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Beitrag vom 02.06.2024

cicero.de

Deutsche Entwicklungshilfe - Die moralische Machete

Die deutsche Entwicklungshilfe scheitert im Großen wie im Kleinen: von Fahrradwegen in Peru bis zur Terrorfinanzierung in Gaza. Nur Ministerin Svenja Schulze findet jede Kritik unerträglich und verteidigt ihren Milliarden-Euro-Dschungel.

Der Code DE-1-202318434 ist ein Rätsel, eines von vielen. Was steckt tatsächlich hinter der internen Identifikationsnummer des Entwicklungsministeriums (BMZ)? In der offiziellen Projektbeschreibung heißt es: „Instandsetzung der Wasser- und Abwasserinfrastruktur, Kanalisationsnetze und Haushalts-Anschlüsse etc.“. Es geht um den Gazastreifen. Kosten insgesamt: 15 Millionen Euro.

Doch wo ist das Geld geblieben? In einem aktuellen Video zeigt die Terrororganisation Hamas, wie sie Wasserrohre ausgräbt und daraus Raketen baut. Um Israel zu beschießen. Es gibt keinen Beleg dafür, dass es sich bei den Wasserrohren um Material handelt, das von Deutschland finanziert wurde. Doch auch das Gegenteil lässt sich kaum wirklich bis ins Letzte nachweisen.

Indirekte Terrorfinanzierung in Gaza?

11,22 Milliarden Euro jährlich hat das Entwicklungsministerium für die ganze Welt zur Verfügung. Ministerin Svenja Schulze (SPD) reicht das nicht, sie will in den laufenden Haushaltsberatungen für 2025 mehr Geld. Finanzminister Christian Lindner (FDP) will hingegen sparen. Doch wofür werden die Milliarden eigentlich ausgegeben und wie sinnvoll ist das? Einerseits gibt es die berühmten Fahrradwege in Peru und auf der anderen Seite möglicherweise indirekte Terrorfinanzierung in Gaza? Die Bandbreite ist groß und der Streit um die Zukunft der vermeintlich großen Weltverbesserungsanstalt ist voll entbrannt.

Partner der Deutschen Entwicklungshilfe in Gaza ist die UNRWA, das Flüchtlingshilfswerk der VereintenNationen, das sich ausschließlich um die Palästinenser kümmert. Allein in Gaza hat es13.000 Beschäftigte. Israel beschuldigt Mitarbeiter der UN-Organisation, dass sie direkt an denMassakern des 7. Oktober 2023 mitgewirkt hätten. Dies bestätigt die Organisation schließlich auch.

Auf Anfragen von Bundestagsabgeordneten erklärt das Auswärtige Amt: „Die Bundesregierung wurdeerstmalig am 26. Januar 2024 von UNRWA-Generalkommissar Philippe Lazzarini informiert, dassMitarbeitende am Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober 2023 beteiligt gewesen seien“, schreibt dieStaatssekretärin Susanne Baumann. Die Bundesregierung hatte zunächst Zahlungen an dieOrganisation ausgesetzt. Inzwischen fließt wieder deutsches Geld an die UNRWA.

Volker Beck ist Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft. Er wirft der UNRWA vor, „strukturellkorrumpierbar“ zu sein. Zu offensichtlich sei die Nähe der Organisation zur Hamas. Seit Jahren seibekannt, dass die UNRWA in ihren Schulen antisemitische Schulbücher verwende. Das IT-Zentrum derHamas liege eben nicht zufällig unter dem UN-Hauptquartier in Gaza-Stadt, erklärt der frühere Grünen-Politiker Cicero. Zuletzt ist ein Video aufgetaucht, in dem offenbar bewaffnete Hamas-Kämpfer von einemUNRWA-Gelände aus agieren. Beck will, dass mittelfristig die Organisation unter dem Dach derVereinten Nationen aufgelöst wird.

Unzureichende Kontrollen

Das BMZ ist empört über die Kritik. In einem aktuellen Interview mit dem Tagesspiegel
sagt Svenja Schulze, die UNRWA sei intensiv durchleuchtet worden. Hinweise auf „strukturelle Unterwanderung“ durch die Hamas habe es nicht gegeben. „Es gab Verbesserungsvorschläge, die die Organisation nunumsetzen wird.“ Bereits im Dezember hatte das Ministerium erklärt, die Kontrollmechanismen hätten sichals „robust“ erwiesen. Und die Ministerin mahnt: „Es kann doch niemand ernsthaft fordern, dass wir dieMenschen in Gaza gerade in dieser Lage nicht mehr versorgen.“ Mittel- und langfristig müsseDeutschland für einen eigenständigen palästinensischen Staat eher „mehr als weniger Geld in die Handnehmen“, so Schulze.

