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Pour une autre politique de développement!

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mar, 2 Sep 2008 - 19:56

Günter Bonnet, Bonn
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Ich begrüße und unterstütze im Prinzip die Absicht der Initiatoren, die Entwicklungspolitik, insbesondere für Afrika, durch einen Aufruf zu ändern und voranzubringen.

Umso mehr bedauere ich, dass ich diesen Aufruf nicht unterzeichnen kann. Hierfür gibt es mehrere, zum größten Teil fundamentale Gründe, die ich hier nur kurz skizzieren möchte:

1. Ich teile die schon lange bestehende Einsicht, dass der "Norden" Afrika nicht entwickeln kann und dass die Hybris, er könne es, mehr geschadet als genutzt hat. Umso mehr erstaunt mich, dass Aufruf im ersten Absatz der bisherigen Entwicklungspolitik vorwirft, sie habe versagt, da Afrika sich nicht entwickelt habe, gleichzeitig aber im letzten Satz den Anspruch erhebt, mit Erfüllung der vier unausgegorenen Forderungen des Aufrufs wäre Afrikas Entwicklung in 50 Jahren möglich.
2. Entwicklungspolitik ist nur ein - oft überschätzter - Politikbereich, mit dem der "Norden" die Entwicklung Afrikas mit beeinflusst. Ein Aufruf, der die Inkohärenz der bisherigen Politik des "Nordens" - z.B. in Handels- und Landwirtschaftspolitik - nicht als einen der Hauptgründe des Versagens nennt, prügelt auf den falschen Esel ein.
3. Es ist richtig und schon lange in der EZ-Fachwelt anerkannt, dass die einfache Gleichung "mehr Geld = mehr Entwicklung" nicht aufgeht. Aber der in dem Aufruf erweckte Eindruck, der "Norden" würde zu viel Entwicklungskapital nach Afrika pumpen, ist angesichts der marginalen Größenordnung der Entwicklungszusammenarbeit - verglichen z.B. mit der "Entwicklungshilfe" der alten Bundesländer an die neuen Bundesländer, der EU-internen Förderprogramme oder der weltweiten Rüstungsausgaben - falsch. Richtig ist, dass der Mittelzufluss makroökonomisch sensibel gesteuert werden und die Mittelverwendung entwicklungsorientiert sein muss.
4. Entwicklung kann nur stattfinden, wenn die (internen und externen) Rahmenbedingungen es zulassen. Sie sagen in Ihrer Erläuterung, der Aufruf würde auf die internen entwicklungsfördernden Rahmenbedingungen (good governance) nicht eingehen, um die Anstoßkraft des Aufrufs nicht zu schwächen. Damit verfallen Sie aber in den alten Fehler der Hybris, wir müssten nur unsere Entwicklungspolitik radikal ändern, dann entwickele sich Afrika.
5. Das Ausklammern von Good Governance als Voraussetzung von Entwicklung führt auch zu einer einseitigen Bevorzugung der Zivilgesellschaft als Träger von Entwicklung. Dies gilt m.E. aber nur für die Gruppe der failed states und nur für einen Übergangszeitraum, in dem vorrangig humanitäre Hilfe und weniger strukturbildende Zusammenarbeit gefordert ist. Zukunftsfähige Gesellschaften brauchen sowohl aktive, gestaltende und fordernde Zivilgesellschaften als auch den entwicklungsorientierten Staat. Wenn der "Norden" die Entwicklung solcher Gesellschaften fördern will, so sollte er sowohl die Zivilgesellschaften stärken als auch mit den staatlichen Organen zusammenarbeiten. Die zweite Forderung des Aufrufs halte ich daher für viel zu einseitig. Ich unterstütze die Förderung der Zivilgesellschaft, um sie zu befähigen, von ihrer Regierung gute Arbeit einzufordern. Den Staat aber von außen durch NRO-Förderung zu unterminieren, ist eine neue Form des Kolonialismus.
6. Die implizite Ablehnung der afrikanischen Regierungen im Aufruf macht auch die Ablehnung des Instruments der Budgethilfe verständlich. Weil ich der Auffassung bin, dass sich die afrikanischen Menschen, ihre Gesellschaften und ihre Staaten selbstbestimmt entwickeln müssen, bin ich ein klarer Befürworter von Budgethilfe in allen dafür geeigneten Fällen. Das Argument, damit würden Korruption und Unterschlagung erleichtert, halte ich für ein Vorurteil gegen die afrikanischen Regierungen. Wie hieß es früher so schön: "Keine Mark ohne (deutschen EZ-)Mann" - dem Afrikaner ist eben nicht zu trauen. Die richtig gestaltete Budgethilfe vermeidet gerade durch Transparenz der Budgets und Kontrolle durch (afrikanische) Rechnungshöfe und Kontrolle durch die eigene Zivilgesellschaft (möglichst in Form gewählter Parlamente) Korruption und Unterschlagung.
7. Der ersten Forderung des Aufrufs kann ich durchaus zustimmen. Ich weiß aber nicht, ob ich das gleiche meine wie die Autoren. In Verbindung mit der dritten Forderung zeichnet sich für mich ein Grundproblem der deutschen Entwicklungspolitik ab, die Rolle des eigenständigen BMZ ohne eigenen "Unterbau" in den Partnerländern. Hier bin ich für sehr viel klarere Forderungen. Ich bin für die Integration des Politikbereichs Entwicklung in das AA (möglichst mit einem Staatsminister im Kabinettsrang für Entwicklungspolitik), die Zusammenfassung aller staatlichen EZ-Organisationen (d.h. den überwiegenden Teil des bisherigen BMZ, den EZ-Bereich der KfW, wesentliche Teile von GTZ, InWEnt, DED und CIM) in einer dem AA unterstehenden, in Bonn ansässigen EZ-Durchführungsorganisation), die - dezentral organisiert - innerhalb der Botschaften für die EZ zuständig ist.
8. Probleme habe ich auch mit der vierten Forderung des "Bonner Aufrufs". Sind das die Bereiche, die die "Afrikaner" von uns als Unterstützung ihrer Entwicklungsanstrengungen wünschen? Oder sind es die Bereiche, mit denen wir sie beglücken möchten? Damit bin ich wieder bei meinem ersten Punkt.

Bemerkenswert finde ich, dass der Aufruf einen Tag vor Beginn der Accra-Konferenz zur Steigerung der Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit vorgestellt wird ohne auf diese Konferenz auch nur mit einem Wort einzugehen.

Dr. Günter Bonnet
MinDirig a.D.
bis Ende 2007:
Unterabteilungsleiter im BMZ