Aller au contenu principal
Pour une autre politique de développement!

Beitrag vom 23.10.2016

Tagesanzeiger, Zürich

Malawi

Die Mädchen sollen zur Schule

Chief Theresa Kachindamoto annulliert in Malawi Kinderehen.

von Johannes Dieterich

Man nennt sie «The Terminator». Aber nicht, weil Theresa Kachindamoto töten würde. Sie terminiert Ehen, genauer: Kinderehen. Das Oberhaupt des malawischen Dedza-Distrikts hat bereits 1500 Vermählungen aufgelöst. Zu anderen Zeiten wäre Chief Kachindamoto womöglich als Hexe verbrannt oder als Zerstörerin des heiligen Sakraments der Ehe gebrandmarkt worden. Unter Malawis Frauen aber wird die Terminatorin als Heldin gefeiert. Denn in dem südafrikanischen Staat wird jedes zweite Mädchen schon unter 18 Jahren vermählt, manche bereits mit 12. In der Folge gehen nicht einmal die Hälfte der jungen Malawierinnen länger als sechs Jahre zur Schule.

Kachindamoto wurde 2003 zum traditionellen Oberhaupt ihres mehr als 900 000 Einwohner zählenden Heimatdistrikts ernannt, obwohl sie als zwölftes Kind ihres verstorbenen Häuptlingsvaters eigentlich keine Chance auf die Nachfolge hatte. Trotzdem fiel die Wahl auf sie: Theresa könne am besten mit Menschen umgehen, hiess es im Familienrat. Nach 27 Jahren auswärts habe sie nach der Heimkehr sofort gesehen, was in Dedza schieflief, erinnert sich die neugekürte Chefin des Distrikts: «Da hingen viel zu viele junge Mädchen mit Babys auf dem Arm herum.»

Chief Kachindamoto wies ihre 50 Unterchefs an, sämtliche Kinderehen sofort zu verbieten. Viele Chiefs wandten ein, dass es sich bei der Vermählung Jugendlicher um eine alte Tradition handle, die den Vorteil habe, dass sich arme, kinderreiche Familien möglichst schnell einer Mitesserin entledigen könnten. Kachindamoto (58) soll Todesdrohungen erhalten haben.

Trotzdem liess die Terminatorin nicht locker. Unterhäuptlinge, die ihrer Aufforderung zum Stopp der Kinderehen nicht nachkommen wollten, wurden entlassen. Und den zögernden Eltern der viel zu jungen Ehefrauen hielt Chief Kachindamoto entgegen, dass ein ausgebildetes Mädchen in Zukunft mehr Gewinn einbringe als ein billig verkauftes Mädchen jetzt. Nicht wenige liessen sich überzeugen. Und wenn eine Familie das Schulgeld für ihre vom Ehebund befreite Tochter nicht aufbringen konnte, griff die Häuptlingsfrau selbst in die Tasche.

Vor wenigen Tagen bekam Chief Kachindamoto Besuch aus Hollywood. Unicef-Botschafterin Emma Watson machte der Ehebrecherin ihre Aufwartung: Furchtlose Menschen wie sie würden die Welt bewegen, schwärmte der Harry-Potter-Star. Unterstützt wird Kachindamoto heute auch von der Regierung. Nach stolzer zwölfjähriger Beratungszeit verabschiedete das malawische Parlament ein Gesetz, mit dem das heiratsfähige Alter auf 18 Jahre festgesetzt wird. Spätestens in fünf Jahren, verspricht Präsident Peter Mutharika, werde die Kinderehe in Malawi der Vergangenheit angehören. Der Terminatorin genügt das nicht. Sie will das heiratsfähige Alter auf 21 Jahre anheben. Kachindamoto heisst in der Sprache der Ngoni: Die mit dem Feuer spielt.