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Beitrag vom 13.08.2018

FAZ

Die Junta schlägt zurück

Während die Opposition in Zimbabwe gegen das Wahlergebnis klagt, geht das Regime mit immer größerer Härte gegen seine Gegner vor. Von Thilo Thielke

KAPSTADT, 12. August
Eigentlich sollte am gestrigen Sonntag, 10.30 Uhr Ortszeit, die Amtseinführung von Zimbabwes neuem Präsidenten Emmerson Mnangagwa stattfinden. Es war schon alles vorbereitet für die feierliche Veranstaltung im Nationalen Sportstadion in der Hauptstadt Harare, Einladungen waren an Botschaften und Konsulate verschickt worden. Dann wurde die Zeremonie abgesagt.

Kurz vor Ablauf der Frist hatte das oppositionelle Wahlbündnis „Movement for Democratic Change“ (MDC) beim Verfassungsgericht Klage eingereicht. Sie ficht das von der zimbabwischen Wahlkommission verkündete Ergebnis der Parlaments- und Präsidentschaftswahlen vom 30. Juli an. Danach hatte der 75 Jahre alte Emmerson Mnangagwa von der sozialistischen „Zimbabwe African National Union – Patriotic Front“ (Zanu-PF) die Wahl gewonnen. Er erhielt demnach 50,8 Prozent der Stimmen; sein Herausforderer, der 40 Jahre Nelson Chamisa von der MDC, war nur auf 44,3 Prozent gekommen. Zudem errang die Zanu-PF 145 von 210 Sitzen im Parlament – und damit eine wichtige Zweidrittelmehrheit.

Afrikanische Staatsmänner wie Burundis „Ewiger Führer“, Pierre Nkurunziza, der „Bulldozer“ genannte tansanische Präsident John Magufuli oder Kenias Präsident Uhuru Kenyatta billigten bereits das Ergebnis einer umstrittenen Wahl, die von der Beobachtergruppe der Europäischen Union „frei, aber nicht fair“ genannt worden war. Südafrikas neuer Präsident Cyril Ramaphosa beabsichtigte sogar, persönlich zur Vereidigung Mnangagwas im Nachbarland zu erscheinen. Nun hat das Gericht zwei Wochen Zeit, die Beschwerde der Opposition zu prüfen.

Diese hat nun ihre Vorwürfe präzisiert. In einigen Wahlstationen seien Stimmen doppelt gezählt worden, in anderen gar nicht. In elf Wahlstationen habe die Beteiligung bei über 100 Prozent gelegen. Zudem waren in etlichen Wahlbezirken sehr viel mehr Stimmen bei der Präsidentenwahl als bei der Parlamentswahl abgegeben worden, obwohl beide Wahlen gleichzeitig stattfanden. In einem Wahlkreis soll es sich um 18000 Menschen gehandelt haben, die dann nur einen der beiden Wahlzettel ausgefüllt hätten. „Das bedeutet: Entweder wurden die Zahlen für den Präsidenten aufgeblasen, oder Tausende von Menschen haben die Wahlstation verlassen, ohne ihren Parlamentarier gewählt zu haben, und das ist doch sehr unwahrscheinlich“, schreibt Nicole Beardsworth, politische Analystin des globalen Entwicklungszentrums an der Universität von York. Ein weiterer Kritikpunkt: Eigentlich hätten an allen Wahlstationen die lokalen Ergebnisse gut sichtbar für alle öffentlich gemacht werden sollen, um Transparenz herzustellen und Betrug zu vermeiden. Allerdings sei das in 21 Prozent der Fälle nicht geschehen. Irritationen herrschen auch über die veröffentlichten Angaben der Wahlbeteiligung. So sei die Zahl der Wahlberechtigten mit etwas über 5,6 Millionen angegeben worden, von denen laut Wahlkommission 72 Prozent gewählt hätten. „Das würde einer absoluten Zahl von etwas mehr als 4 032 000 abgegeben Stimmen entsprechen“, so die Kläger von der MDC. Sie weisen darauf hin, dass die Wahlkommission an anderer Stelle über 4,7 Millionen Stimmen gezählt haben will – eine Diskrepanz von immerhin 700000 Stimmen, für die es keine Erklärung gebe.

Dass diese Wahl nicht besonders demokratisch sein würde, hatte sich seit längerer Zeit abgezeichnet. In den wichtigen Staatsmedien war fast nur Mnangagwa, Spitzname: Krokodil, zu sehen gewesen, auch war Geld des Staats in seinen Wahlkampf investiert worden. Zimbabwer, die vor dem roten Terror des langjährigen Diktators Robert Gabriel Mugabe ins Ausland geflohen waren, durften erst gar nicht an der Wahl teilnehmen. Zudem häuften sich die Berichte über Soldaten, die in Zivilkleidung in den Dörfern des Landes auftauchten und die Bevölkerung einschüchterten; Videos kursierten, auf denen zu sehen war, wie Uniformierte Menschen auf Mnangagwas Wahlveranstaltungen zu knüppeln versuchten; lokale Führer waren von der Regierung mit Autos beschenkt worden, um die passenden Ergebnisse einzutreiben. Lange Zeit drohte Herausforderer Chamisa damit, die Wahl zu boykottieren. Dass er an ihr dennoch teilnahm, lag wohl auch an Umfragen, nach denen er trotz der offenkundigen Benachteiligung gute Chancen gegen den amtierenden Präsidenten hatte. Er wollte die Chance auf einen Regimewechsel nicht verstreichen lassen.