Doch wo kommt die Hilfe an? In einer schriftlichen Anfrage des CSU-Bundestagsabgeordneten WolfgangStefinger schreibt der BMZ-Staatssekretär Niels Annen (Grüne), UNRWA-Mitarbeiter,Partnerorganisationen und Baufirmen würden umfassend überprüft. „Auf Verdachtsfälle folgenunmittelbar arbeitsrechtliche Schritte.“ Ob es einen solchen Verdacht schon mal gab, schreibt er nicht.

Das Projekt, für das sich Stefinger interessiert, hat die Nummer DE-1-202218444 und trägt den Namen„UNRWA Rehabilitierung von Wohnraum“. Kosten: 11 Millionen Euro. Rund 220 Familien sollen bei derWiederherstellung ihrer Wohneinheiten unterstützt werden. Interessant ist, wie das passieren soll. „DieUmsetzung der Maßnahmen wird in Eigenregie durch die Begünstigten (‚self-help‘) durchgeführt.“ Das bedeute, sie wählen Baufirmen und Handwerker selbst aus. Eng begleitet von der UNRWA. Wie lässt sich das „robust“ überwachen, damit Gelder nicht in falsche Kanäle fließen?

Das BMZ hat das für sich selbst untersucht und die Ergebnisse am 11. Dezember 2023 in dem „Bericht über den Prüf- und Freigabeprozess des BMZ-Portfolios für die Palästinensischen Gebiete“ zusammengefasst. Doch diese Untersuchung wurde als Verschlusssache eingestuft. Auf Cicero-Anfrage wird erklärt, es handle sich um ein „internes Dokument“. Die Geheimhaltungsstufe sei gesetzlich vorgeschrieben, wird gegenüber Abgeordneten erklärt. Muss man so etwas vor der Öffentlichkeit
verbergen? Stefinger meint nicht, er sagt im Plenum des Bundestags, dass „der Bericht, soweit ich ihngesehen habe, keinerlei vertrauliche Informationen oder Daten enthält“.

Potemkische Dörfer statt echter Besserung

Inzwischen hat auch die UNO selbst einen Terrorcheck für die UNRWA angeordnet. Unter der Leitung der französischen Ex-Außenministerin Catherine Colonna hat sich eine Kommission der Arbeit der Palästinenserorganisation angenommen. Die Experten plädieren für die Fortsetzung der Arbeit. Volker Beck kritisiert deswegen den Colonna-Bericht. Er lese sich wie die „Analyse einer Unternehmensberatung“, die Verstrickung mit dem Terror sei gar nicht valide unter die Lupe genommen worden. Die Erklärungen der Bundesregierung dazu würden „in die Irre“ führen.

Wiederholt reisen Abgeordnete nach Israel und in die palästinensischen Gebiete. Im vergangenen Jahr war eine Delegation zu Besuch in einer Schule im Westjordanland. Die deutschen Gäste aus dem Bundestag berichten von Gesprächen mit Lehrern, Schülern und Politikern. Es sollte eine Erfolgsstory vorgeführt werden.

Der Schulbau wurde vom BMZ finanziert, aus Mitteln eines sogenannten „Bildungskorbs“. Das Geld dafür steckt wieder hinter einer Maßnahmennummer, diesmal die DE-1-201867670. Insgesamt 25 Millionen Euro stehen zur Verfügung, ausgewiesen als „Bildungsprogramm V“. Auch die Nummer VI ist schon geplant. Partner sind das palästinensische Erziehungs- und das Finanzministerium.

