Beitrag vom 04.07.2014
FAZ
Homosexualität in Afrika
Lebenslänglich für Lebensgemeinschaft
Ein schwules Paar in Sambia wurde auf politischen Druck freigesprochen. Doch auf dem ganzen Kontinent sind Homosexuelle mit repressiven Gesetzen und Diskriminierung konfrontiert.
von Thomas Scheen
14 Monate saßen James Mwape und Phillip Mubiana in Untersuchungshaft, weil sie ein Liebespaar sind. Homosexualität gilt in Sambia, wie in vielen anderen afrikanischen Ländern auch, als Verbrechen. Dem Frisör und dem Maurer drohten im Fall einer Verurteilung Haftstrafen zwischen 14 Jahren und lebenslänglich. Dass die beiden Sambier am Donnerstag in der Provinzstadt Kapiri Mposhi überraschend freigesprochen wurden, ist nicht zuletzt einigen westlichen Botschaftern zu verdanken, unter ihnen der deutsche und der amerikanische. Sie konnten die sambische Regierung offenbar davon überzeugen, dass Sambias Ansehen international großen Schaden nehmen könnte, sollten die beiden Männer tatsächlich verurteilt werden. Der Richter in Kapiri Mposhi vernahm die entsprechende Botschaft der Führung und befand prompt die ohnehin schlampige Beweisführung der Staatsanwaltschaft als unzureichend. Gleichwohl forderte er in seiner Urteilsbegründung, Homosexualität zum Schutz der "sambischen Identität" weiterhin strafrechtlich zu ahnden.
Aufschlussreich über diese "sambische Identität" waren vor allem die Begleitumstände des Prozesses. Den westlichen Diplomaten und westlichen Nichtregierungsorganisationen, die sich für die Angeklagten eingesetzt hatten, wurde "Einmischung in die inneren Angelegenheiten" vorgeworfen, "Verstöße gegen die christliche Lehre" und die "Zerstörung afrikanischer Identität". Homosexualität sei ein "westliches Konzept", und sein Export nach Afrika ziele auf die Unterminierung der "afrikanischen Kultur". Das Ganze gipfelte in einem Thesenpapier, in dem die Appelle an die Menschlichkeit mit dem Argument verworfen wurden, sexuelle Handlungen unter Gleichgeschlechtlichen seien "unmenschlich" und die Personen, die diese vornähmen seien folglich keine Menschen. In dieser Frage herrscht übrigens Einigkeit zwischen Opposition und Regierung in Sambia.
Wenn der Prozess in Kapiri Mposhi für die beiden Angeklagten auch glimpflich ausging, steht er doch beispielhaft für die Schwulenhatz in vielen afrikanischen Ländern. In drei Vierteln aller Länder auf dem Kontinent wird Homosexualität mit Gefängnis bestraft. In Uganda steht darauf lebenslänglich, in Nigeria riskieren Homosexuelle bis zu 14 Jahre Haft für eine gleichgeschlechtliche Ehe und zehn Jahre Haft für gleichgeschlechtliches Zusammenleben. In Kamerun, in Kenia, in Zimbabwe: überall sind Homosexuelle mit staatlicher Repression und Diskriminierung konfrontiert.
Wenn in Kenia zwei Männer eine Lebensgemeinschaft bilden, wird das mit bis zu 14 Jahren Haft bestraft, weil der Gesetzgeber davon ausgeht, dass es zwischen den beiden zu "widernatürlichen Handlungen" kommt. Wenn zwei Frauen zusammenziehen, ist das hingegen legal. Grundlage für diese Gesetzgebung sind die Bibel und ihr Sündenkatalog, der allerdings je nach Interessenlage interpretiert wird. Als das kenianische Parlament im März mit großer Mehrheit ein Gesetz verabschiedete, wonach es Männern künftig erlaubt ist, auch ohne Einverständnis der ersten Frau eine zweite und eine dritte Frau zu heiraten, fanden das nur die weiblichen Mitglieder des Parlaments sittenwidrig.
Der Schutz ist nur theoretisch
Der zimbabwische Präsident Robert Mugabe verortete Homosexuelle unlängst auf einer Stufe "mit Schweinen und Hunden". Und dort, wo Homosexualität von der Verfassung geschützt wird wie etwa in Südafrika, ist dieser Schutz bestenfalls ein theoretischer. Immer wieder werden dort lesbische Frauen vergewaltigt, um sie so "auf den richtigen Weg" zu bringen.
