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Beitrag vom 11.11.2019

Weltneuvermessung

Robert Kappel & Helmut Reisen

´Compact with Africa´ im dritten Jahr: Was die Bundesregierung nun ändern sollte

Im traurigen Monat November war’s, die Tage wurden trüber, der Wind riss von den Bäumen das Laub, afrikanische Gäste kamen nach Berlin herüber: Am 19. November ruft die Bundeskanzlerin die zwölf afrikanischen Staatschefs der Compact-Partner in die deutsche Hauptstadt, um deren Fortschritte der privaten Finanzierung seit dem Hamburger G20-Gipfel 2017 zu bilanzieren und Lehren zu ziehen. Wird der Gipfel zum Jubelfest mit wohlgefeilten Fensterreden? Anlass dazu besteht wenig, die eher novembertraurige Bilanz des Compact with Africa (CwA) sollte die Bundesregierung zu wesentlichen Nachbesserungen bewegen.

Die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) lancierte letzte Woche unsere Studie „G20 Compact with Africa: The Audacity of Hope“. Der G20-Kompakt sollte die Attraktivität privater Investitionen in Afrika durch wesentliche Verbesserungen des Makro-, Geschäfts- und Finanzierungsrahmens der G20-Iniative steigern. Ziel war es, private Finanzierungen für Infrastrukturprojekte durch Mischfinanzierungen zu nutzen, um anschließende Direktinvestitionen (FDI) zu erleichtern. Unsere FES-Studie belegt zwar

•eine Verbesserung der Rahmenbedingungen im Durchschnitt der zwölf Partnerländer, aber
•anhaltende Schwäche von Portfolioinvestitionen für die Infrastruktur,
•niedrigere durchgeführte ausländische Direktinvestitionen als bis 2016,
•den Rückgang der einheimischen Spar- und Investitionsquoten;
•und Erhöhung der Fremdschuldenquoten in Staaten mit traditioneller Schuldenintoleranz.

Klar, zwei Jahre (2017/18) sind eine zu kurze Beobachtungsdauer für eine langfristig angelegte Initiative. Geschenkt. Aber der Zug geht in die falsche Richtung. Davor zu warnen, dafür ist es nicht zu früh.

Zunächst sollte also der Berliner Gipfel reden und besonders die afrikanischen Stimmen hören. Aber dann muss die Bundesregierung sich zu einigen schwierigen Umstellungen aufraffen:
1.Die Regierung hat die Durchführung des Kompakt besonders den internationalen Finanzierungsinstitutionen (IFIs) Weltbankgruppe, seinem Privatarm IFC und dem IWF übertragen. Das kann in einer nationalistischer regierten Welt als Sieg des Multilateralismus beworben werden, in der die IFIs ihren Informationsvorsprung ausspielen können. In Wahrheit aber zeigt die Proliferation von Normen und Standards in den Politikmatrizen des Kompakt, dass es hier um Mandatsgerangel zu Lasten der dünnen Elitebürokratie afrikanischer Partner geht. Wenn die Bundesregierung den Kompakt effizienter gestalten will, sollte sie die eigenen analytischen Kapazitäten stärken. Mit der GIZ, der KfW, der DEG und den politischen Stiftungen vor Ort hat Deutschland bereits Institutionen, welche bei der CwA-Implementation stärker eingebunden werden sollten. Für die G20 gilt auch, dass Prioritäten stärker durch die Staatsführer gesetzt werden müssen als die Aufgaben schlicht den IFIs zu überlassen.

