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Pour une autre politique de développement!

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sam, 19 Jul 2014 - 19:21

Helmut Danner, Nairobi, Kenia
19 Jahre politische Bildung in Ägypten und Kenia.
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Beim "Chancenkontinent Afrika" handelt es sich um eine Aussage der Wirtschaft bzw. um eine Einschätzung mit ökonomischen Argumenten. Unternehmer sind in der Regel keine Träumer, weil am Schluss die Kasse stimmen muss. Bei der BDI-Unternehmerbefragung 2013 nahmen immerhin 77% "der Befragten Verbesserungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in den letzten fünf Jahren in Subsahara Afrika wahr"; und "94% gehen davon aus, dass Subsahara Afrika perspektivisch an Bedeutung für die deutsche Wirtschaft gewinnt". Das muss zunächst ernst genommen werden; und die Unternehmer müssen nicht gewarnt werden, mit dem "Chancenkontinent" sei es nicht weit her. Auch sie wissen, dass Afrika riesige Probleme hat, nicht zuletzt wegen Krisen und Kriegen. Aber dorthin geht man als Unternehmer dann auch nicht, weswegen beispielsweise Tansania für sie wichtiger ist als Kenia.
Man kann den "Chancenkontinent" aber dann auch als "unterentwickelt" charakterisieren, wenn man die "Hindernisse" in Betracht zieht, die die BDI-Befragung anführt, nämlich neben dem Mangel an qualifizierten Fachkräften und defizitärer Infrastruktur vor allem auch die mangelnde Verlässlichkeit lokaler Partner, fehlende Transparenz bei Ausschreibungen und Korruption sowie regulatorische Hemmnisse und bürokratische Hürden. Gerade die letztgenannten - mangelnde Verlässlichkeit und Transparenz, Korruption und Bürokratie - sind nicht-ökonomische, soziale und wohl auch traditionell bedingte Faktoren. Sie sind mit Chabal/Daloz ("Africa Works") Kennzeichen der "disorder"; Africa works trotz der "Unordnung". Und hier setzt unser Verständnis aus. Wie kann es einen ökonomischen "Chancenkontinent" geben bei gleichzeitigem "unterentwickeltem" Verhalten, einer wachsenden sozialen Ungleichheit und einer langen Liste von Konflikten?
Während Geschäftsleute vermutlich mit den "Hindernissen" pragmatisch umgehen und sich um die soziale Ungleichheit wenig kümmern, meint die Entwicklungsdiskussion wegen der "Hindernisse" - und anderer afrikanischer "Missstände" - fehlende Entwicklung feststellen zu müssen. "Unter-Entwicklung" nimmt das Maß am westlichen Standard. Doch der "Chancenkontinent" bewegt sich auf eine Modernität zu, die nicht die westliche zu sein hat. Damit werden wir vom Westen uns abfinden müssen. Was sich in Afrika und anderswo im Nicht-Westen tut, kann mit den Kategorien der Entwicklungsdiskussion nicht verstanden werden; es bedarf eines interkulturellen Verständnisses. Aber die interkulturelle Perspektive scheint in der Entwicklungsdiskussion noch keinen Eingang gefunden zu haben; es bedarf eines "Polylogs" (F.M. Wimmer), der nicht von den Spielregeln und Denkmustern des Westens geleitet ist; und es wäre auch für die Entwicklungsdiskussion ein Gewinn, sich mit Patrick Chabals Kritik an der Rationalität des Westens auseinanderzusetzen (in "The End of Conceit. Western Rationality after Postcolonialism", 2012).