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For a different development policy!

Beitrag vom 24.02.2017

NDR.de

Entwicklungshilfe mit Plan statt planlose Hilfe

Die führenden 20 Industrie- und Schwellenländer (G20) wollen einen neuen großen Anlauf bei der Hilfe für Afrika nehmen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will kommende Woche mehrere nordafrikanische Staaten besuchen und Entwicklungshilfeminister Müller von der CSU hatte einen "Marshallplan mit Afrika" gefordert, um den Kontinent zu stabilisieren und die Fluchtursachen zu bekämpfen.

Ein Kommentar von Jens Borchers, Korrespondent in Marokko

Helfen "Milliarden gegen Migration"? Ich habe ziemlich große Zweifel daran. Im westafrikanischen Staat Niger habe ich den Eindruck gewonnen, dass das Schleuser-Geschäft weiter geht. Erstens, weil die Profite immer noch größer sind, als das Risiko, als Schleuser geschnappt und verurteilt zu werden. Zweitens, weil die Opfer dieser Transporte durch die Wüste sich weigern, Opfer zu sein. Zu mächtig ist der Traum, es vielleicht doch noch Europa zu schaffen - Lebensgefahr hin oder her. Drittens, weil die Macht-Eliten in Staaten wie Niger vor allem ein Interesse haben: Ihre Macht nicht zu verlieren. Dabei hilft ihnen Geld aus Deutschland und Europa. Damit will ich nicht sagen, dass wir nichts tun sollten. Aber mir kommt beim Engagement der deutschen und europäischen Entwicklungszusammenarbeit etliches viel zu kurz.

Die Bereicherung der Machteliten in Afrika muss enden

Zum einen eine klar definierte und rigorose Kontrolle, wohin das Geld fließt. Wie viel davon wirklich bei denen ankommt, die es brauchen. Was heute unter dem Zungenbrecher-Begriff "Fluchtursachenbekämpfung" zusammen gerechnet wird, das hieß früher Entwicklungszusammenarbeit. Und deren Erfolge sind mit Blick auf den wirtschaftlichen Fortschritt überschaubar. Wenn ich höre und lese, dass Mitarbeiter afrikanischer Regierungen für die Teilnahme an Seminaren, Planungssitzungen oder schlichten Organisationstreffen finanzielle Tagespauschalen erwarten - und teilweise auch kriegen - dann läuft da etwas falsch.

Wer Geld bekommen will, muss einen Plan vorlegen

Zum anderen fehlt mir ein gemeinsames Ziel, eine klare Richtung. Viele Einzel-Staaten so wie Deutschland, Frankreich geben bilateral Geld. Und wollen damit ihre unterschiedlichen Interessen wahren. Das gilt auch für die Europäische Union. Und dann sind da noch hunderte von Nichtregierungsorganisationen, alle guten Willens und hochengagiert. Sie alle werkeln unter dem hehren Ziel der Entwicklungszusammenarbeit mehr oder weniger nebeneinander her. Aber was fehlt, das ist ein gemeinsamer Plan. Ein Plan, in dem der Empfängerstaat glaubhaft seine Entwicklungsziele darlegen müsste. Ziele, die das Land selbst definiert. Die Geber müssten sich dann untereinander abstimmen und entscheiden: Wollen wir dafür Geld geben? Oder nicht? Sie müssten sich auch darauf einigen was geschehen soll, wenn sich das Empfängerland nicht an die vereinbarten Ziele hält. Wenn eindeutig definierte Prioritäten, beispielsweise für Bildung, Infrastruktur und Maßnahmen der Familienplanung, doch nicht konsequent umgesetzt werden. Als ich in Niger war – da gab es gerade mal einen Entwurf für einen solchen Plan der Regierung. Aber an den vielen Hilfsprojekten wurde schon mit Hochdruck gearbeitet.

Mehr Afrikaner müssen in Europa studieren dürfen

Und noch etwas fehlt mir bei den "Milliarden gegen Migration": Ein positives Signal der Europäer in Richtung Afrika. Die Chancen, als Bürger eines westafrikanischen Staates auf legalem Weg ein Visum für Europa zu bekommen, sind minimal. Die Europäische Union hatte beim Gipfeltreffen mit den Afrikanischen Staaten auf Malta vor gut anderthalb Jahren gesagt: Wir kümmern uns darum. Wir werden nach Möglichkeiten suchen, damit Afrikaner legal nach Europa kommen können. Das könnten Kontingente für Ausbildungs- oder Studienaufenthalte sein. Das könnten zeitlich und zahlenmäßig begrenzte Arbeitsvisa sein. Wichtig wäre das Signal: Es gibt sichtbar, nachweisbar legale Wege nach Europa. Damit die Schlepper und Schleuser nicht immer wieder behaupten können, der gefährliche Transport auf Pritschenwagen durch die Wüste oder auf schrottreifen Seelenverkäufern über Mittelmeer sei die einzige Möglichkeit. Nur: Von der Zusage, solche legalen Wege zu schaffen, haben wir nie wieder etwas gehört.

Die Milliarden gegen die Migration - die allein werden das Problem nicht lösen.