Ähnliche Projekte gibt es auch im Gazastreifen, wie aus der Erläuterung hervorgeht. „Als ich vor dem Gebäude stand, hatte ich den Eindruck von einer neuen Fassade“, erzählt ein Teilnehmer, der nicht genannt werden will. „Doch im Inneren nahm ich ein marodes Gebäude wahr, mit heruntergekommenen Räumen und alter Sanitärausstattung.“ Wo ist das Geld wirklich geblieben, fragen sich einige. „Es ist nurein subjektiver Eindruck, der nichts belegt, aber dennoch werde ich das Gefühl nicht los, dass hier etwas nicht in Ordnung ist.“

Fehlende Transparenz bei der Auswertung

Formal wird „Evaluation“ in der Entwicklungszusammenarbeit großgeschrieben, also die Überprüfung und Bewertung der eigenen Arbeit. Doch auch hier dominieren in langen Texten und grafisch aufgehübschten Berichten oft die branchenüblichen Floskeln. Die von der beteiligten Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) veröffentlichte „Ex-Post-Evaluierung“ eines Schulbauprojekts im Gazastreifen aus dem Jahr 2020 beginnt mit einer besonderen Formulierung: „Ziele auf Outcome-Ebene waren die angemessene Nutzung des quantitativ und qualitativ verbesserten Angebots schulischer Infrastruktur.“Verstanden?

Doch auf den acht Seiten findet sich auch Relevantes. Man beachte den Satz: „Zudem übernimmt dieDe-facto-Regierung der Hamas zunehmend die Kontrolle über das Bildungssystem.“ Welche Konsequenzen werden gezogen? Die Evaluierung vergibt die „Kohärenz Teilnote 2“. Was immer das heißt.

Die großen Akteure der deutschen Entwicklungszusammenarbeit unterhalb des Ministeriums sind dieDeutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und eben die KfW. Sie verwalten einenGroßteil des Geldes und übernehmen die Projektsteuerung. Es sind zwei große milliardenschwere Tanker mit ihren gewichtigen Eigenlogiken, Selbstbezüglichkeiten und in Insiderkreisen legendären Ineffizienzen.

Die GIZ hat rund 25.000 Mitarbeiter und einen Jahresumsatz von circa 3,3 Milliarden Euro. Die Spitzenpositionen werden gerne politisch besetzt. Seit 1. November 2022 ist der Ex-SPD-Politiker Thorsten Schäfer-Gümbel Vorstandssprecher der GIZ und Nachfolger von Ex-CDU-Politikerin Tanja Gönner. Die KfW wiederum hat eine Bilanzsumme von 554,6 Milliarden Euro und rund 8000 Mitarbeiter. Vorsitzender des Verwaltungsrats ist der Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne).

Es brauche einen „Neustart“

Anfang Februar passiert nun etwas Überraschendes. Es ist ein Posting auf der Social-Media-Plattform LinkedIn, das die Nachricht einem größeren Publikum kundtat. Abgesetzt wurde der Hinweis von ebenjener Tanja Gönner, die gerade noch Chefin der GIZ war. Sie ist inzwischen Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands der deutschen Industrie (BDI), einer der mächtigsten Wirtschaftsorganisationen des Landes. Sie schreibt fast beiläufig, es brauche einen „Neustart“, eine „entwicklungspolitische Zeitenwende“. Doch der Paukenschlag ihrer Zeilen könnte größer kaum sein.

Die einst mächtige Frau der deutschen Welthilfsmaschinerie erklärt nun – wie verwandelt –, Deutschlandfördere „in vielen Ländern keine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung“. Das ist ein Frontalangriff auf ihren früheren Arbeitgeber. Und wer dann das von Gönner veröffentlichte 39-seitige BDI-Grundsatzpapierliest, findet eine kundige und umfassende Analyse der Milliarden-Unternehmung deutsche Entwicklungshilfe. Es ist kaum weniger als eine Bankrotterklärung. Dabei ist der Satz am Anfang noch so etwas wie eine freundliche Ouvertüre. „Die Entwicklungspolitik vergangener Jahre hat zu wenige Hoffnungen erfüllt“, heißt es da. Sie stoße immer wieder an ihre Grenzen und sei sogar „kontraproduktiv“.

Dort steht nun deutlich zu lesen: „Das BMZ zieht aus Evaluierungen zu selten übergreifende strategische Schlussfolgerungen.“ Doch das Unbestechliche an der Untersuchung ist, dass keiner sagen kann, es komme von Wirtschaftslobbyisten, die keine Ahnung hätten. Es ist das Tanja-Gönner-Papier, sie ist die Expertin und Insiderin schlechthin und kaum einer ist nun schonungsloser in der Kritik. Tatsächlich wurde dieses Papier bislang zu wenig wahrgenommen.

