Beitrag vom 28.08.2018
Kölner Stadt-Anzeiger
Afrikareise führt Kanzlerin nach Senegal, Ghana und Nigeria
China zeigt, was eine kohärente Strategie ist
VON WOLFGANG DRECHSLER
Allzu viel hat Angela Merkel aus ihrer Stippvisite in Afrika vor zwei Jahren offenbar nicht gelernt. Wenn sie von Mittwoch an den Senegal, Ghana und Nigeria in nur drei Tagen bereist, wird sie erneut einen solches Tempo einschlagen wie im Oktober 2016, als sie in ähnlicher Zeit die Krisenländer Mali und Niger sowie den Hoffnungsträger Äthiopien besuchte – ohne größeren Ertrag. Ebenso aktionistisch wie der Reiseplan wirkt auch die deutsche Afrikastrategie. Von Kohärenz ist drei Jahre nach Beginn der Massenzuwanderung aus Afrika und Arabien wenig zu spüren.
Ganz anders die Chinesen: Ging es der Führung in Peking in der Vergangenheit vor allem um den Zugriff auf Rohstoffe, kommen nun geopolitische Aspekte hinzu. Erst 2017 hatte China mit der Eröffnung einer Militärbasis im Zwergstaat Dschibuti am Horn von Afrika seinen ersten Stützpunkt im Ausland seit Ende des Koreakrieges errichtet. Daneben finanziert und baut China noch immer fast überall in Afrika kostengünstig riesige Infrastrukturprojekte, die Teil einer neuen „Seidenstraße“ sein sollen. Mit einem Volumen von bis zu einer Billion Dollar wollen die Chinesen dabei so viel Geld mobilisieren, wie seit dem Marshallplan international nicht mehr geflossen ist.
Auch versucht sich das Land verstärkt im Ideologietransfer: So möchte China sein Kadersystem unbedingt nach Afrika exportieren, um dadurch engere Beziehungen zu den oft allein am eigenen Machterhalt interessierten autokratischen Regimes zu schmieden. Menschenrechte spielen dabei naturgemäß keine Rolle. Vor allem Äthiopien folgt nach dem Sturz seines kommunistischen Militärregimes 1991 inzwischen dem chinesischen Entwicklungsweg: so wenig Demokratie wie nötig, so viel Staatskapitalismus wie möglich. Aber auch ein Land wie Ruanda geht in diese Richtung.
China gewinnt aber auch auf weniger sichtbare Weise an Einfluss: Beobachter verweisen etwa darauf, dass vor zwei Jahren erstmals mehr junge Afrikaner in China studiert haben als in Großbritannien oder den USA, den traditionell beliebtesten Zielen der Auslandsstudenten. China vergab zuletzt Zehntausende Stipendien an Bewerber aus Afrika .
In der Beurteilung Chinas durch die Afrikaner scheint sich dieses Vorgehen inzwischen auszuzahlen: So ermittelte der Umfragedienst Afrobarometer, dass zwei Drittel der Menschen in 36 afrikanischen Ländern China einen „guten Einfluss“ bescheinigen, auch wenn sie mehrheitlich noch immer das US-amerikanische Entwicklungsmodell bevorzugen. Das könnte sich aber auch deshalb ändern, weil ein Großteil des chinesischen Engagements in Afrika wirtschaftlich motiviert ist. China ist inzwischen der wichtigste Handelspartner und hat sein Engagement im Gegensatz zu den USA kontinuierlich ausgebaut. Die Unternehmensberatung McKinsey glaubt, dass 10 000 chinesische Firmen in Afrika aktiv sind. 90 Prozent davon sind in privater Hand. Kleinere Investitionen amortisieren sich oft schon in kurzer Zeit – ein Indiz dafür, dass mit einer realistischen Strategie in Afrika durchaus auch Geld zu verdienen