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Beitrag vom 09.02.2019

Focus.de

Drogen

Über Afrika führt ein neuer Heroin-Highway direkt in den Westen

Der Handel vergiftet die Politik und verstärkt die Drogenabhängigkeit auf dem Kontinent.

Alizea Smit sitzt auf einer Plastikkiste vor ihrem Obst- und Gemüsestand in Wynberg, einem Stadtteil von Kapstadt. Die Lage ist günstig. Ihre Orangen und Avocados erfreuen sich reger Nachfrage. Und nur wenige Meter entfernt hat sich an der Ecke ihr Heroinhändler niedergelassen.

Alizea Smit (der Name ist geändert) nimmt seit sechs Jahren Drogen und kauft drei oder vier Päckchen pro Tag zu je 30 Rand (1,97 Euro). Wenn sie nicht genügend frische Ware verkauft, um sich ihre Sucht zu leisten, arbeitet sie abends als Prostituierte. „Heroin ist das Schlimmste“, sagt sie. „Es ist die erste Droge, der ich nicht entkommen kann.“

Bis vor Kurzem gab es in Afrika nur wenige Heroinabhängige. In den 1980er- und 1990er-Jahren fand man sie vor allem in Touristenorten wie Sansibar oder in weißen Hipster-Enklaven in Städten wie Johannesburg. Seit 2006 ist der Heroinkonsum in Afrika nach Erkenntnissen des Büros der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) jedoch schneller gestiegen als in jedem anderen Kontinent. Der Handel mit der Droge hat verheerende Auswirkungen, nicht nur auf die Gesundheit der Bevölkerung, sondern auch auf die Politik.

Mohnanbau in Afghanistan nimmt zu

Der Anstieg von Heroin in Afrika spiegelt zum Teil einen Anstieg des globalen Angebots wider. Nachdem die Taliban ihre Macht in Teilen Afghanistans gefestigt hatten, in denen 85 Prozent des weltweiten Heroins hergestellt werden, nahm dort der Mohnanbau zu. 2017 stieg die Opiumproduktion um 65 Prozent auf 10.500 Tonnen. Das ist der höchste Wert, den das UNODC seit Beginn der Datenerhebung im Jahr 2000 erfasst hat.

Es wird nicht nur mehr Heroin produziert, die Droge wird zunehmend über Afrika gehandelt. Bisher war die so genannte Balkanroute über Iran, die Türkei und Südosteuropa der wichtigste Weg, um Heroin in den Westen zu bringen. Aber in den vergangenen zehn Jahren wurde Drogenschmuggel dort zunehmend schwieriger. Ein Nebeneffekt der verstärkten Grenzkontrollen, mit denen die Türkei auf den Syrienkrieg und die Bemühungen Europas, Flüchtlinge fernzuhalten, reagiert. Deshalb verläuft nun ein Großteil des Drogenschmuggels über die „Südroute“.

Neue "Heroin-Piste"

Auf dieser Route, die auch unter „smack track“ (auf Deutsch: „Heroin-Piste“, Anm.d.Red.) firmiert, wird Heroin von Afghanistan an die pakistanische Makran-Küste gebracht. Dort wird die Ware auf Daus, traditionellen arabischen Booten mit dreieckigen Segeln, geladen. (Ein Teil des Heroins wird auch in Containern auf größeren Schiffen geschmuggelt.)

Abgesehen von der Monsunzeit segeln Daus das ganze Jahr über Richtung Südwesten über den Indischen Ozean, bevor sie vor Somalia, Kenia, Tansania und Mosambik den Anker auswerfen. Kleinere Boote bringen die Schmuggelware dann an Strände und Buchten oder in Handelshäfen. Von dort wird das Heroin auf dem Landweg nach Südafrika transportiert und weiter nach Europa oder Amerika verschifft oder geflogen, wie es Simone Haysom, Peter Gastrow und Mark Shaw von der „Global Initiative against Transnational Organized Crime“ in einem Bericht dokumentieren. Die Variante ist länger als die Balkanroute, doch die hohen Margen beim Drogenschmuggel gleichen das mehr als aus.

Das Versagen der Behörden, gegen den Schmuggel vorzugehen, ist groß. Seit 2010 kommt es zu Beschlagnahmungen im Arabischen Meer durch einen von den USA geführten multinationalen Einsatzverband. Dabei handelt es sich im Wesentlichen allerdings um eine Anti-Terroreinheit, keine Anti-Drogeneinheit. Sie darf Heroin beschlagnahmen, da der Drogenverkauf der Finanzierung der Taliban dient, aber sie hat kein Mandat zur Verhaftung von Schmugglern.

Beschlagnahmungen auf dem afrikanischen Festland seien „extrem selten“, stellt Shanaka Jayasekara vom UNODC fest. Die Polizei versucht es womöglich nicht einmal, da die Behörden und die politisch Verantwortlichen oft mit Drogenhändlern zusammenarbeiten.

Mosambik wird von Drogenhandel zersetzt

Die zersetzende Wirkung des Heroinhandels auf die Politik zeigt sich am deutlichsten in Mosambik. Wenngleich die Daten schwer zu überprüfen sind, geht Joseph Hanlon von der London School of Economics Heroin davon aus, dass Heroin den größten oder zweitgrößten Exportposten in Mosambik ausmacht (nach Kohle).