In Malawi wiederum, wo zwei Männer vorübergehend im Gefängnis landeten, weil sie ihre Hochzeit gefeiert hatten, setzte Präsidentin Joyce Banda vor vier Jahren alle entsprechenden Gesetze außer Kraft und verlangte vom Parlament eine gründliche Debatte über die Anti-Homosexuellen-Gesetzgebung. Banda verlor bei den Wahlen im Mai ihr Amt und ihr Nachfolger Peter Mutharika hat bislang nicht erkennen lassen, dass er dieses heiße Eisen auf absehbare Zeit anzufassen gedenkt.
Die Anti-Homosexuellen-Gesetze in Afrika sind nicht neu. Die meisten stammen sogar noch aus der Zeit britischer Kolonialherrschaft. Neu ist nur, dass sie plötzlich mit solcher Vehemenz angewandt werden. Dahinter stecken amerikanische Pfingstkirchen, die eifrig in Afrika missionieren und anscheinend über nahezu unbegrenzte finanzielle Mittel verfügen. Das beste Beispiel dafür ist Uganda, wo die Pfingstkirche "International House of Prayer" aus Kansas City seit vielen Jahren zugange ist. Nahezu die Hälfte der Bevölkerung in Uganda ist Mitglied einer Pfingstkirche. Diese Kirchen haben überall auf dem Kontinent enormen Zulauf, nicht zuletzt wegen ihrer rigiden Moralvorstellungen. Homosexualität gilt den Predigern dieser Glaubensrichtung im besten Fall als eine heilbare Seuche, im schlimmsten Fall als ein Vorbote der apokalyptischen Reiter.
In Uganda gipfelten die sonntäglichen Tiraden gegen Schwule und Lesben irgendwann in dem Gesetzesvorschlag eines Hinterbänklers im Parlament - natürlich Mitglied einer Pfingstkirche -, Homosexualität mit der Todesstrafe zu ahnden. Gleichzeitig wurde Homosexualität als ein Import des Westens gebrandmarkt, der darauf abziele, die afrikanische Gesellschaft zu schwächen - ein Argument, das aufgrund des Minderwertigkeitsgefühls vieler Afrikaner auf fruchtbaren Boden fiel und das auch in der öffentlichen Diskussion um den Prozess in Sambia eine große Rolle spielte.
Fälle von Homosexualität anzeigen
In Uganda mutierte die Diskussion über sogenannte abartige Sexualpraktiken zu einem Massenphänomen mit weitreichenden politischen Folgen. Der als rational-aufgeklärt geltende Präsident Yoweri Museveni, der seit 1986 im Amt ist und den Höhepunkt seiner Popularität längst hinter sich hat, sah eine Chance, sein Image aufzupolieren. Es gibt Behauptungen, er habe gar keine andere Wahl gehabt, als auf den fahrenden Zug der Homophobie aufzuspringen, wenn er dieses politische Feld nicht der Opposition überlassen will. Seither wird Homosexualität nicht mehr mit dem Tod geahndet, sondern "nur noch" mit lebenslanger Haftstrafe. Gleichzeitig aber ist bei Strafe untersagt, sich positiv über Homosexualität zu äußern, und jeder Ugander ist angehalten, Fälle von Homosexualität zur Anzeige zu bringen.
In Uganda wurde vor Kurzem ein Anti-Homosexualitäts-Gesetz erlassen, was viele Bürger mit Freude zur Kenntnis genommen haben
Die amerikanische Regierung reagierte mit Sanktionen auf das neue Gesetz in Uganda, die allerdings so weich ausfielen, dass sie nicht der Rede wert sind: Gegen ausgesuchte Politiker wurde ein Einreiseverbot verhängt und Entwicklungshilfezahlungen für das Gesundheitswesen wurden eingefroren. Die deutsche Regierung hat zwar auch das neue Gesetz verurteilt, zu mehr wollte sie sich aber nicht durchringen. Die ugandische Armee kämpft in Somalia gegen die radikalen Islamisten der Shabaab-Miliz, und diesen Einsatz zahlt samt und sonders die Europäische Union.