Beitrag vom 17.12.2010
Die Presse
Hilfe, die Helfer kommen!
Von Gerhard Drekonja-Kornat
Soll man der Dritten Welt noch helfen? Für sie spenden? Ich weiß, wovon ich schreibe, denn auch ich war beim "Hilfs-Zirkus" dabei: über Entwicklungshilfe, ihr Gutes, ihre Widersprüche und Verwerfungen - und die grotesken Folgen.
Vor dem Erdbeben im heurigen Jänner arbeiteten in Haiti 9500 Entwicklungshelfer und Friedenssoldaten. Nach dem apokalyptischen Beben, welches die Hauptstadt Port-au-Prince in Trümmer legte, vermehrte sich die Zahl der Helfer auf rund 26.000 Personen. In der Tat lebt Haiti heute von der internationalen Caritas, verkörpert von UN-Agenturen, internationalen Finanzinstitutionen, Entwicklungsbehörden und vor allem von Hunderten NGOs (Non-Governmental Organizations), den nichtstaatlichen Stellen, die privat helfen oder heilen wollen.
Es lohnt daher, heute zwischen der klassischen Entwicklungshilfe - moderner: Entwicklungszusammenarbeit (EZA) - und der nach Erdbeben, Überflutungen oder Kriegswirren wohltätigen Katastrophenhilfe (KH) zu unterscheiden. Beide Segmente bewirken Gutes, verstricken sich aber auch in Widersprüche, die surreale Folgen haben können. Derart viele Planer, Berater und Helfer stürmen heute die Dritte Welt, dass deren Kontaktministerien kaum noch zur eigenen Arbeit kommen.
Bleiben wir bei der EZA, dem Forum der öffentlichen Hilfe. Hat sie ihr Ziel, Afrika, Asien und Lateinamerika "Entwicklung" zu bringen, erreicht? Obschon in der Zeit von1960 bis heute Hunderte Milliarden Dollar vom Norden nach dem Süden geflossen sind, bleibt die Bilanz zwiespältig. Es gibt Erfolge, es quälen aber auch die Niederlagen. Armut bleibt der Dritten Welt immer noch inhärent. Spektakuläre Aufstiege, wie die von Brasilien, Indien oder China, hängen überhaupt nicht von konventioneller EZA ab. Kuba, obwohl von den USA gnadenlos isoliert, wusste sich innert kürzester Zeit am eigenen Schopf aus dem Schlamassel massiver Unterentwicklung zu ziehen.
Daher gibt es seit dem Bestehen von EZA auch die Kritik an ihr. Ivan Illich, damals noch aktiver Priester, hat 1969 die deutschen Katholiken, die gern für "Misereor" spendeten und noch immer spenden, verstört, weil er ihnen riet, ihr Geld lieber zu Hause in Bier umzusetzen, als es in die Dritte Welt zu schicken und dort Schaden anzurichten. Peter Thomas Bauer, der unbestechliche englische Ökonom, belegte 1981 in einer seiner wichtigsten Publikationen ("Equality, the Third World, and Economic Delusion") mit viel Empirie die Verzerrungen in Dritte-Welt-Gesellschaften ob der einströmenden Hilfsgelder. William Easterly, US-Autor, betitelte sein Buch, in welchem er akribisch die Irrwege der EZA darlegt, "Wir retten die Welt zu Tode" (2006). Inzwischen meldeten sich auch Sprecher der Dritten Welt zu Wort, um geradezu um das Abstoppen von EZA-Projekten zu betteln. So zuletzt die afrikanische Bankfachfrau Dambisa Moyo aus Sambia, die in ihrem Text "Dead Aid" (2009) die These verficht, der Grund allen Übels in Afrika sei die Umarmung durch EZA-Projekte.
Solche überzogenen Thesen sollen provozieren. Natürlich wollen alle den weiteren Geldfluss, vor allem die bitterarmen Staaten zwischen Nicaragua und Sambia, deren Haushalte etwa zur Hälfte aus Hilfsüberweisungen bestehen. Der Fluss darf nicht versiegen. Die in der OECD zusammengeschlossenen Industriestaaten stellen inzwischen der Dritten Welt pro Jahr mehr als 100 Milliarden Dollar zur Verfügung. Selbst China vergibt neuerdings - vor allem in Afrika - enorme Summen für Infrastrukturmodernisierung.
