesem Dezember erfolgreich beendet werden kann, ist keine Selbstverständlichkeit bei Auslandseinsätzen, die sonst oft Jahr um Jahr verlängert werden.

Allein die geographische Lage bringt allerdings eine ganze Palette von Problemen mit sich, die nicht so leicht zu lösen sind. Die Gewalt aus Mali und den anderen Nachbarstaaten Burkina Faso, Nigeria und Tschad breitet sich längst auch in Niger aus. Der religiöse Fanatismus ist auf dem Vormarsch. Es ist wenig wahrscheinlich, dass sich daran in naher Zukunft etwas ändern wird. Die Zahl der Binnenvertriebenen nimmt täglich zu. In einem der ärmsten Länder der Welt ist es ein leichtes Spiel für Terrorbanden wie Boko Haram oder den „Islamischen Staat“, neue Kämpfer anzuwerben. Wer nicht weiß, was er am nächsten Tag essen soll, lässt sich für ein paar Geldscheine und ein Motorrad schnell gewinnen.

Die nigrische Bevölkerung reagiert schon jetzt mit Unverständnis darauf, dass das ausländische Militär gegen die zunehmenden Terrorattacken nur wenig tun kann. Die UN-Soldaten, die im Rahmen von MINUSMA be­reits im Land sind, dürfen sich an Kampfhandlungen selbst nicht be­teiligen. Ob es so gelingen kann, ein Ge­fühl von Schutz zu vermitteln, ist fraglich. In Mali jedenfalls ging der Schuss nach hinten los. Dass dort der Ruf nach einem Abzug der westlichen Kräfte in den vergangenen Jahren immer lauter wurde, lag auch da­ran, dass sie als weitgehend machtlos wahrgenommen wurden. Wer ohnehin nur zuschaut, wie sich die Sicherheitslage verschlechtert, der kann auch gehen, lautete für viele Einheimische die Schlussfolgerung.

In Niger wirbt Präsident Bazoum immer wieder für die Zusammenarbeit mit den westlichen Partnern. Im April dieses Jahres hat er das Parlament erfolgreich über die Statio­nierung ausländischer Kräfte im Land ab­stimmen lassen, das schafft eine gute Grundlage. Den Protest der Opposition über die Entscheidung sollte man allerdings nicht unterschätzen. Wer darauf hofft, in Niger mit offenen Armen empfangen zu werden, könnte bitter enttäuscht werden.

Vor allem Frankreich, das schon jetzt einen Großteil seiner Truppen in den Sahelstaat verlegt hat, dürfte damit noch zu kämpfen haben. Viele Menschen lehnen die Anwesenheit der ehemaligen Kolonialmacht ab. Es kursieren Gerüchte, Paris statte die Terroristen selbst mit modernen Waffen aus, um Unruhe zu stiften und sich an den Bodenschätzen des Landes zu bereichern. Vor dem Hintergrund, dass Frankreich noch im­mer einen Großteil seines Urans in Niger abbaut, lassen sich solche Be­hauptungen nur schwer wieder aus der Welt schaffen.

Die Enttäuschung der lokalen Be­völkerung ist groß, sie selbst profitiert kaum von den Bodenschätzen des Landes. Das sollte auch die anderen westlichen Staaten beunruhigen. Ohne Paris lässt sich letztlich nur we­nig ausrichten, aus einer antifranzösischen wird jedoch schnell eine antiwestliche Stimmung. Beides kennt man bereits aus dem Nachbarland. Die Bundesregierung sollte sich da­her schon jetzt gut überlegen, wie sie solchen Szenarien begegnet – und ab welchem Grad der Ablehnung sie ei­ne Grenze zieht.

Ein gutes Zeichen ist immerhin, dass die Regierung in Niger eine Zu­sammenarbeit mit Moskau bislang ab­lehnt. Auch historisch gibt es zwischen den beiden Ländern wenig Verbindungen, da waren die Schwierigkeiten in Mali größer. Naiv sollte man aber auch hier nicht sein. Putin wird versuchen, seinen Einfluss in der Region weiter auszubauen, davor schützen auch die nigrischen Grenzen nicht. Bei der Bevölkerung hat er damit bereits Erfolg. In der Hauptstadt fand kürzlich die erste De­monstration mit russischen Flaggen statt. Die nächste wird nicht lange auf sich warten lassen.