Entwicklungsarbeit, die gegen deutsche Interessen agiert

Kern der Bilanz ist, dass die deutsche Entwicklungshilfe, die seit 60 Jahren mit viel Geld ausgestattet arbeitet, sich immer wieder im Klein-klein verliert, ihre wesentlichen Ziele nicht erreicht und Projektefördert, die kaum nachhaltig sind und wie Seifenblasen immer wieder zerplatzen. Sie ignoriert dabei zumeist die eigenen deutschen Interessen und geht zu wenig auf die Vorstellungen der Empfängerländer ein. Anekdotisch stehen dafür die Fahrradwege in Peru, aber auch andere unzählige Mini-Initiativen ohne große Wirkung. Währenddessen baut China im Milliardenumfang Großprojekte: Häfen, Straßen und Bahnlinien. „Die Regierungen in Afrika oder Lateinamerika nehmen uns oft gar nicht mehr ernst“, sagt ein Kenner der Branche.
Auch im BDI-Papier wird dieser „globale Systemwettbewerb“ zwischen autokratischen Regimen wie China und demokratischen Staaten beschrieben. Westliche Werte würden im „Globalen Süden“ zunehmend weniger geteilt. Auf dieses neue Selbstverständnis der sogenannten Entwicklungsländermüsse sich Deutschland aber grundsätzlich neu einstellen, schreiben die Experten. Daher sei es falsch,

über Umwege auch noch chinesische Firmen zu finanzieren. Zwar gibt es seit 2010 keine bilaterale Entwicklungszusammenarbeit mit Peking mehr. Tatsächlich aber fließen deutsche Steuermittel in chinesische Kassen. 2020 bis 2021 waren es nach Zahlen der OECD 777 Millionen US-Dollar.

Der Grund ist, dass bei Ausschreibungen von europäischen Bauaufträgen chinesische Firmenregelmäßig den Zuschlag erhalten, weil sie zu günstigeren, weil subventionierten Preisen Leistungen anbieten können. Im Gönner-Papier heißt es dazu, dass 75 Prozent der chinesischen Bauprojekte in Afrika „aus nicht-chinesischen Quellen“ finanziert würden. Der BDI fordert deswegen eine generelle Beendigung der Vergabepraxis an China im Interesse Deutschlands.

Stattdessen sei die deutsche Entwicklungshilfe immer wieder Meisterin darin, „sich selbst ins Knie zuschießen“, wie ein anderer externer Akteur erklärt, der seit Jahren international engagiert ist und nicht mit Namen genannt werden will. Oft sei eine Wirtschaftsfeindlichkeit zu spüren. Der BDI spricht von einem „Misstrauen gegenüber der Privatwirtschaft“.

Doch diese Haltung ist keineswegs etwas Beiläufiges, sondern offenbar der eigentliche ideologische Überbau deutscher Entwicklungszusammenarbeit. Während viele Länder des Globalen Südens Industrialisierung, technologischen Fortschritt und Wachstum anstreben, ist der deutsche Ansatz im Ergebnis nahezu das Gegenteil: Kleinbäuerliche Strukturen und Mikromanagement stehen oft im Vordergrund.

„Konsumkritische Stadtspaziergänge“

Besonders sichtbar wird das Mindset bei der „Bildungsarbeit“, die das BMZ in Deutschland (!) fördert. Unter dem Haushaltstitel 2302 684 71 mit dem Namen „Förderung der entwicklungspolitischen Bildung“ sind rund 40 Millionen Euro eingestellt. Damit werden unter anderem sogenannte „konsumkritische Stadtspaziergänge“ in ganz Deutschland finanziert.

Geworben wird für diese Schulungsmaßnahme etwa mit dem Satz: „Bei unseren Stadtrundgängen gehtes um Globalisierung, nachhaltigen Konsum, Postwachstum und Kapitalismuskritik.“(www.weltbewusst.org) Ist das Entwicklungszusammenarbeit? Auf Anfrage teilt der Bundesrechungshof mit, derartige „entwicklungspolitische Bewusstseinsbildung“ sei auch im Geberland nachinternationalen Standards möglich und „haushaltsrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden“. Konkret wird erklärt: „Zu den konsumkritischen Stadtspaziergängen haben wir keine spezifischen Prüfungserkenntnisse.“

Ihn erinnere das ganze System oft an eine Familie, die einen Dachdecker bestellt, wenn es einenRohrbruch gibt, meint ein Insider. Schließlich sei doch auch schon mal Wasser von oben eingebrochen.Da der Dachdecker das Problem nicht lösen könne, werde über umständliche Beratungsprozesseschließlich der Dachdecker bezahlt und ein Klempner müsse irgendwie die Arbeit machen, wenn mansich nicht doch lieber selbst etwas bastle.
Bürokratie, Selbstherrlichkeit und Ineffizienz

