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Beitrag vom 19.11.2019

FAZ

DIENSTAG, 19.11.2019

In Angola wird die Ölwirtschaft zum Problem

Weil Rohöl billig ist, verdient das Land am Atlantik kaum noch Geld. Korruption und Bürokratie drücken die Wirtschaft in die Knie

tht./ppl. KAPSTADT/LONDON. Schon seit 2015 steckt Angola in einer Rezession, seit der damalige Ölpreisverfall den wichtigsten Wirtschaftssektor des Landes niederdrückte. In diesem Jahr wird die Hoffnung auf eine Erholung enttäuscht werden. Die Wirtschaftsleistung schrumpft wohl noch mal um ein halbes Prozent. Nach dem jüngsten Verfall der Landeswährung Kwanza, die seit Oktober um 17 Prozent gegenüber dem Dollar abgewertet hat, müssen Regierung und Notenbank mit Blick auf die hohen Schulden und die Inflation wohl stark auf die Bremse treten. Einige Ökonomen erwarten daher, dass die Rezession auch 2020 weitergeht. „Die Wirtschaftsleistung wird wahrscheinlich ein fünftes Jahr in Folge schrumpfen“, sagt die Analystin Virag Forisz von der Beratungsgesellschaft Capital Economics in London. Nachdem Angola nach der Jahrtausendwende zeitweise einen Boom mit zweistelligen Wachstumsraten erlebte, steckt es nun tief in der Krise. Bei einem Bevölkerungswachstum von 3,3 Prozent im Jahr sinken die realen Pro-Kopf-Einkommen deutlich.

Kein anderes afrikanisches Land ist so abhängig von Öleinnahmen wie Angola, die drittgrößte Volkswirtschaft in Schwarzafrika und nach Nigeria der zweitgrößte Ölproduzent des Kontinents. Fast 95 Prozent der Exporte und Deviseneinnahmen Angolas stammen aus diesem Geschäft. Doch während noch vor zehn Jahren täglich 1,9 Millionen Fass Rohöl am Tag gefördert wurden, fiel diese Menge inzwischen auf 1,4 Millionen. Mit Steuererleichterungen versucht die Regierung in Luanda nun, Ölkonzerne wie Total aus Frankreich und Eni aus Italien dazu zu bringen, aus den bestehenden Bohrlöchern mehr Öl zu fördern und andere Unternehmen für neue Projekte zu gewinnen.

Ausländische Direktinvestoren ziehen sich aber seit Jahren aus Angola zurück. Netto ist das Investitionsvolumen geschrumpft. Neben dem Ölsektor hat sich auch die restliche Industrie in diesem Jahr abermals schlecht entwickelt, auch der Handel schrumpfte. Im Süden des Landes litt zudem die Landwirtschaft unter einer Dürre. „Angola könnte potentiell eines der wirtschaftlich stärksten Länder Afrikas sein“, sagt der Volkswirt Pieter du Preez vom Analysehaus NKC African Economics mit Blick auf den Rohstoffreichtum. Die breite Masse der Angolaner hat aber nichts davon. Mehr als ein Drittel der Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze mit nur 1,25 Dollar am Tag.

Manche Beobachter hoffen auf den Reformwillen der neuen Regierung. Seit 2017 ist Präsident João Lourenço im Amt, ein General, der auch Vizepräsident der ehemals marxistischen „Volksbewegung zur Befreiung Angolas“ (MPLA) war. Sein Vorgänger, Langzeitpräsident José Eduardo dos Santos, hatte 38 Jahre lang regiert und Angola zu einem der korruptesten Länder auf der Welt gemacht. 2011 machte der Internationale Währungsfonds (IWF) eine Diskrepanz von 32 Milliarden Dollar zwischen den tatsächlichen und den verbuchten Staatseinnahmen der vergangenen vier Jahre aus. Der Großteil verschwand, so hieß es damals, in „quasi-fiskalischen Operationen“ des staatlichen Ölkonzerns Sonangol. Die größte Beute im Land machte dabei wohl die Familie des marxistischen Diktators selbst, der die ehemalige portugiesische Kolonie seit 1979, vier Jahre nach der Unabhängigkeit, beherrschte. Seit dem Ende des Bürgerkriegs zwischen der Regierung und antikommunistischen Rebellen im Jahr 2002 floss viel chinesisches Geld in den Staat an der südlichen afrikanischen Atlantikküste.

