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Beitrag vom 18.11.2019

SZ

Spielgeld für die Herrscherclique

Der Internationale Währungsfonds vergibt Kredite an Äquatorialguinea und die
Demokratische Republik Kongo und unterstützt damit korrupte Regierungen.

Von Bernd Dörries, Kapstadt

Als sich Teodorín Obiang vor einigen Jahren den Bugatti Veyron 16.4 für etwa eine Million Dollar
gekauft hatte, mag er schnell bemerkt haben, dass dies ein Fehler war. Obiang ist
Diktatorensohn und Vizepräsident von Äquatorialguinea, einem Land an der Westküste Afrikas,
das das Kunststück vollbringt, gleichzeitig reich und bitterarm zu sein. Reich, weil die
sprudelnden Öleinnahmen dem Land zeitweise ein Bruttosozialprodukt von jährlich 20 000
Dollar pro Kopf bescherten. Bitterarm ist es, weil viele der etwas mehr als eine Million
Einwohner in Wahrheit nicht mal ein paar Dollar am Tag haben zum Leben. Was vor allem mit
der Familie Obiang zu tun hat, die das Land ausplündert, seit 40 Jahren regiert der Vater das
Land in Grund und Boden.

Der Junior, genannt "der kleine Prinz" hat sich mit den Jahren eine beträchtliche Autosammlung
zugelegt, mit Schwerpunkt auf Rolls Royce, Lamborghini und Bugatti, vom Veyron 16.4 gibt es
gerade mal 30 Exemplare. Ein paar Monate nach dem Kauf mag der kleine Prinz den Fehler
bemerkt haben, nur ein seltenes Exemplar gekauft zu haben und nicht zwei oder drei. Ein
Fehler, der sich glücklicherweise bald beheben ließ.

Mittlerweile sind die Autokäufe aber etwas schwieriger geworden. Kenner seines
Lebenswandels bemerkten, dass auf seinem Instagram-Profil schon länger keine neue
Protzkarre mehr zu sehen war, dass zumindest nicht mehr so viele Neuzulassungen zu
vermelden sind. Äquatorialguinea geht es wirtschaftlich schlecht, der Ölpreis sinkt und damit
die Einnahmen des Staates. Außerdem machen dem kleinen Prinz auf der ganzen Welt
Korruptionsermittlungen zu schaffen. In Frankreich wurde sein Stadthaus im Wert von 100
Millionen Dollar gepfändet, auch in Brasilien, der Schweiz und den USA wurde gegen ihn
ermittelt, seine Villa in Malibu ist futsch, in Genf wurden 25 Autos versteigert.

Eine Erkundungsmission des IWF fand offenbar nichts, was gegen eine Finanzhilfe spricht

In dieser für den Herrscherclan schwierigen Situation will der Internationale Währungsfonds
(IWF) den Obiangs zu Hilfe eilen, mit einem Kredit über mehrere Hundert Millionen Euro. Eine
Erkundungsmission des IWF in Äquatorialguinea fand offenbar nichts, was gegen eine
Finanzhilfe spricht. Der kleine Staat wünscht sich 700 Millionen Dollar, um, so der IWF, "die
Erholung der ökonomischen Aktivitäten zu unterstützen und dauerhaftes und inklusives
Wachstum zu fördern". Wie die ökonomischen Aktivitäten in Äquatorialguinea aussehen, weiß
man seit Jahrzehnten. "Der IWF hilft nicht einem armen Land - es rettet ein Land, das seine
reichen Ressourcen durch Korruption und Misswirtschaft verschwendet hat", sagt Sarah
Saadoun, von der Menschrechtsorganisation Human Rights Watch. Letztlich rettet der IWF eine
korrupte Herrscherclique, verschafft ihr neues Spielgeld. Im Dezember will der IWF endgültig
über den Kredit entscheiden.

