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For a different development policy!

Beitrag vom 08.03.2025

FAZ - "Fremde Federn"

Ein Ministerium für deutsche Interessen

Von Rainer Müller, Christoph Heusgen, Egon Kochanke

Deutschland verliert an Einfluss, weil geostrategische Interessen und Entwicklungshilfe nicht koordiniert werden. Beides muss unter ein Dach ins Auswärtige Amt.

Deutschland ist eines der letzten Länder, die noch über ein eigenständiges Entwicklungs-ministerium verfügen. Das erschwert es, unsere Interessen durchzusetzen, weil in den Ministerien nach unterschiedlichen Gesichtspunkten entschieden wird. „Your money is not where your mouth is!“, hören deutsche Vertreter im Ausland, wenn deutsche Interessen bei Gastregierungen kein Gehör finden, die entwicklungspolitische Zusammen-arbeit aber unbeirrt weitergeht, die notwendige Zusammenarbeit mit der Wirtschaft kaum stattfindet, Rückflüsse kaum wahrnehmbar sind und trotzdem die Mittel in schöner Regelmäßigkeit erhöht werden. Viele deutsche Diplomaten im „globalen Süden“ kennen diese Situation: Mit unseren Anliegen kommen wir nicht durch, aber an den Geldflüssen ändert sich nichts, weil darüber ein anderes Ministerium nach eigenen Kriterien einschließlich der regionalen Priorisierung entscheidet.

So verlieren wir weltweit an Einfluss, weil Chinesen, Russen, Inder, Türken, Briten und jetzt auch die Amerikaner ihre Instrumente eng koordinieren. Wir sind zwar weltweit mit an der Spitze der Geberländer, aber große Wirtschaftsprojekte werden von anderen verwirklicht, und bei Abstimmungen in wichtigen Gremien wie zum Beispiel in den Vereinten Nationen ziehen wir nicht selten den Kürzeren, weil wir unsere Instrumente nicht gebündelt einsetzen.

Afrika, Asien und Lateinamerika sind wachsende Kontinente – demographisch und wirtschaftlich. Deutschland und die EU haben dort einen guten Ruf. Den neuen amerikanischen Protektionismus, die schlechter werdenden Aussichten in China und ein Russland, das außer Waffen und Söldnern wenig zu bieten hat, sollten wir als Chance sehen, die es zu ergreifen gilt. Für die deutsche Wirtschaft und die neue Bundesregierung sollte es eine Priorität sein, sich in den genannten Regionen stärker zu engagieren.

Gründung eines Nationalen Sicherheitsrats

Um diese Chance zu nutzen, sollten das Auswärtige Amt (AA) und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) unter einem Dach zusammengeführt werden. Und vor Ort sollte der Außenauftritt ebenfalls sichtbar sein: Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) und Kammern sollten unter Führung der Botschaft unter einem Dach in einem „Deutschen Haus“ operieren.

Wenn es um die Durchsetzung unserer Interessen geht, also beispielsweise, dass ein Land wie Syrien den Weg in Richtung Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Marktwirtschaft gehen kann oder ein Partnerland davor bewahrt werden soll, in Putsch oder Gewaltherrschaft abzugleiten, sollte ein Ministerium alle Instrumente in der Hand haben, um Deutschland Gehör zu verschaffen. Dadurch können neben der Außenpolitik und der Förderung der Privatwirtschaft die humanitäre Hilfe mit Friedensstabilisierung (bisher im AA) und Entwicklungshilfe (im BMZ) eng verzahnt und so auch effizienter eingesetzt werden. Einsparungen könnten erzielt und die Sichtbarkeit deutschen Außenhandels würde erhöht werden, weil nicht länger mehrere Minister nebeneinander und unabhängig voneinander operieren.

Neben der Zusammenführung von AA und BMZ sollte als weitere institutionelle Änderung ein Nationaler Sicherheitsrat (NSR) gegründet werden. Angesichts der sehr konkreten hybriden Bedrohungen stellt dieser ein „Muss“ dar. Bisher haben sich die jeweiligen Außenminister erfolgreich dagegen gewehrt, weil sie einen Einflussverlust fürchteten. Die Stärkung des AA durch die Zusammenlegung mit dem BMZ sollte dem neuen Außenminister die Zustimmung zu einem NSR jetzt erleichtern. Im AA selbst sollte ein Staatsminister – mit Kabinettrang – für die Fragen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit sichtbar verantwortlich sein. Innerhalb des AA darf es dann keine Parallelwelten geben, sondern es müssen die jeweiligen Länderreferate integriert werden, um eine Politik aus einem Guss zu ermöglichen. Und: Botschafter dürfen dann alle werden, egal ob sie aus dem AA oder BMZ stammen. Mit einer künftigen gemeinsamen Ausbildung würde dann die Integration vollendet.

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Christoph Heusgen, ehem. Vorsitzender der MSC, Deutscher Botschafter bei den UN und außenpolitischer Berater von Angela Merkel

Egon Kochanke, ehem. Afrikabeauftragter des AA, Deutscher Botschafter in Namibia und Tansania

Rainer Müller, ehem. Deutscher Botschafter in Gabun, Tadschikistan, Malawi