In Mosambik wird der Drogenhandel von mächtigen Familienclans kontrolliert und heimlich von Frelimo, der einst marxistischen Regierungspartei, gesteuert. In einem Hotel in Nampula im Norden des Landes erklärt ein Mitarbeiter eines Drogenbosses das Geschäft zwischen Schmugglern und dem Staat.

Im Gegenzug für Spenden an die Partei und Schmiergelder für einzelne Personen garantiert Frelimo den Drogenhändlern Schutz vor Verhaftung. Die Partei erteilt auch Genehmigungen, die es ihnen ermöglichen, unentdeckt Ware im Hafen von Nacala ein- und auszuführen. In einem Fall importierte ein Händler demnach dank eines Frelimo-Freischeins Hunderte Motorräder, deren Tanks mit Heroin gefüllt waren.

Bisher wurde in Mosambik kein einziger wichtiger Akteur im Drogengeschäft verhaftet. Beschlagnahmungen durch die Polizei gibt es praktisch nicht; südafrikanische Geheimdienst-Mitarbeiter beschweren sich darüber, dass ihre Kollegen aus Mosambik die Ermittlungen blockierten. Geberländer zögern ihrerseits, das Thema anzufassen; die Verantwortlichen in der Entwicklungshilfe schenken der Kriminalität wenig Beachtung. Das ist kurzsichtig. Ein im November von Simone Haysom veröffentlichter Bericht legt nahe, dass Auseinandersetzungen um Heroin und andere illegale Geschäfte den Aufstand im Norden des Landes nahe riesiger Erdgasvorkommen schüren.

Armee von Händlern vertreibt das Heroin an die Verbraucher

Der Drogenhandel schadet auch Südafrika, das wegen seiner guten Infrastruktur und der schwachen Währung (die Dienstleistungen wie die von Anwälten billig macht) als Ausgangspunkt für den Weitertransport genutzt wird. Weil Bandenchefs um die Kontrolle des Heroinmarktes kämpfen, hat die Zahl der Morde in Kapstadt zugenommen.

In Südafrika machen sich auch die Folgen des Heroinhandels auf die öffentliche Gesundheit besonders stark bemerkbar. Da die Zwischenhändler in der Regel mit Drogen bezahlt werden und der Großhandel mit Drogen floriert, sickert Heroin zunehmend in den heimischen Einzelhandel. Eine bereitwillige Armee von Händlern vertreibt das Heroin an die Verbraucher.

Der Dealer von Alizea Smit, ein 35 Jahre alter Migrant aus Tansania namens Juma, beschreibt, wie sein Geschäft funktioniert. Neuen Kunden werden „Starterpakete“ angeboten, und Dauerkunden werden für ihre Treue belohnt: Für jeweils fünf gekaufte Päckchen gibt es ein Päckchen im Wert von 30 Rand (1,97 Euro) umsonst. Er bezahlt 500 Rand (32,70 Euro) für ein „Booster Pack“.

Nachdem er das Schutzgeld an Banden gezahlt hat, bleibt ihm ein Gewinn von 250 Rand. Obwohl der Handel riskant sei, lebe er hier besser als auf Sansibar, wo er für die Reparatur von Telefonmasten umgerechnet 2 Dollar (1,75 Euro) pro Tag erhalten habe, sagt Juma. Das habe nicht ausgereicht, um seine Frau und zwei Kinder zu versorgen, also wanderte er nach Südafrika aus. „Scheiße, Meister, es ist ein hartes Leben“, seufzt er.

Heroin ist heute „die Modedroge“

Die Daten zum Heroinkonsum in Südafrika sind lückenhaft. Mehr als 1000 Menschen lassen sich wegen ihrer Sucht behandeln - vor zwei Jahrzehnten war es fast keiner. Aber das erfasst nur einen Bruchteil der Konsumenten. Schätzungen zufolge beläuft sich die Zahl der Abhängigen, die sich spritzt, auf 75.000 oder 0,2 Prozent der Erwachsenen.

Dabei ist die intravenöse Injektion nur eine Möglichkeit, Heroin zu konsumieren. Viele rauchen es in einem giftigen Cocktail aus Waschpulver, Schlaftabletten und Methamphetaminen. Einige wenige bevorzugen „Bluetoothing“: Dabei teilen sie sich den Schuss, indem sie Blut des Partner-Junkies wieder in die Spritze hochziehen und anschließend in ihre Vene injizieren. In einem Land, in dem HIV nach wie vor verbreitet ist, ist das ein irrsinniges Risiko.

Für Pastor Craven Engel steht außer Frage, dass Heroin heute „die Modedroge“ ist. Er leitet Camp Joy, ein Rehabilitationszentrum für drogenabhängige Bandenmitglieder in der Nähe von Kapstadt. In den vergangenen fünf Jahren habe es Methamphetamin [auch bekannt als Crystal Meth, Anm. d. Red.] als Droge der Wahl überholt, sagt er. Genesende Suchtkranke in seiner Einrichtung bestätigen das.

Viele von ihnen nahmen Heroin, um Erinnerungen an den gewaltvollen Kampf um die Hoheit auf dem Drogenmarkt zu löschen. „Ich brauchte die Droge, um mein Gewissen zu beruhigen“, sagt ein Mitglied einer Gang. Solange die südliche Route floriert, wird die Nachfrage nach Opium zur Rettung der Seele kaum nachlassen.

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Dieser Artikel erschien zuerst in der neuesten Printausgabe des "Economist" unter der Überschrift und wurde von Sandra Tjong aus dem Englischen übersetzt.