Die sozialen Gegensätze im 30-Millionen-Einwohner-Land sind extrem. Weniger als 2 Dollar am Tag haben die meisten Angolaner zur Verfügung, wohingegen die Elite des Landes Milliarden beiseitegeschafft hat. Nicht nur mit dem Ölgeschäft, sondern auch mit Diamanten und anderen Bodenschätzen ist sie reich geworden. Die regierungsnahen Familien, Millionäre aus dem Umfeld der Armee und ausländische Ölfachleute lassen nahezu alles aus dem Ausland einführen, vom Tomatenmark bis zum Champagner. 2017 ernannte die Beratungsagentur Mercer die Hauptstadt Luanda zur für Expats teuersten Stadt der Welt, vor Hongkong und Tokio. Selbst kleine Apartments in Luanda kosten mehrere tausend Dollar Miete im Monat. Für einen Hamburger mit Pommes frites und Cola zahlt man umgerechnet 13 Euro – das ist fast ein Wochenverdienst für die meisten Angolaner.

Wichtigstes Wahlkampfversprechen Lourenços war 2017 der Kampf gegen die Korruption gewesen, und tatsächlich scheint der neue Mann, im Volk meist nur JLO genannt, durchzugreifen. Als eine seiner ersten Amtshandlungen hat er den Ölkonzern Sonangol zweigeteilt und Isabel dos Santos entlassen. Die älteste Tochter des Langzeitdiktators hatte es an der Spitze des Staatskonzerns nach Schätzungen von „Forbes“ zur zweifachen Dollar-Milliardärin und reichsten Frau Afrikas gebracht; ihr gehören Banken und Telekomunternehmen in Angola sowie Beteiligungen in Portugal. Ihren Bruder José Filomeno, der an der Spitze des staatlichen Ölfonds Angolas mit fast 5 Milliarden Dollar stand, ließ JLO sogar ins Gefängnis werfen, nachdem der Dos-Santos-Spross 500 Millionen Dollar auf ein HSBC-Konto in London verschoben hatte. Ihm wird Geldwäsche und illegale Bereicherung zur Last gelegt.

Noch immer liegt Angola auf dem Korruptions-Index von Transparency International auf dem 165. Rang von 180 Ländern, allerdings ist dies noch die Bewertung aus dem Jahr 2018. Seither dürfte sich die Lage nach Einschätzung der Korruptionswächter verbessert haben. Der 65 Jahre alte Präsident Lourenço hat seine Machtposition gegenüber den Anhängern dos Santos’, die in der Bürokratie sitzen, offenbar gefestigt. Der IWF, der Mitte des Jahres Angola noch mal eine Viertelmilliarde Dollar ausbezahlte, bestätigt der Regierung in seinem jüngsten Bericht Reformwille und Fortschritte bei der Konsolidierung der Staatsfinanzen. Doch es bleibt schwierig. „Angola ist eines der schwierigsten Länder der Welt, um Geschäfte zu machen, wegen der Korruption, der bürokratischen Hürden, der Verzögerungen an der Grenze, der schlechten Infrastruktur und der Unterentwicklung des Finanzsektors“, sagt Volkswirt Gerrit van Rooyen von NKC African Economics.

Das große Vorhaben der Regierung ist nun eine Privatisierungsoffensive. Nach Medienberichten, die das Regierungsblatt „Diário da República“ zitieren, sollen bis zu 195 Staatsunternehmen schrittweise (teil-)privatisiert werden. Auf der Liste stehen der Ölkonzern Sonangol, der Diamantenförderer Endiama, die Fluggesellschaft TAAG, mehrere Banken sowie Telekommunikations-, Agrarindustrie- und Textilunternehmen, die ganz oder teilweise in Staatsbesitz sind. Es wäre ein radikaler Bruch mit der kommunistisch-staatswirtschaftlichen Vergangenheit in Angola. Die Privatisierungen sollen bis 2022 vollzogen sein. „Das wäre eines der umfassendsten Privatisierungsprogramme in der jüngeren afrikanischen Geschichte“, sagt Volkswirt du Preez. Allerdings werde es gegen die tiefgreifenden Reformen weiter Widerstände aus der Bürokratie und von der alten Garde geben. „Es wird eine Schlacht mit viel Gegenwind sein“, sagt du Preez, „aber wir erwarten Fortschritte.“