Denn nicht die EZA an sich wird in Frage gestellt, sondern ihre Form. Die armen Länder brauchen nicht mehr - sie brauchen bessere Entwicklungshilfe. In der Kritik steht vor allem die Wissensvermittlung durch internationale Helfer. Der EZA-Experte, der glaubt, alle Antworten parat zu haben, und dabei wenig Rücksicht auf die Sichtweisen der Partner nimmt, darf als Haupthindernis für erfolgreiche Entwicklung angesprochen sein. Nicht zufällig sind es die genannten spektakulären Erfolgsfälle - Brasilien, Indien, China -, die ohne EZA ihre Höhenflüge antraten. - Was also hat die EZA bewirkt? Natürlich eine ganze Menge, zumal in den fünf Dekaden dieser koordinierten Anstrengungen die Zunft professionell geworden ist und schlechte Projekte - von offener Korruption einmal abgesehen - kaum noch vorkommen. Allein, das eigentliche Ziel, Unterentwicklung und Armut zu bereinigen, liegt immer noch fern. Aber wir haben gewonnen! Wir Bürger in den reifen Industriestaaten sind die eigentlichen Profiteure der EZA-Anstrengungen.
Warum? Erstens, weil Entwicklungshilfe einen enormen Lernprozess in Gang gesetzt hat. Was wussten vor allem wir Mitteleuropäer (ohne koloniale Vergangenheit) vor 1960 über Lateinamerika, Afrika oder Asien? Wenig oder gar nichts. Selbst die Kenntnisse der auf diese Regionen spezialisierten Völkerkundler waren dürftig. Indem wir im Rahmen von EZA Regional- und Länderstudien einfädelten und dann auch in die Länder der Dritten Welt gingen, lernten wir, uns in diesen außereuropäischen Gesellschaften zu bewegen - was wiederum unsere Kontrolle über die postkoloniale Welt, mittels Finanz-, Handels- und Kulturaktivitäten, in neue, feinere Formen überführte. "EZA", argumentierte auch unser Außenminister Spindelegger unlängst, "ist kein Akt der Selbstlosigkeit, sondern eine Investition in die eigene Zukunft." Na also!
Zweitens: EZA als Beschäftigungsprogramm für uns selbst. Ohne Entwicklungsprojekte und NGO-Aktivitäten wäre vor allem die Arbeitslosigkeit unter Jungakademikern besorgniserregend. Heute hingegen werden alle gebraucht. Selbst die Graduierten des Lehrgangs "Internationale Entwicklung" der Universität Wien gehen weg wie die warmen Semmeln. Wie ein Staubsauger reißt die globale EZA-Industrie Interessenten an sich.
Niemand kennt genau die Zahl an Personen, die in der Dritten Welt als Helfer tätig sind. Aber wenn allein schon Haiti momentan 26.000 Unterstützer aktiviert, kann man sich vorstellen, dass weltweit Hunderttausende von "Experten" arbeiten. Sie alle leiden freilich an einem Syndrom, das manchmal schlecht schlafen lässt: der Angst, im Projekt nicht verlängert zu werden oder in kein neues Programm eingebunden zu werden. Denn ein Leben im EZA-Archipel ist immer noch spannender und lohnender als die kleinbürgerliche Existenz zu Hause, ohne Auslandszulage, ohne Personal, ohne Dienstreisen. Diesbezüglich türmte sich über die Zeit eine imposante EZA-Pyramide auf, wo ganz oben die führenden Mitarbeiter der UN-Behörden, Entwicklungsbanken, Evaluierungsbüros und der nationalen EZA-Behörden ein Jahressalär von rund 100.000 Dollar, meist steuerfrei, verzehren und Business-Class fliegen dürfen, mit Abstufungen hinunter, wo es natürlich spartanischer zugehen muss, aber wo letztlich doch alle persönlichen Bedürfnisse gedeckt sind.
Daran zerschellt nicht selten der Enthusiasmus des Anfangs - einem gelassenen Zynismus Platz machend. "Hauptsache, die Kohle stimmt", erklärte mir seinerzeit ein deutscher Berater in Ecuador, dessen Projekt ich in Frage stellte.
