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Beitrag vom 17.09.2021

FAZ.NET

„Gruppe Wagner“

Das Söldner-Unternehmen, das es nicht gibt

Wer steckt hinter den russischen Kämpfern, von denen nun im Zusammenhang mit dem Mali-Einsatz auch der Bundeswehr die Rede ist? Alles deutet auf einen Geschäftsmann, den sie „Putins Koch“ nennen.

Von KATHARINA WAGNER UND FRIEDRICH SCHMIDT, MOSKAU

Die russische Söldnertruppe „Gruppe Wagner“, von der im Zusammenhang mit dem MaliEinsatz unter anderem der Bundeswehr gerade die Rede ist, ist eigentlich kein Unternehmen. Es dürfte zumindest keines sein, denn in Russland sind private Militärfirmen offiziell verboten.

Dennoch kämpften und kämpfen „Wagner“-Söldner in verschiedenen Ländern, in denen
Russland Krieg führt oder Interessen hat – etwa in der Ukraine, in Syrien und Libyen,
Sudan, in der Zentralafrikanischen Republik und in Moçambique. Der Kreml weist jede
Verbindung zu den Söldnern von sich, aber vieles deutet darauf hin, dass die „Wagner“-
Truppe im Interesse Moskaus handelt und in Abstimmung mit dem Militär aktiv ist, und
war immer dort, wo Russland offiziell nichts mit einem Konflikt zu tun haben oder nicht
über getötete Soldaten berichten will.

Bis zu 3000 Euro im Monat

Wie zum Beispiel in Syrien, wo Russland im Jahr 2015 offiziell nur mit der Luftwaffe an der
Seite von Diktators Baschar al Assad in den Krieg eintrat. Später wurden Todesfälle
regulärer Soldaten am Boden zugegeben. Unklar ist hingegen, wie viele „Wagner“-Söldner
in Syrien gefallen sind. Es dürften Hunderte sein, zahlreiche allein bei dem Versuch, im

Februar 2018 eine von Assad-Gegnern gehaltene Ölanlage unter Kontrolle zu bringen. Sie
wurden von der amerikanischen Luftwaffe zurückgeschlagen.

Ein früherer „Wagner“-Kämpfer klagte später über das russische Militär, das dem
amerikanischen Kontaktmann versichert habe, an dem Angriff seien keine Russen beteiligt,
um die offizielle Legende aufrechtzuerhalten. Zwar erhalten „Wagner“-Söldner laut
zahlreichen Berichten russische Staatsorden und werden auf einem Gelände des
Militärgeheimdienstes GRU im südwestrussischen Gebiet Krasnodar ausgebildet. Doch der
Vorfall in Syrien zeigt die Grenzen der Verbindungen zum Militär: Freischärler bleiben
Freischärler.

„Wagner“ rekrutiert besonders Männer mit Erfahrung in Militär und Sicherheitskräften.
Sie sollen in Gefechtseinsätzen bis zu 3000 Euro im Monat verdienen können. Das ist in
Russland enorm viel Geld. Und dennoch wurde mehrfach über Nachschubprobleme
berichtet, wohl wegen der Gefährlichkeit der Einsätze. Diese dürften sich besonders für
ihre Hintermänner lohnen: Sie sollen von den lokalen Auftraggebern mit Zugang zu
Rohstoffen belohnt werden, etwa mit Diamanten- und Goldschürfrechten in Sudan und der
Zentralafrikanischen Republik. Dort wurden bei Recherchen zu „Wagner“ im Jahr 2018
drei russische Journalisten ermordet.

Offiziell ist nicht klar, wem die „Gruppe Wagner“ gehört. Ihr Name geht zurück auf den
Spitznamen eines ihrer Kommandeure, des früheren GRU-Offiziers Dmitrij Utkin, der in
seiner Zeit bei „Wagner“ im Kreml empfangen worden ist: Präsident Wladimir Putin ehrte
Utkin, der eine Vorliebe für den Komponisten Richard Wagner haben soll, Ende des Jahres
2016 als „Held der Vaterslands“.

„Putins Koch“

Die Söldner werden aufgrund von Recherchen russischer Journalisten dem PutinWeggefährten und Milliardär Jewgenij Prigoschin zugeschrieben. Er wird auch „Putins Koch“ genannt, weil sein Aufstieg mit einem Luxusrestaurant begann, das der Präsident gerne besuchte. Im Jahr 2002 brachte Putin den damaligen amerikanischen Präsidenten George W. Bush mit in Prigoschins Sankt Petersburger Restaurant. Später gründete Prigoschin die Catering-Firma „Concord“. Bald bekam er große Staatsaufträge, belieferte Kindergärten, Schulen und die gesamte russische Armee, und richtete bei Inaugurationsfeiern nach Präsidentenwahlen Festbankette im Kreml aus.

Über viele weitere Projekte und Unternehmen, mit denen Prigoschin außerdem in Verbindung gebracht wird, gibt es keine offiziellen Angaben, nur glaubhafte Recherchen unabhängiger Medien. So zeigten Journalisten im Jahr 2019, wie etliche Firmen, die mit Prigoschin zusammenhingen, aber als unabhängige Konkurrenten auftraten, Aufträge des Verteidigungsministeriums gewannen. Auch die Nachrichtenagentur Ria Fan wird Prigoschin zugeschrieben, die russische Propaganda verbreitet, sowie politische Berater, die ebenfalls in Afrika aktiv sind.

Junge Männer, die Oppositionellen auflauern und sie verfolgen, werden ebenfalls mit Prigoschin verbunden. Zudem soll er der Organisator jener „Troll-Fabrik“ in Sankt Petersburg sein, die soziale Netzwerke in Russland, Westeuropa und den Vereinigten Staaten mit Kreml-Propaganda und Fake News überschwemmt. Das amerikanische Finanzministerium hält Prigoschin jedenfalls für den Finanzier dieser „Troll-Fabrik“, die während des Präsidentenwahlkampfs von im Jahr 2016 versucht habe, die amerikanische Öffentlichkeit zu beeinflussen. Es hat Prigoschin deshalb und weil er der „Financier hinter dem privaten Militärunternehmen „Wagner“ sei mit Sanktionen belegt. Prigoschin – der selbst jede Verbindung zu „Wagner“ bestreitet – nutze ein „komplexes Netzwerk“ von
Scheinfirmen, um die Sanktionen zu umgehen und seine Besitzverhältnisse zu verschleiern, erklärte das Finanzministerium in Washington im April dieses Jahres, und weitete die Sanktionen gegen mit ihm verbundene Geschäftspartner aus – was in Russland ein Ritterschlag ist.

Dass Prigoschin zu großem Reichtum gekommen ist, zeigen Fotos seiner erwachsenen Kinder auf Instagram, welche die Antikorruptionsstiftung von Alexej Nawalnyj vor dem Löschen sichern konnte: Darauf war eine 37 Meter lange Jacht mit goldenen Bettbezügen zu sehen, ein Privatflugzeug sowie Ausblicke aus einer palastartigen Villa am Schwarzen Meer.