Der GIZ-Beschaffungsbericht für 2022 gibt einen vagen Einblick in die komplizierte Arbeitsstrukturjenseits der oft unverständlichen Einzelfälle. Die deutsche Entwicklungshilfe kooperiert mit zahlreichen Lieferanten und Dienstleistern. Bei den Sachbeschaffungen steht auf Platz 3 der Top 100 die Firma „Toyota Gibraltar“, spezialisiert auf Jeeps für „humanitarian agencies“. Die GIZ hat für 9,3 Millionen Euro dort eingekauft.

Bei den Top 100 der Dienstleistungsverträge steht auf Platz 1 die „GFA Consulting Group GmbH“ aus Hamburg, die 47.498.869 Euro von der GIZ bekommt, um Projekte zu verwalten. Auf Platz 2 steht „GOPA Worldwide Consultants“ in Bad Homburg und auf Platz 3 die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft „Ernst & Young GmbH“ mit einem Standort in Eschborn, wo auch die GIZ sitzt. Zusammen haben die beiden ein Auftragsvolumen von rund 44 Millionen Euro. Experten können beurteilen, ob das allesangemessen ist.
Ein Insider meint, es werde mit viel Geld nur die „Dachdecker-Klempner-Problematik“ organisiert.Bürokratie, Selbstherrlichkeit und Ineffizienz führten zu diesen Schachtelkonstruktionen. Im Ergebnis schreibe sich die deutsche Entwicklungszusammenarbeit immer hehre Ziele auf die Fahnen, doch sie liefere höchstens einen Wirkungsgrad von 10 Prozent der eingesetzten Mittel. Im BDI-Text steht zudemdie Erkenntnis: „Der Druck des Mittelabflusses in der staatlichen EZ“ erfordere häufig „Ad hoc-Ausgabenzu Projekt- oder Jahresende“, die effizientes Arbeiten „konterkarieren“.

Der Bundesrechnungshof beschäftigt sich regelmäßig mit dem Etat des BMZ. Besonders die Geldflüsse an Externe und politische Stiftungen standen zuletzt im Fokus. In den „Informationen“ zu den „Beratungen zum Bundeshaushalt 2024“ heißt es zum Thema Beschaffungen: „Die GIZ versäumte es häufig, den Bedarf sowie den Vergabevorgang vollständig zu dokumentieren, eine Leistungsbeschreibung zu erstellen, eine Preisermittlung durchzuführen und die Angeboteordnungsgemäß zu vergleichen.“ Der Bundesrechnungshof vermerkt immerhin: „Das BMZ hat zugesagt, dass die GIZ die Mängel abstellen werde.“

Die Immunisierung gegenüber Kritik

Die Entwicklungszusammenarbeit ist eine eigene Welt, mit eigenen Logiken, Codes und Begrifflichkeiten.Die Undurchschaubarkeit ist Teil der Funktionsweise des Systems. Tatsächlich wird einerseits Transparenz großgeschrieben, andererseits möchte sich die Arbeit für die gute Sache auch immer wieder vor Kritik immunisieren.

Auf die Frage, wie sich die Ministerin erkläre, dass die Entwicklungszusammenarbeit so sehr unter Druckstehe, antwortet Svenja Schulze dem Tagesspiegel: „Wir erleben eine Entmenschlichung der politischen Auseinandersetzung.“ Und sie fügt hinzu, die AfD habe dazu beigetragen. Was ihr aber in der Debatte Mut mache, sei, so die SPD-Politikerin, die grundsätzliche Einstellung der Menschen. „Wenn man die Leute direkt fragt, ob sie wollen, dass Kinder woanders hungern müssen, sagen alle Nein.“

Es ist diese moralische Hybris, welche die Entwicklungszusammenarbeit letztlich zerstört. Wenn Selbstkritik unmöglich wird und Kritik von außen „Entmenschlichung“ bedeutet, dann kommt noch so gutgemeinte Politik an ihr Ende.

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Autoreninfo
Volker Resing leitet das Ressort Berliner Republik bei Cicero. Er ist Spezialist für Kirchenfragen und für die Unionsparteien. Von ihm erschien im Herder-Verlag „Die Kanzlermaschine – Wie die CDU funktioniert“.