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For a different development policy!

Beitrag vom 09.05.2015

FAZ

Missionar Müller

Von MANFRED SCHÄFERS

Milliardenhilfen gegen das lebensgefährliche Chaos - ein Minister will die Welt retten. Doch Afrika entwickelt sich nicht nach deutschen Gesetzen.

Gerd Müller hat es geschafft. Sein Bekanntheitsgrad wächst rapide. Die Rede ist nicht vom Fußballer, dem Bomber der Nation, dem Weltmeister von 1974, der zwar kaum noch öffentlich auftritt, aber mit seinen Toren schier unvergänglichen Ruhm erworben hat. Die Rede ist von dem CSU-Politiker aus dem Oberallgäu, den selbst viele professionelle Parlaments-Beobachter kaum kannten, als er vom Staatssekretär im Landwirtschaftsressort zum Entwicklungsminister aufstieg. Das war vor eineinhalb Jahren. Seither predigt der diplomierte Wirtschaftspädagoge für den Kampf gegen Hunger und Armut.

Mit einem Auftritt in Washington hat es Müller kürzlich gar zum Youtube-Star gebracht. Das Filmchen, das ihn auf dem "Weltbürger-Erdtag" (Global Citizen Earth Day) zeigt, wie er fröhlich radebrechend auf Englisch seine Botschaft verbreitet, ist mittlerweile etwa 130.000 Mal angeschaut worden. In einer mit Musik unterlegten Version ruft er wiederholt "What a party", "Let's change the world" und "I love you all". Auch das ist ein Renner im Netz. Der "Ragga-Minister" stellt mit seinem Denglisch, bei dem seine süddeutsche Sprachfärbung stets mitschwingt, nicht ganz freiwillig Bundeskanzlerin Angela Merkel mit ihren Videobotschaften in den Schatten. Ihre jüngste Würdigung der deutsch-polnischen Beziehungen wollten nicht einmal 300 Leute sehen.

Nach der jüngsten Flüchtlingstragödie im Mittelmeer warb der CSU-Politiker für ein umfassendes Stabilisierungsprogramm der Europäer zugunsten von Afrika. Aus dem 300-Milliarden-Euro-Investitionspaket von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker will er 10 Milliarden Euro herausschneiden, um damit die Lebensbedingungen der Menschen vor Ort zu verbessern.

Das ist ein hehres Ziel. Leider ist Entwicklung nicht so einfach zu kaufen. Auf dem Nachbarkontinent hat man es mit vier Gruppen von Ländern zu tun: Staaten, die wie Somalia kaum noch als solche erkennbar sind. Es fehlt an allem, nicht zuletzt an Sicherheit im Innern, was es den eigenen Bürgern und den Helfern von außen unmöglich macht, irgendetwas aufzubauen. Dass aus dem buchstäblich lebensgefährlichen Chaos Menschen fliehen, ist verständlich - dagegen helfen keine Entwicklungsmilliarden.

Südafrika: trotz Spannungen ein attraktives Ziel

Dann gibt es Länder, in denen Korruption, Vetternwirtschaft und Unfähigkeit der Regierenden den Wandel zum Besseren verhindern. Zimbabwe ist dafür ein besonders extremer Fall, das Land wurde unter Präsident Mugabe systematisch heruntergewirtschaftet. Auch den Menschen dort ist buchstäblich nicht zu helfen. Weil sich nichts entwickeln lässt, haben hier Geber nichts zu suchen. Deutschland ist dort schon lange nicht mehr aktiv.

Die Fluchtbewegung aus Zimbabwe trifft vor allem Südafrika, das trotz wachsender Spannungen und wirtschaftlicher Schwächezeichen für viele Afrikaner immer noch ein attraktives Ziel ist. Hinzu kommen Länder wie Kapverden und Botswana, wo politische Stabilität herrscht und der Tourismus gedeiht, so dass dort bescheidener Wohlstand entsteht. Sie haben sich von der Entwicklungshilfe emanzipiert. Doch das sind einige wenige positive Ausnahmefälle.

Die meisten Staaten Afrikas gehören zu der Gruppe, in der es zwar politische Missstände gibt, die aber nicht so krass sind, dass die Helfer aus dem Norden gleich abdrehen. Teilweise fließen in diese Staaten seit Jahrzehnten beträchtliche Mittel, ohne dass ein selbsttragender Aufholprozess in Gang gekommen ist. Länder, die besonders stark unterstützt wurden, haben sich sogar oft unterdurchschnittlich entwickelt. Das zeigt, dass Müllers einfache Gleichung "mehr Geld gleich besserer Lebensstandard" so nicht aufgeht.

Mehr Geld gegen Hunger und Armut

Ähnlich schlicht ist die Vorstellung, die hinter seinem "Textilbündnis" steht. Der Minister verlangt von den hiesigen Unternehmen, dass sie vom Feld bis zum Kleiderbügel faire Arbeitsbedingungen garantieren - wie sie in Deutschland definiert werden. Das kann nicht funktionieren. Wie sollen die deutschen Kleiderhändler sicherstellen, dass der Fabrikant aus Bangladesch nur Baumwolle einkauft, die den deutschen Wunschvorstellungen entspricht?

Mit seinem Bündnis erklärt Müller Textilfabriken in aller Welt samt vorgelagerten Produktionsstätten zur deutschen Sonderwirtschaftszone. Aber lässt sich die Näherin, die an Hemden für Deutschland arbeitet, besser absichern als der Näher, der den lokalen Bedarf bedient? Ist es realistisch, dass die Arbeiter im Auftrag deutscher Textilunternehmen mehr verdienen als Arbeiter, die im Schweiße ihres Angesichts Schiffe vor den Küsten des bitterarmen Landes zerlegen?

Müller lässt sich von hämischen und kritischen Kommentaren nicht beirren. Das gilt für den Internetaufritt, aber auch für seine ganze Arbeit. Unbeirrt verbreitet er seine Botschaft: Hunger und Armut sind mit mehr Geld und einem bisschen guten Willen von den Industrieländern aus zu bekämpfen. Dummerweise entwickeln sich Afrika und Bangladesch nicht nach deutschen Gesetzen. Wenn Länder auf dem richtigen Weg sind, kann man helfen - mehr nicht.