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Beitrag vom 04.03.2025

NZZ

HIV-Infizierte geraten in Panik

Das Einfrieren der US-Hilfsgelder hat in Afrika dramatische Konsequenzen

(dpa) · Die 39 Jahre alte Molly wirkt vital und energiegeladen – dass sie mit HIV infiziert ist, sieht man ihr nicht an. Doch nach der Entscheidung der US-Regierung, Hilfsgelder für 90 Tage einzufrieren, ist die alleinerziehende Mutter zweier Kinder in grosser Sorge. «Als ich das hörte, habe ich geweint und gesagt, möge Gott uns helfen», sagt sie. «Ich weine immer noch, weil ich dachte, dass ich länger leben würde. Jetzt bin ich mir nicht mehr sicher, dass das passiert.»

Molly wurde vor acht Jahren HIV-positiv getestet. Seitdem erhält sie antiretrovirale Medikamente (ARV), die das Virus unter Kontrolle und ihren Gesundheitszustand stabil halten. Bisher ist die Krankheit bei ihr nicht ausgebrochen. Ihren Lebensunterhalt verdient sie mit dem Strassenverkauf gebratener Bananen in ihrem Heimatdorf in Uganda. Das reicht für ein sehr bescheidenes Auskommen, aber nicht, um womöglich privat Medikamente zu kaufen.

Erfolgsgeschichte am Ende?

Allein in Uganda gibt es Hunderttausende Patientinnen und Patienten mit HIV/Aids. Vor allem im südlichen und östlichen Afrika ist die Krankheit weit verbreitet. Doch während in den 1990er Jahren eine HIV-Diagnose einem Todesurteil gleichkam, konnten bisher auch in afrikanischen Ländern Patienten, die die notwendigen ARV-Medikamente erhalten, mit der Krankheit leben.

Nun sind Angst und Verzweiflung gross. «Sowohl unter den Verantwortlichen als auch unter den Patienten herrschen Angst und Panik», sagt Nelson Musoba, Direktor der staatlichen Ugandischen Aids-Kommission (UAC) der Deutschen Presse-Agentur. «Es besteht die Sorge, dass die antiretroviralen Medikamente ausgehen. Jede Unterbrechung kann zu Problemen führen.»

Auch die 70 Jahre alte Jane Frances Kannyange fragt sich, wie lange sie ohne Medikamente durchhalten kann. Sie ist seit den späten 1990er Jahren HIV-positiv, doch erst als ihr Ehemann 2002 an Aids starb, erhielt sie Zugang zu Medikamenten. Sie halfen ihr zu überleben, doch die 70-Jährige ist ausgezehrt und häufig krank, weil ihr Immunsystem geschwächt ist. «Nach Trumps Ankündigung hat mich mein Arzt angerufen und gefragt, ob ich genug Medikamente habe», erzählt sie. «Er sagte mir, dass die Klinik, in die ich immer gehe, schliesst. Als ich das gehört habe, bin ich ohnmächtig geworden.»

UAC-Direktor Musoba befürchtet, dass durch ausbleibende US-Hilfsmittel die Erfolgsgeschichte des ostafrikanischen Landes bei der Bekämpfung von HIV und Aids gefährdet ist. In den 1990er Jahren lag die Infektionsrate in Uganda bei 30 Prozent, dank einem ehrgeizigen Programm beträgt sie jetzt nur noch 5 Prozent. Und während 2010 noch 53000 Menschen in Uganda an der tödlichen Immunschwächekrankheit und ihren Folgen starben, waren es 2023 nur noch 20000. Fast 1,5 Millionen Menschen in Uganda leben mit dem Virus, und etwa 1,3 Millionen erhalten ARV-Medikamente.

«Es besteht das Risiko, dass die Erfolge zunichtegemacht werden», sagt Musoba. Das gelte auch für die erneute Stigmatisierung HIV-positiver Menschen. Das ugandische Aids-Programm mit einem jährlichen Budget von 500 Millionen Dollar wurde bislang zu 70 Prozent aus US-Mitteln finanziert.

Plötzlich arbeitslos
Viele der Mitarbeiter des Gesundheitssystems sind nun ebenso rat- und hilflos wie ihre Patienten. Matthew Nsiimamukama, der in einer HIV-Klinik nahe dem Flughafen von Entebbe arbeitet, wird täglich von seinen Patienten gefragt, ob sie auch in Zukunft noch Medikamente bekämen. «Die Leute geraten in Panik. Sie kommen schon vor dem Termin und stellen viele Fragen zur Situation», schildert er die Lage in der Klinik. «Wir sind auch besorgt, weil die Zeit kommen könnte, in der es keine Medikamente mehr gibt.»

Ein junger Arzt, der für das Institut für ansteckende Krankheiten in Kampala gearbeitet hat, das ebenfalls einen bedeutenden Teil seiner Mittel für die Bezahlung von Mitarbeitern aus dem Pepfar-Programm erhielt, ist nach eigenen Angaben nach Trumps Ankündigung arbeitslos. «Die Ankündigung war eine sehr traumatische Entscheidung», erzählt er. «Ich bin jetzt 90 Tage lang unbezahlt beurlaubt. Ohne Bezahlung weiss ich nicht, wie ich für meine Familie, meine Kinder sorgen soll.» Wie es nach den 90 Tagen weitergeht, weiss er nicht.