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Beitrag vom 23.06.2023

NZZ

Kongolesische Rebellen erhielten Geld vom IS

Die Verbindungen zwischen internationalen Terrororganisationen und ihren afrikanischen Ablegern sind undurchsichtig

Samuel Misteli, Nairobi

Islamistische Rebellen im Ostkongo haben seit mindestens 2019 finanzielle Unterstützung vom Islamischen Staat (IS) erhalten. Das schreibt eine Gruppe von Uno-Experten in einem neuen Bericht. Das Geld – mindestens 400 000 Dollar – floss unter anderem durch Somalia, Südafrika, Kenya und Uganda. Mindestens 60 000 Dollar kamen bei namentlich bekannten Kollaborateuren der Allied Democratic Forces (ADF) an.

Der Uno-Bericht bietet den bisher detailliertesten Einblick in die internationale Vernetzung der ADF. Die Verbindungen zwischen den Rebellen und internationalen Terrororganisationen hatten zuvor als sehr lose gegolten. Die Terrormiliz gilt als eine der brutalsten der über 100 Rebellenorganisationen, die derzeit in Kongo-Kinshasa aktiv sind.

Jugendliche in Schule ermordet

Die ADF sorgten vergangene Woche mit einem Massaker an der kongolesisch-ugandischen Grenze für Aufsehen: ADF-Terroristen griffen eine Schule im Dorf Mpondwe an und brachten mindestens 37 Schülerinnen und Schüler um, die meisten von ihnen Jugendliche. Sie töteten die Schüler mit Macheten und indem sie Schlafsäle in Brand setzten. Das Massaker war der schwerste terroristische Angriff in Uganda seit 2010, als bei einem Bombenanschlag in der Hauptstadt Kampala 76 Personen getötet wurden.

Das ugandische Militär gab am Mittwoch bekannt, es habe drei Geiseln befreit, die nach dem Massaker verschleppt worden seien. Dabei seien mehrere Terroristen getötet worden. Die Geiseln seien im Virunga-Nationalpark in Kongo-Kinshasa befreit worden, wohin die Angreifer geflohen waren. Der gebirgige Nationalpark, in dem einige der letzten Berggorillas leben, ist eine Basis für die ADF.

Die ADF entstanden 1995 mit dem Ziel, den ugandischen Präsidenten Yoweri Museveni zu stürzen. Museveni ist seit 1986 an der Macht. Sie operieren seit Ende der 1990er Jahre vom notorisch unsicheren Ostkongo aus, wo sie für die Sicherheitskräfte schwer greifbar sind.

Mit der Zeit entwickelten sich die ADF zu einer islamistischen Terrororganisation. Laut einem Anfang Juni veröffentlichten Bericht von amerikanischen Extremismusforschern floss Ende 2017 erstmals nachweislich Geld des IS an die ADF. 2019 schwor deren Anführer Musa Baluku in einem Video dem IS die Treue. Seither hat dieser mehrmals ADF-Attacken für sich reklamiert; etwa im März und April dieses Jahres, bei denen Dutzende von Zivilisten getötet wurden.

Das Geld, das die ADF erhielten, kam laut den Uno-Experten von einem IS-Kommandanten und -Financier in Somalia, der auch Geld nach Afghanistan transferiert hat, um dort IS-Attacken zu finanzieren. Der Financier, Bilal al-Sudani, wurde im Januar von amerikanischen Soldaten im Norden von Somalia getötet.

19 000 Terroropfer in Afrika

2021 waren fast die Hälfte aller Terroropfer weltweit Afrikanerinnen und Afrikaner. 2022 stieg die Zahl der Todesopfer laut einer Analyse des Africa Center for Strategic Studies, einer Forschungsinstitution des amerikanischen Verteidigungsministeriums, noch einmal um fast 50 Prozent auf 19 000 Getötete. Am stärksten betroffen sind Somalia sowie die Sahel-Staaten Burkina Faso, Mali und Niger.

Sowohl al-Kaida als auch der IS haben mehrere Ableger in Afrika. Wie eng die Verbindungen zwischen den Zentralorganisationen und den afrikanischen Gruppen sind, ist umstritten, sie gelten in der Regel als locker. Die meisten afrikanischen Gruppen haben lokale Ziele, sie reagieren auf die wirtschaftliche und politische Marginalisierung gewisser Regionen oder Volksgruppen. Manche Experten warnen deshalb davor, Gruppen wie die ADF als internationale Terrororganisationen zu kennzeichnen, weil damit verbundene Sanktionen die Arbeit humanitärer Organisationen erschwert.