2.Allerdings braucht es in Berlin klare CwA-Kompetenzbündelung statt interministerielles Kompetenzgerangel, über das sich die deutsche Wirtschaft zu Recht beschwert. Was als G20-Finanzspur gestartet ist, dann aber zu heftigen Aktivitäten durch BMZ und BmWi führte, hat zu einem kaum noch überschaubaren Wust von Fördermaßnahmen geführt. Die deutschen KMU werden überproportional mit Anträgen und Prüfungen belastet, damit aber Lehre und Beschäftigung in Afrika. Wer durchschaut eigentlich die verschiedenen Fördertöpfe, wie AfricaConnect und AfricaGrow des Entwicklungsinvestitionsfonds? Wer weiß etwas über das Wirtschaftsnetzwerk Afrika des Wirtschaftsministeriums und man fragt sich, wie das alles mit dem hoch gehandelten Marshallplan des BMZ zusammengeführt wird. Man hat den Eindruck, da dürfen sich jetzt alle Ministerien etwas rumtummeln, ohne wirklich im Detail allzu viel anbieten zu können. Dieser Wust sollte entschlackt werden, indem die CwA-Kompetenz an das Bundeskanzleramt übertragen wird, womöglich im Rang einer eigenständigen Abteilung nach österreichischem Vorbild. Werden die Voraussetzungen für eine kohärentere und übersichtliche deutsche Afrikapolitik angepackt und baldmöglich auch umgesetzt, wäre schon viel gewonnen. Die Wirtschaft, ihre Verbände und die anderen Afrikaakteure fordern zurecht einen mutigen Schritt.

3.Gouvernanzindikatoren zur Messung der privatwirtschaftlichen Rahmenbedingungen sollten auf den Doing-Business-Indikator des IFC verzichten. Wie das Ausscheiden des Nobelpreisträger Paul Romer als Chefvolkswirt der Weltbank zutage förderte, ist der arbeiterfeindliche und libertäre IFC-Indikator durch politisch motivierte Manipulationen schwer beschädigt. Die Weltbank sollte den Doing-Business-Indikator selbst aufgeben, wird auch vom Washingtoner Center for Global Development gefordert. BMF-Chefvolkswirt von Weizsäcker hat nun den CwA mit der Erfolgsstory Asiens begründet; wir sollten nicht übersehen, dass weder China noch die meisten anderen Tiger den Gouvernanzindikatoren am Beginn ihres langen Aufschwungs jemals entsprachen. Die Indikatoren der Regierungsqualität bilden eher unsere hochentwickelten westlichen Länder ab, als dass sie die Triebfedern nachhaltiger Transformation umfassen.

4.Wie geht die deutsche Regierung mit dem von den IFIs übernommenen CwA um? Dieser ist nun in deren Hand und hat auch die Spielräume für afrikanische Länder eingehegt, obwohl Afrika mit der Agenda 2063 ein strategisches Konzept zur sozioökonomischen Transformation entworfen hat. Sie haben zusammen mit der Afrikanischen Union, UNECA, UNCTAD oder der UNIDO zahlreiche Initiativen auf die Bahn gebracht, die auf inklusives Wachstum durch arbeitsintensive Investitionen abzielen. In diese Richtung zielte ja bereits der G20-Gipfel 2016 in China, die UN-Organisationen wurden aber durch Schäuble, Schuknecht und Co. ignoriert. Deutschland sollte seine soft power endlich zur Geltung bringen, um einerseits den Ideen der afrikanischen Länder Genüge tun, wofür ein entschlacktes deutsches Instrumentarium sehr gut die Brücke bilden kann. Dafür wäre es aber erforderlich, den IFIs die alleinige Hoheit zu entziehen.

5.Der Kompakt bedarf dringend einer Reform, die den Transformationsprozessen auf dem Kontinent gerecht wird. Ob dies am besten gemeinsam mit Frankreich oder der EU möglich sein wird statt im Rahmen der G20, wird derzeit in Berlin und Paris heftig diskutiert. Bald geht es in die Vorbereitung der deutschen Präsidentschaft der Europäischen Union in der zweiten Hälfte des Jahres 2020. Afrika wird dort wieder eine wichtige Rolle spielen. Und Deutschland ist gehalten, hier Profil für eine strategische Kooperation mit dem Kontinent zu setzen, die sich auf das Wesentliche der wirtschaftlichen Kooperation fokussiert. Indem Deutschland die Zeichen erkennt, dass dieser Kontinent größere Chancen für deutsche Unternehmen bietet, wenn vor Ort ein wachsender Mittelstand und moderne Farmen entstehen, dann steht eine grundlegende Reform des CwA an.

Literatur: Robert Kappel und Helmut Reisen (2019), „G20 Compact with Africa: The Audacity of Hope, Berlin: FES. https://www.fes.de/en/e/study-g20-compact-with-africa