Schon kurz nach der Verkündung des offiziellen Wahlergebnisses aber eskalierte die Situation in Harare. Soldaten schossen mit scharfer Munition auf flüchtende Demonstranten, das Hauptquartier der Opposition wurde besetzt, 27 MDC-Mitglieder verhaftet. Bilanz der Unruhen: sechs tote Zivilisten, von denen mindestens zweien in den Rücken geschossen worden war. Wenig später setzte sich der Anwalt und ehemalige Parlamentarier Tendai Biti, einer der bekanntesten Köpfe der Opposition, nach Sambia ab und beantragte dort Asyl. Sambia ist der nördliche Nachbar Zimbabwes, früher waren „Zim & Zam“ britische Kronkolonien: als Süd- und Nordrhodesien. Allerdings war Bitis Antrag von der Regierung des sambischen Präsidenten Edgar Lungu abgelehnt worden.

Biti wurde zurück nach Zimbabwe geschickt und kam in Polizeigewahrsam, das er allerdings nach kurzer Zeit und einer Zahlung von fünftausend Dollar auf Kaution wieder verlassen durfte. Seitdem ist es dem Politiker untersagt, sich öffentlich zu äußern. Der Vorwurf gegen Biti: Er habe zu illegalen Demonstrationen aufgerufen und vorzeitig den Sieg Chamisas verkündet. Eine Anklage, die auch gegen sieben andere Oppositionsführer erhoben wird.

Einst gehörte Biti zu den Gründern der MDC und war ein langjähriger Vertrauter des Parteigründers Morgan Tsvangirai. Unter Zimbabwes ehemaligem Präsidenten Robert Mugabe war Biti schon einmal als mutmaßlicher Autor des Oppositionspapiers „Die Übergangsstrategie“ des Hochverrats bezichtigt worden. Erst im Februar hatte Biti gegenüber dieser Zeitung heftige Kritik an der internationalen Gemeinschaft geäußert. „Die Entmachtung Robert Mugabes durch Emmerson Mnangagwa war ein Militärputsch mit dem Segen Pekings“, so Biti. „Dieser hätte nie so stillschweigend hingenommen werden dürfen.“ Statt eine neue Regierung unter Einbeziehung der Opposition zu formen, sei nur die Junta gestärkt worden, die das Land seit 1980 regiert.

Bitis Befürchtungen scheinen sich nun bestätigt zu haben. Menschenrechtler berichten von massiver Gewalt gegen Oppositionelle. Häuser von MDC-Leuten werden systematisch durchkämmt, es gibt Berichte über Vermummte in Uniform, die Regimegegner zusammenschlagen und deren Eigentum zerstören. Viele Mnangagwa-Gegner sind untergetaucht. Es herrschen wieder Zustände, die an die Zeiten erinnern, in denen Mugabe, mittlerweile 94 Jahre alt, das Land führte und Mnangwagwa seine rechte Hand war: unter anderem als Geheimdienstminister und Vizepräsident. In den mehr als 37 Jahren ihrer Herrschaft war der Staat massiv militarisiert und von der Zanu-PF wie Parteieigentum behandelt worden, einer Zwangsvereinigung von Maoisten und Leninisten unter Führung der pekingtreuen Mugabe-Fraktion. Staat, Armee und Partei sind seitdem kaum noch voneinander zu trennen in Zimbabwe.

Auch aus dem Ausland häuft sich die Kritik an den Zuständen in Zimbabwe. So kritisierte der amerikanische Schriftstellerverband PEN neben der Gewalt gegen Mitglieder der Opposition auch die Versuche der Zanu-PF-Regierung, Journalisten „einen Maulkorb“ zu verpassen. So seien Berichterstatter etwa auf Demonstrationen angegriffen und davon abhalten worden, eine Pressekonferenz der MDC zu besuchen. Karin Karlekar, amerikanische Direktorin des PEN-Programms „Meinungsfreiheit in Gefahr“, sagt: „Mnangagwas Kommentare, in denen er vor ein paar Tagen erklärt hat, dass freie Rede ein unabdingbares Element des ‚Neuen Zimbabwe‘ sei, erscheinen vor dem Hintergrund der brutalen Unterdrückung abweichender Meinungen lächerlich.“

Auch an der Unabhängigkeit des obersten Gerichts, das nun die Oppositonsbeschwerde zu prüfen hat, werden bereits Zweifel laut. Der zimbabwische Menschenrechtler und Journalist Wisdom Mumera sagt: „Alle Augen richten sich jetzt auf eine Justiz, der schon in der Vergangenheit vorgeworfen worden war, von der Zanu-PF gekapert worden zu sein, um deren illegale Manöver mit dem Anschein von Legalität zu versehen.“ Etliche führende Geschäftsleute hätten sich bereits ins Ausland abgesetzt, weil sie „nicht glauben, dass das Justizsystem des Landes in der Lage ist, unabhängige Urteile zu fällen“. Vielleicht liegt es daran, wer der zuletzt amtierende Justizminister war: Ausgerechnet Mnangagwa.