Ich weiß, wovon ich schreibe, denn ich begann in einem meiner früheren Lebensabschnitte die EZA-Erfolgsleiter (damals im Rahmen der deutschen Entwicklungspolitik) zum lohnträchtigen Evaluierer zu erklimmen - bis ich in der Panik, völlig vereinnahmt zu werden, verstört ausstieg. Letzter Anstoß dafür war eine internationale Wasserkonferenz in Mexiko-Stadt, wo ich meine Organisation zu vertreten hatte. Eines der Festessen für uns 2000 Teilnehmer fand im gloriosen Anthropologie-Museum, extra für uns ausgeräumt, statt. Da bogen sich die Tische nur deshalb nicht, weil aus Marmor. Indianische Kellner, zu Dutzenden hinter jeder Einheit, schenkten stoisch mexikanischen Wein nach, sobald das Glas auszutrocknen drohte. Festredner schwangen sich zu rhetorischen Höhenübungen auf. Den Gipfel schaffte ein indischer Teilnehmer: "Dieser Kongress", jubelte er, "ist historisch, weil seine Folgen den Hunger in der Welt beseitigen werden!" Ich saß nahe genug am Podium, um bezeugen zu können, dass kein ironisches Augenzwinkern den Hybris-Satz abschwächte. Da wusste ich, dass ich mich um einen alternativen Job würde umsehen müssen. Freilich, so gloriose Empfänge gab es für mich in der Welt außerhalb des EZA- Archipels nur noch selten.
Kommen wir zur Katastrophenhilfe (KH): Da die Armut Teilen der Dritten Welt hartnäckig bleibt und meteorologische sowie ökologische Verschiebungen Katastrophen häufiger und massiver zuschlagen lassen, schiebt sich die KH vor die EZA. Gott sei Dank, denn wie könnten die Erdbebenopfer auf Haiti oder die von den Fluten entwurzelten Bewohner Pakistans in der ärgsten Dringlichkeit überleben? Gott sei Dank besteht dafür eine leistungsfähige Logistik seitens der UN-Behörden, der USA, der Europäischen Union, des Roten Kreuzes, der Militärs. Ist jedoch das Schlimmste vorbei und glättet sich einigermaßen ein verwüsteter Alltag, fällt der "Hilfs-Zirkus" ("aid circus") ein.
Ich verwende absichtlich den grausamen Begriff von Linda Polman aus ihrem jüngsten Buch, "War Games". Die niederländische Korrespondentin verbrachte Jahre in den von Bürgerkriegen geschüttelten Staaten Sierra Leone und Liberiaund sparte auch Pakistan nicht aus. Sie beobachtete insbesondere die Aktivitäten der nichtstaatlichen Hilfsorganisationen mit ihren vielgesichtigen NGOs, die bis zu den MONGOs (My Own NGO) von einzelnen Privatleuten reichen. - NGOs begannen ihre Existenz nach dem Zweiten Weltkrieg, ermuntert von den Vereinten Nationen, um jenseits des Staates gemeinnützige Tätigkeiten in der Tradition des 1863 in Genf begründeten Roten Kreuzes auszuüben. 1951 gab es erst 832 bei den UN registrierte NGOs. Heute steht die Zahl der Registrierungen bei 7628 Einheiten. Nichtregistrierte NGOs und MONGOs vervielfachen diese Zahl.
Linda Polman sieht sehr wohl die Tugenden all dieser Träger, vermerkt aber auch sarkastisch deren surreale Aspekte. Es beginnt mit den Zahlen. Allein in den Niederlanden sichtet sie Tausende NGOs aller Klassen. Ein Teil davon, weil registriert, darf den Spendern Steuerabschreibung vermitteln. Die Offensiven zielen auf die "humanitarian territories", die Gebiete in der Dritten Welt, die zwischen Naturkatastrophen und Bürgerkrieg oszillieren.
Natürlich brauchen die NGOs, da Privatvereine, Geld. Spenden fließen, sofern das Elend greifbar vom Fernsehen oder von eigens eingeflogenen Journalisten dokumentiert wird. Je schockierender die Bilder, desto besser. "If you don't have starving babies, you don't get money", zitiert unsere Autorin einen Leitsatz der NGO-Werbearbeit: Ohne Kinder mit Hungerbauch kein Spendengeld!
