Beitrag vom 09.12.2020
NZZ
Wie Geld aus der Schweiz eine Initiative in Afrika abwürgt
David Signer
Ausländische Nichtregierungsorganisationen meinen es gut. Sie können die Eigeninitiative von afrikanischen Kleinunternehmerinnen aber leicht auf unproduktive Wege lenken.
Vor zwei Jahren schrieb ich einen Artikel über Wäscherinnen in Dakar. Sie arbeiten am Strassenrand im lärmigen Quartier Medina, ihre Kinder sitzen den ganzen Tag daneben, inmitten der Autos und Abgase. Sie erwähnten den Verein, den sie gerade gründeten, und den Plan, gemeinsam eine Waschküche mit einem Zimmer für die Kinder zu mieten. Daraufhin meldete sich ein Leser und anerbot sich, die Frauen bei ihrem Projekt finanziell zu unterstützen. Sie waren begeistert.
Die eigentlich so bodenständigen, praktischen Frauen formten ein «Exekutivkomitee», das ein weiteres Treffen organisierte, dieses Mal zusammen mit dem Vertreter einer senegalesischen NGO, die in diesem Bereich arbeitete. Es gab eine Präsenzliste und ein Protokoll. Das hätte eigentlich schon Warnung genug sein müssen. Dann zog der NGO-Vertreter ein 40-seitiges Konzept aus der Schublade, in dem es genau um ein solches Gebäude für die Wäscherinnen ging. Allerdings war das Dokument schon zehn Jahre alt, entsprechend staubig und abgegriffen, aber sehr elaboriert, verfasst im typischen, hochgestochenen NGO-Jargon und so verständlich wie eine Soziologen-Dissertation. Es war nie auch nur in die Nähe einer Umsetzung gekommen.
Ich bat die Frauen um ein Budget. Nach kurzer Zeit traf es ein. Im Gegensatz zum Konzept war es schlank, ja knöcherig; es umfasste ein paar Zeilen und veranschlagte schlappe 56 000 Franken, davon 7000 Franken für «Administration». Nach dem schüchternen Einwand, ob der Betrag vielleicht nicht doch etwas überrissen sei, schlugen sie wenig später den Kauf eines Hauses für 216 000 Franken vor. Sollten wir nicht eher etwas Kleines für 200 Franken pro Monat mieten? Also brachten sie ein günstigeres Haus ins Spiel, das aber eine Autostunde von der Medina entfernt war. Wollten sie wirklich die ganze Wäsche jeweils dorthin transportieren? Mussten wir dafür vielleicht noch einen Porsche Cayenne kaufen? Also fuhren sie mich eine Woche später zu einer freien Wohnung, die zwar in der Medina lag, aber im 3. Stock. Wer sollte die Körbe voller Wickelröcke, Overalls, Batikhemden und BHs hinaufschleppen? Später zerstritt sich die Gruppe, zwei Frauen stiegen aus. Irgendwann wurden meine Anrufe und Mails kaum mehr beantwortet, und ich fand es absurd, ihnen hinterherzurennen.
Wohlgemeinte Kollegen machten ähnliche Erfahrungen. Sobald eine NGO ins Spiel kommt und weisse Ausländer Geld in Aussicht stellen, delegieren die Betroffenen ihre ganze Energie und Intelligenz an die vermeintlich allmächtigen Helfer. Jeglicher Elan und Realitätssinn verlässt sie angesichts der imaginierten Engel mit den Aktenkoffern voller Devisen. Wie immer in Afrika gibt es auch dazu ein Sprichwort: «Trop voulu, tout perdu» – «Zu viel gewollt, alles verloren».