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Pour une autre politique de développement!

Beitrag vom 18.02.2017

Europa und Afrika sind Weggefährten

Von Günter Nooke

aus:Deutschlands neue Verantwortung: Die Zukunft der deutschen und europäischen Außen-, Entwicklungs- und Sicherheitspolitik, ECON

Glaubwürdig ist eine Politik, die Interessen formuliert, nicht eine, die Geschenke verteilt oder das eigene schlechte Gewissen zu beruhigen versucht. Das hat es in der Entwicklungspolitik lange genug gegeben und gibt es leider immer noch. ­Eine wirklich europäische Afrikapolitik, die über kurzfristige Sicherheits- oder Partikularinteressen wie zum Beispiel die französischen hinausgeht, existiert nicht.

Afrika ist unser Schicksal

Eine europäische Afrikapolitik, die diesen Namen verdient, sollte sich folgenden Kernsatz Angela Merkels zu eigen machen: Das Wohl Afrikas liegt im Interesse Europas. Es ist richtig, hier von unseren Interessen zu sprechen. Afrika ist unser Nachbarkontinent. Fatalistisch gesprochen: Afrika ist unser Schicksal. Aber wir müssen nicht zuschauen. Wir müssen nur der Realität ins Auge blicken und die vielen Wahrheiten aushalten: Weder ­einfache noch schnelle Antworten sind tragfähig und werden dem anderen gerecht. Die europäisch-­afrikanische Schicksalsgemeinschaft verbindet zwei sehr verschiedene Kontinente.

Der Lebensstandard ist in der Breite extrem ­unterschiedlich. Europäer verstehen kaum die Rolle der Alten, die Traditionen und Religionen in Afrika. Uns verbindet aber auch eine schwierige gemeinsame Geschichte nicht nur der Kolonialzeit, sondern auch im Kalten Krieg. Der rasant wachsenden Bevölkerung in fast allen Ländern Afrikas steht ein alterndes Europa gegenüber.

Das neue Narrativ der Zusammenarbeit der Europäischen Union und Afrikas sollte das einer Weggefährtenschaft sein; gleichgültig, ob diese freiwillig eingegangen wird oder nicht. Wir sind auf­einander angewiesen! Die Frage muss nicht beantwortet werden, ob es sich dabei um eine erfahrene Seilschaft handelt, die höchste Gipfel erklimmen will, oder doch eher das Bild aus der Fabel zutrifft, in der zwei, ein Lahmer auf dem Rücken eines Blinden, den Weg durch unübersichtliches Gelände suchen. Für beide Weggefährten sind es »Wege in der Gefahr«.

Um sicher zu gehen, braucht es klare Sprache und eindeutige Regeln der Kommunikation: Was ist gemeint? Wer trägt welche Verantwortung und wofür? Was kann realistischerweise vom jeweils anderen bis wann erwartet werden – und was nicht?

Europa kann Afrika nicht retten

Worin besteht der Inhalt des neuen Narrativs? ­Europa kann Afrika nicht retten. Europa muss die Außengrenzen geschlossen halten, wenn es sein eigenes »Entwicklungsmodell« des demokratischen und sozialen Rechtsstaats aufrechterhalten will. Der Glaube, Afrika mit mehr Entwicklungshilfe voranzubringen, ging verloren. Das sehen viele der Eliten in Afrika auch so, selbst wenn sie davon profitieren.

Afrika will und braucht Investitionen aus Europa. Investitionen schaffen Arbeitsplätze und diese schaffen Perspektiven für Menschen in ihren Heimatländern. Aber für deutsche Unternehmen stimmen die Rahmenbedingungen nicht; wir werden sie auch im nächsten Jahrzehnt nicht durch mehr capacity building schaffen. Aber wir können voneinander lernen, höfliche Ehrlichkeit und Demut sind angesagt.

Wir sagen: Man kann nicht leben wollen wie in Europa, ohne auch so zu arbeiten. Sollten aber auch fragen: Geht das überhaupt in den extremen Klimazonen oder mit diesen Traditionen? Wollen das überhaupt alle Afrikanerinnen und Afrikaner? Klar muss sein: Menschenrechte sollen jedem Menschen auf der Welt, gleich wo er geboren ist, wo er herkommt und was er mitbringt, ein würdiges Leben garantieren. Aber es gibt nirgendwo auf der Welt einen Rechtsanspruch auf ein gutes Leben; dafür müssen auch in Afrika alle hart arbeiten. Das Korruptionsgeld reicht nur für wenige. Europa ist nicht der Ausweg, sondern ein Gefährte auf dem Weg, den Afrika genauso bestimmt wie Europa.

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Günter Nooke (57) ist seit 2010 persönlicher Afrikabeauftragter der Bundeskanzlerin und seit 2014 auch des Entwicklungsministeriums. Davor war er Menschenrechtsbeauftragter der Bundes­regierung und von 1998 bis 2005 Mitglied des Deutschen Bundestags, dort unter anderem stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU-Fraktion und Sprecher für Kultur und Medien. Günter Nooke gehörte dem ersten Landtag Brandenburg an und 1990 der frei gewählten Volkskammer der DDR für das Bündnis 90. Er engagierte sich vor dem Herbst 1989 in kirchlichen Oppositionsgruppen und ­studierte Physik an der Universität Leipzig.