Natürlich tun sie mit dem Geld Gutes, vor allem in Katastrophengebieten. Aber infolge ihrer Vielzahl treten sie einander auf die Füße und raufen sich um Projekte. (Ich selber habe das in Guatemala handfest beobachtet.) So können die Betroffenen, die allem Elend zum Trotz nicht auf den Mund gefallen sind, nach einem Bonmot bei US-CARE frühstücken, bei World Vision ein Mittagessen ergattern, beim Roten Kreuz Medizin abholen und beim UN-Flüchtlingswerk Decken für die Nacht besorgen. Bitte kein Zynismus - Gott sei Dank kann man in Krisen auf diese Weise überleben. Allein, es schadet nicht, mit kritischem Auge auch die Verzerrungenzu sehen. Besonders scharf beobachtete Polman die religiös motivierten MONGOs, die parallel zur Hilfe gleich auch - evangelikal - missionieren und Bibeln verteilen. Trotz aller Gutheit ziehen sie nicht nur in islamischen Regionen Hass auf sich - und ihre blauäugigen Mitarbeiterinnen können sogar ermordet werden, wie die Vorkommnisse in Afghanistan tragisch belegen. Auf solche Märtyrer wollen wir verzichten.
Da die Spenden nicht unendlich fließen, gibt es einen scharfen Wettbewerb um sie. Es gewinnen diejenigen, die nach den modernsten Techniken des Non-Profit-Management vorgehen: professionelle Werbekampagnen, Medieneinsatz, Verpflichtung von Reich-und-Schön-Stars, Appell an Herz und Hirn. Ironischerweise, Linda Polman erinnert daran, hat dies zuerst Oberst Ojukwu aus Nigerien begriffen, der 1967 den Nordteil von Nigerien als "Biafra" abspaltete. Im darauf folgenden Bürgerkrieg erreichte er die Weltöffentlichkeit, indem er eine Schweizer Werbefirma für seine "Hungerbabys" engagierte. Derart erfolgreich, dass Spenden einlangten, deren Masse sogar eine kleine Luftwaffe ermöglichte. Der Sezessionskrieg, der ohne externe Hilfe in wenigen Monaten ausgebrannt wäre, dauerte schließlich zwei Jahre. Zumindest eine Million Menschen kamen ums Leben.
Solche Sackgassen wissen heutige NGOs zu meiden. Doch es bleibt beim Phänomen des "Hilfs-Zirkus", wo immer Not explodiert. Denn wenn Tausende gut meinender Helfer einfallen, passiert Unvermeidliches: Die mitgebrachten geländegängigen Fahrzeuge und Pick-ups (Land Rover bevorzugt!) verstopfen die Trümmerwege; Preise für Hotelzimmer und Mietobjekte schießen in die Höhe; lokale Mitarbeiter haben plötzlich Dollarnoten in der Tasche; Generatoren rattern; Lagerraum für die eingeflogenen Hilfsgüter wird knapp; Elektrizität, sofern überhaupt in Funktion, bricht immer wieder zusammen, weil Helfer wie auch Hilfsgüter gekühlte Räume brauchen. - Wie Gutes, nach dem Floriani-Prinzip multipliziert, auch Groteskes erzeugen kann, dokumentiert Linda Polman mittels der Prothesen in Sierra Leone. Im damaligen Bürgerkrieg, in dem Liberias Rebellen-Präsident Charles Taylor eine böse Rolle spielte, hackten Soldaten beider Fraktionen, Schande über sie!, zahlreichen Zivilisten Hände, Arme oder auch ein Bein ab. Nach dem Desaster ließen NGO-Helfer Prothesen in solchen Mengen einfliegen, dass ganze Lagerschuppen davon übergingen. Trotzdem zeigten Kinder beim Auftauchen von TV-Kameras prompt ihre bloßen Stumpen: Prothesen, die sie längst hatten, wurden für solche Momente versteckt. Klar, in der Wirkung besser - schlimmer - als ein Hungerbauch!
Gibt es eine Steigerung in das noch Dramatischere? Ja, als das "Time Magazine" in der Ausgabe vom 9. August 2010 das Foto der 18-jährigen Aisha, welcher strenggläubige Familienmitglieder Nase und Ohren abgeschnitten hatten, auf das Titelblatt setzte. Die Botschaft: So wird es allen Frauen gehen, wenn wir - die NATO - aus Afghanistan abziehen und das Land den Taliban überlassen. Dass Taliban Mädchen die Nase verstümmeln, weil fremde - christliche - Soldaten im Land stehen, unterschlug die Redaktion von TIME.