In den vergangenen Jahren hatte es so ausgesehen, als hätten IWF und Weltbank aus der
Vergangenheit gelernt, wären vorsichtiger geworden, was die Unterstützung korrupter Regime
angeht, vor allem in Afrika. Diese Zeit scheint vorbei zu sein.

Auch in der Demokratischen Republik Kongo wollen die beiden wieder stärker aktiv werden, die
Weltbank sogar ein Programm über fünf Milliarden Dollar auflegen. Eine Summe, die in etwa
dem halben Jahreshaushalt des Landes entspricht. Die direkte Budgethilfe, also die
Bezuschussung eines Haushaltes, ist in der Entwicklungszusammenarbeit eigentlich außer
Mode gekommen, weil sie Korruption fördert, Politikern den Griff in die Kasse erleichtert. Im
Kongo wollen IWF und Weltbank aber offenbar wieder direkt in den kongolesischen Haushalt
einzahlen. Voraussetzung der neuen Programme, die den Schulbesuch für Millionen Kinder
kostenlos machen sollen, sei unter anderem, dass die kongolesische Regierung die
Korruptionsbekämpfung intensiviere. Die Bekämpfung der Korruption schreiben sich die
politischen Führer des Kongo seit der Unabhängigkeit 1960 auf die Fahnen. Langzeitdiktator
Mobutu Sese Seko gilt als der Erfinder der Kleptokratie, er ließ sich goldene Paläste in den
Dschungel stellen, inklusive Landebahn für die Concorde. Seitdem hat sich nicht sehr
viel geändert.

"Wir sind gescheitert, weil es nicht genug Willen zur Reform gab."

Der seit Anfang des Jahres amtierende Präsident Félix Tshisekedi mag zu den weniger
korrupten gehören, zu sagen hat er aber wenig. Die Mehrheit im Parlament liegt weiter bei der
Clique von Ex-Präsident Joseph Kabila, der das Land um viele Milliarden Dollar erleichterte und
im Hintergrund weiter die Fäden zieht. Sein Parteien-Bündnis hat ihn gerade zur "moralischen
Autorität" ernannt und will seine Rückkehr ins Präsidentenamt vorbereiten - und damit den
ungehinderten Zugang zu den Fleischtöpfen.

Eines der letzten größeren Projekte der Weltbank im Kongo war ein etwa 200 Millionen Dollar
schweres Programm zur Modernisierung der Eisenbahn. Das Geld versickerte genau so wie bei
den zwei voran gegangenen Versuchen, im Kongo so etwas wie regelmäßigen Eisenbahnverkehr
herzustellen. "Wir sind gescheitert, weil es nicht genug Willen zur Reform gab", sagte Jean Christophe Carret, der Weltbank-Landesdirektor im Kongo vor einigen Tagen. Seine
Konsequenz: Ein noch viel größeres Hilfsprogramm.

In den großen internationalen Institutionen machen oft nicht diejenigen Karriere, die etwas
verhindern, sondern diejenigen, die die größten Budgets verwalten. Das neue
Milliardenprogramm wird sich auch im Lebenslauf von Carret gut machen, wenn die Ergebnisse
evaluiert werden, wird er längst auf dem nächsten Posten sein. Und die Clique um Kabila
womöglich um einige Milliarden reicher.

Ende der siebziger Jahre hatte der IWF mal jemanden in den Kongo entsandt, der die Dinge
anders machen wollte, den ehemaligen Bundesbanker Erwin Blumenthal, der mit der Aufgabe
ins damalige Zaire geschickt wurde, die verschwundenen Milliarden der Internationalen
Gemeinschaft nachzuspüren, deren Spuren er bis nach Europa verfolgte. Blumenthal hatte in
seinem Büro einen Sinnspruch an der Wand: "Diene anderen, nicht Dir selbst." Für große Teile
seines Bürobesuchs wirkte der Spruch wie eine exotische Pflanze. Ändern konnte Blumenthal
nichts. Er schrieb einen ernüchternden Abschlussbericht und fragte: "Wer ruft: Haltet den
Dieb?". Die Frage stellt sich bis heute.