Aller au contenu principal
Pour une autre politique de développement!

Beitrag vom 03.03.2014

onlinereports.ch

Schweizer Entwicklungshilfe spült harte Fakten weich

Es fehlt an Transparenz, an Kontrolle und an konkreten Leistungs-Nachweisen

Von Peter Achten

Über fünfzig Jahren Entwicklungshilfe haben der Dritten Welt und der Schweiz wenig gebracht. Die Schweiz erhält von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) trotzdem leidlich gute Noten. Doch die Intransparenz muss ein Ende haben, bessere Kontrollen und Leistungsnachweise sind nötig.

Viele der recht bezahlten Beamten der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) in Bundes-Bern wehren sich gegen Reformmassnahmen, die 2008 in Angriff genommenen wurden und zum Ziel haben, mehr Transparenz zu schaffen und die vom Parlament üppig bewilligten Hilfsgelder effizienter und vor allem nachhaltiger einzusetzen. Bis ins Jahr 2017 sollen die meisten Deza-Büros mit den Botschaften zusammengelegt werden. Die spendierfreudigen Deza-Akteure kommen so - endlich - unter bessere Kontrolle. Natürlich passt das vielen amtlichen Entwicklungshelfern nicht. Bis 2008 konnte der ehemalige Deza-Direktor Walter Fust nämlich walten und schalten fast so, wie es ihm beliebte.

Überflüssige Tsunami-Autritte

Während über einem Jahrzehnt gab er gekonnt den Wohltäter. Medienwirksam zum Beispiel jettete er nach dem Tsunami im Jahr 2008 nach Banda Aceh auf der indonesischen Insel Sumatra, um am Ort die Lage zu erkunden. Fähige, dort arbeitende Deza-Mitarbeiter hatten sehr wohl die Übersicht und bezeichneten die Fust-Reise, damals leider off the record, als "völlig überflüssig". Doch der rührige Deza-Supremo wollte nicht hinten anstehen, schliesslich waren auch Bill Clinton und andere Politgranden dort präsent. Vor allem aber wollte Fust Flagge markieren, weil die damalige Aussenministerin Calmy-Rey in Thailand ihren ebenfalls überflüssigen Tsunami-Auftritt zelebrierte - von Polemikern auch Calamity-Reisli genannt -, nicht wie üblicherweise breit lachend, dennoch aber medienwirksam mit Mundschutz.

Satte 0,45 Prozentpunkte des Brutto-Inlandprodukts (BIP) oder rund 2,7 Milliarden Franken hat 2012 die Eidgenossenschaft für die Entwicklungshilfe - oder politisch korrekter - Entwicklungs-Zusammenarbeit spendiert. Im kommenden Jahr soll die öffentliche Entwicklungshilfe der Schweiz sogar 0,5 Prozent des BIP ausmachen. Ziel der UNO wären 0,7 Prozent. Immerhin, unter 24 Vergleichsstaaten liegt derzeit die Schweiz mit 0,45 Prozent an zehnter Stelle.

Transparenz ist Mangelware

"Das ist eine Erfolgsgeschichte", wird in dem alle vier Jahre vom OECD-Entwicklungsausschuss herausgegebenen Länderbericht festgestellt. Nach so viel Lob kommt das grosse Aber: mehr Transparenz bitte. Für die Parlamentarier, besonders aber für die Steuerzahler. Im Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) und vor allem beim Deza bräuchte es dafür aber vor allem eine klare Strategie. Zahlen, harte Fakten und aussagekräftige Informationen zu mittel- und langfristigen Projekten aus dem Seco und der Deza sind Mangelware. Wie in anderen Bundesdepartementen sind eben auch in den für Entwicklungs-Zusammenarbeit zuständigen Verwaltungen gut honorierte Informations- und Kommunikations-Profis zuständig dafür, dass aussagekräftige Informationen verhindert werden und alles andere zuhanden der Journalisten und der Öffentlichkeit weich gespült und flach gebürstet wird.

Trotz allem Lob hält die OECD nicht mit Kritik zurück. Unter anderem wird eine entwicklungspolitische Konzentration gefordert, zum Beispiel auf ärmste, schwache und politisch am Abgrund stehende Länder. Die Schweiz aber verteilt ihre Hilfsgelder mit der Giesskanne auf siebzig Länder. Die zwanzig meist bitterarmen Schwerpunktländer bekommen gerade einmal ein Viertel der Gelder zugesprochen. Dass auch aufstrebende Volkswirtschaften, zumal Schwellenländer wie China, zu den Begünstigten gehören, ist nur schwer verständlich.

Industriestaaten verhindern Freihandel

Besonders pikant: Der OECD-Bericht verweist auf die hohen Importbeschränkungen und Subventionen der Schweizer Landwirtschaft. Bern allerdings setzt wie andere Industrie-Länder - USA, Kanada, Argentinien, die EU oder Japan - auf nationale Nahrungssicherheit durch einheimisches Schaffen. Ein Scheinargument, das die Doha-Runde der UNO-Welthandelsorganisation WTO fast zum Scheitern brachte.

Mit andern Worten: Die Industriestaaten und damit auch die Schweiz verhindern seit Jahrzehnten mit Erfolg den ansonsten so geliebten und hochgehaltenen Freihandel für einen einzigen Bereich. Der Reisbauer in Okinawa, der Getreide-Farmer in den Plains von Nordamerika, die EU-Agrar-Lobby oder der Bauer im Emmenthal könnten ja vor den Kopf gestossen werden. Renommierte Ökonomen, zumal aus Lateinamerika, haben längst nachgewiesen, dass die Industriestaaten bei einer Globalisierung des Agrarmarktes sich den grössten Teil der Entwicklungshilfsgelder sparen könnten.

Wenig gelernt

Was haben die staatlichen Entwicklungshelfer der Schweiz in einem halben Jahrhundert gelernt? Wenig. Fust-Nachfolger Martin Dahinden - inzwischen als Botschafter in die USA nach oben oder auf die Seite befördert - bringt es mit einer diplomatischen Platitüde auf den Punkt: "Die internationale Zusammenarbeit der Schweiz zielt grundsätzlich darauf ab, Resultate zu erreichen". So so! Doch die Resultate in der Entwicklungs-Zusammenarbeit müssen mit der Lupe gesucht werden. Die Finanzkontrolle des Bundes konnte im vergangenen Jahr nur wenig "Nachhaltigkeit" feststellen. Es fehlte nicht nur an "relevanten Zielwerten und Parametern", bemängelten die Prüfer, sondern auch an einer einigermassen zuverlässigen Dokumentation.