Manchmal werden NGOs selber ruchlos ausgebeutet. Dies lässt sich am Beispiel des Sudan demonstrieren, dessen Präsident Bashir einfallsreich agierte. Bashir finanzierte fast seine gesamte Staatsbürokratie mit dem Melken der NGOs, deren Mitglieder die Bevölkerung vor dem Hungertod zu bewahren suchten: ständig zu erneuernde Visen gegen Barzahlung, Reisepermits, Telefongebühren, Aufschläge für Satelliten-TV und Computer, Importzölle für mitgebrachte Fahrzeuge, Medikamente, Lebensmittel, Hilfsgüter. Als Präsident Bashir aus Den Haag als Kriegsverbrecher angezeigt wurde, ließ er von den rund 17.000 NGO-Helfern im Land die nicht offiziell registrierten, rund 8000 an der Zahl, rauswerfen, unter Beschlagnahme aller Land Rover, Computer, Medikamente, Zelte, Versorgungsgüter. Keine üble Kriegsbeute aus NGO-Beständen! Noch Schlimmeres ließe sich über Afghanistan berichten, wo neben den 2355 registrierten Hilfsorganisationen außerdem nicht nur eine Armee von NATO-Soldaten, sondern auch noch Abertausende von zivilen Sicherheitsagenten und Söldnern bei Firmen wie Blackwater, DynCorp oder USPI im Einsatz sind. Ihr Beitrag zum Wiederaufbau des Landes mag als marginal einzustufen sein, während die angeblich 80 Bordelle in Kabul, mit Russinnen und Filipinas, florieren.
Soll man also ob all dieser Verwerfungen nicht mehr für die Dritte Welt spenden? Natürlich doch, predige ich meinen Studenten, denn erstens macht Spenden froh und liefert Sinn, zweitens wird damit ja auch wirklich geholfen, und sei es nur im Mikro-Format, und drittens lässt sich mit einem persönlichen Engagement bei einer NGO gerade für jungen Menschen Empathie lernen und Weltkenntnis erwerben, heutzutage für eine spätere Bewerbung um eine Stelle unabdingbar. Außerdem: Ein oder zwei Jahre Einsatz in der Dritten Welt reift euch zu neuen Menschen aus!
Aber schaut euch die NGOs vor dem Einstieg gut an, rät der Professor: Es sollen solide Namen sein, Caritas, Rotes Kreuz, FWF, Greenpeace, Ärzte ohne Grenzen, Global 2000 - Organisationen mit finanzieller Transparenz und niedrigen Verwaltungskosten, deren Vorstände das Spendengeld nicht in First-Class-Flugtickets umsetzen.
Und überfordert die Dritte Welt nicht mit Philanthropie: Jenseits der Katastrophenmomente kommen die Bürger der Dritten Welt auch so ganz gut zurecht.
Begeistert will ich euch auf die Schultern klopfen, wenn Ihr euch für die Rettung des Regenwaldes zwischen Amazonien und Borneo engagiert. Denn die Stimmen der Indigenen, obschon heute mit Internet, GPS und Google Earth vertraut, brauchen die internationale Resonanz, welche nur vife NGO-Vertreter bewerkstelligen können. Dafür brauchen wir unbedingt auch die Stars. Ich zum Beispiel liebe den britischen Rockmusiker Sting und mehr noch dessen fesche Frau Trudie Styler, deren Einsatz den Amazonas-Indianern in Ecuador nach mehr als zehnjähriger Entschädigungsklage über eine Summe von 27 Milliarden Dollar gegen den Erdölkonzern Texaco/Chevron zumindest in der ersten Runde zum Erfolg verhalf. Allein hätten die Indios es nie geschafft.
Und im brasilianischen Amazonas-Wald beginnt REDD zu funktionieren. Übersetzt heißt das etwa: Reduktion von Emissionen aus Waldschädigung. Im Original: Reducing Emissions from Deforestation and Degradation. REDD ist die Zukunft: Indianer stoppen in konzertierter Aktion nicht nur das Abbrennen des Waldes, sondern pflanzen auf den Rodungen Bäume und binden damit genau zu berechnende Millionen Tonnen an Kohlendioxid, wofür Sponsoren in einem Emissionshandel besonderer Art zahlen wollen, und zwar Millionen Euro an indianische Treuhandfonds. Norwegens Regierung überweist bereits. Internationale Konzerne wie die Hotelkette Marriott oder die brasilianische Großbank Bradesco ziehen nach. Große NGOs wollen aufschließen. EZA-Fonds kommen in die Pflicht. Vielleicht rettet das unsere Welt? Also lohnt sich doch alles! â–
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