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For a different development policy!

Beitrag vom 04.05.2015

ORTNER ONLINE

"Guten Morgen, ihr korrupten Minister und Beamten”

(Volker SEITZ) ) So begrüßen  mutige Journalisten eines Radiosenders in Mali, die korrupte Elite mit Humor und Witz . Ich bewundere die Journalisten, die ihrer Angst nicht nachgeben und ihre Ideale hochhalten. Sie haben oft pointierte, mutige Meinungen. Wenn nicht solche Journalisten den Regierenden auf die Finger schauen, würden noch mehr Afrikaner resignieren. Journalisten riskieren in Afrika für unabhängige Recherchen und Berichte über Korruption massive Drohungen Schikanen oder Haftstrafen. In Kamerun musste der Herausgeber von ›Le Messager‹ für zehn Monate ins Gefängnis, weil er Spekulationen über den Gesundheitszustand des Staatspräsidenten veröffentlichte. Die satirische Zeitung "L'Elephant déchainé” aus Abidjan berichtet regelmäßig über Korruption in der ivorischen Verwaltung und Justiz. Ebenso regelmäßig erhalten die Journalisten Todesdrohungen. 

Das Chefproblem 

Es gibt in Afrika vor allem ein Chefproblem. Nur ein Staatschef kann in Afrika Themen aufbringen. Minister erfahren aus dem Radio, ob sie ernannt oder abgesetzt wurden. Sie hüten sich den Chef zu korrigieren.  Eine ausgeprägte Unlust , Dinge anzupacken oder anders zu machen und etwas Neues auszuprobieren hat dazu geführt, dass die meisten Staaten Afrikas schon lange schlechtverwaltet werden. Ein Ministerleben in Afrika ist ohne  mehrere sündhaft teure Geländewagen nicht mehr denkbar. Der Familiensitz wird in weiter Entfernung von der Armutsgrenze errichtet. Das feine Gespür für das Opportune ist die Geschäftsgrundlage zu Macht, Pfründen und Privilegien. Das Bekenntnis zu einer politischen Richtung ist für sie Mittel zum Zweck. Ich habe häufig beobachtet, wie Minister statt sich um Regierungsarbeit zu kümmern,  ihre Zeit stundenlang mit Besuchern und Hilfeleistungen für einzelne Bittsteller aus ihrem Clan vergeudet haben. 

Innerhalb der Verwandtschaft, der Ethnie wird von denjenigen, die es zu etwas gebracht haben , erwartet, dass sie die andern unterstützen. In dem Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International schneiden afrikanische Staaten -mit wenigen Ausnahmen - regelmäßig schlecht ab. Der Organisation zufolge liegt die Hälfte der dreißig korruptesten Staaten in Afrika. Jährlich wandert ein Viertel des afrikanischen Bruttoinlandsprodukts in private Taschen. OXFAM hat ausgerechnet, dass jährlich etwa 200 Milliarden Dollar Afrika illegal verlassen und damit der Entwicklung fehlen. Die Korruption und der Missbrauch von öffentlichen Geldern stellt eines der größten Hindernisse für die Entwicklung afrikanischer Staaten dar.  

Vertrauensschwund der Bevölkerung 

Es gibt einen harten Kern von Reformverweigerern. Kompetente und leistungsfähige Menschen bekommen meist nur  dann eine Chance, wenn sie aus der richtigen Ethnie stammen. So besetzen nicht die fähigsten Personen mit Erfolgswillen wichtige Positionen. So führt Tribalismus, Vorteilsnahme der herrschenden Klasse und die fehlende Leistungsgesellschaft zu einem hohen Grad an sozialer Ungerechtigkeit. Die Qualität der politischen Führung ist deshalb in einigen Staaten besorgniserregend. Transparente und demokratische Systeme können sich so nicht entwickeln. Wirtschaftlich haben diese Jungen keine Hoffnung und viele träumen von Europa oder Amerika, weil sie sehen, dass sich seit Jahrzehnten in ihren Ländern nichts verbessert hat. Neben den Armutsflüchtlingen gibt es eine nicht zu leugnende Emigration von Fachkräften. Die Flucht der Talente kommt den Ländern teuer zustehen. Der schmerzliche Aderlass in den ausblutenden Ländern bedeutet, dass sie noch weniger den Anschluss an das besser gestellte Europa finden werden. Der Kontinent verliert nicht nur seine wenigen Facharbeiter, Techniker, Ärzte, sondern auch engagierte und leistungswillige junge Menschen. Das Fehlen von qualifiziertem Krankenhauspersonal, Ärzten und Ingenieuren bringen unvermeidlich den weiteren Verfall der betroffenen Länder. 

Afrikaner werden von Afrikanern gedemütigt

Afrikanische Politiker die ihr Gewinnstreben über das Wohlergehen der Bevölkerung stellen, verkündigen immer wieder mit markigen Äußerungen einen kompromisslosen Kampf gegen Korruption. Aber wann werden aus Worten Taten? Es gibt unverändert unglaubliche Armut und Not. Gleichzeitig nimmt das Vermögen der Oberschicht oft märchenhafte Dimensionen an. Die regierenden Eliten verfügen über Dutzende von feinsten Immobilen in Europa, Kanada, USA, Hongkong und sogar Brasilien. Im teuersten Viertel von Paris heißt die Avenue Foch im afrikanischen Volksmund auch "Avenue des dictateurs” (Straße der Diktatoren). In frankophonen Ländern Afrikas spricht man von "Biens mal acquis”(unrechtmäßig erworbener Besitz) .Das französische Magazin L'Express hat mehrfach ausführlich über die angehäuften Reichtümer afrikanischer Präsidenten in Frankreich berichtet. Da kann man sich schon die Frage stellen, ob die Familie des Präsidenten von Gabun, Ali Bongo, 39 Anwesen meist in bester Lage in Paris, 70 Bankkonten und 9 Luxusautos benötigt. Denis Sassou Nguesso, der Präsident von Kongo Brazzaville, besitzt nur 18 Anwesen, braucht aber 112 Bankkonten. Bescheiden ist demnach der Präsident des benachbarten Inselstaates Äquatorialguinea, Teodoro Obiang Nguema. Von ihm sind nur ein Anwesen und ein Bankkonto bekannt. Dafür hat sein Sohn in Frankreich einen Wagenpark von 8 Maybachs, Ferraris, Bugattis, Maseratis und Rolls-Royce mit einem Wert von 4,2 Millionen Euro. Natürlich braucht der Sohn des Präsidenten auch einen Jet (33,8 Mill. Dollar) und eine bescheidene Villa in Malibu (35 Mill. Dollar).Der Staatspräsident von Angola José Eduardo dos Santos ist seit 36 Jahren im Amt, Korruption und Unterdrückung prägen seinen Regierungsstil - vom Ölreichtum profitiert nur eine kleine Elite. Die drittgrößte Volkswirtschaft des Kontinents nach Südafrika und Nigeria rangiert im Index der für menschliche Entwicklung der UNO nur auf Rang 148 von 187 analysierten Ländern. Während die Präsidententochter Isabel dos Santos in unseren Medien als erste mehrfache Milliardärin Afrikas gefeiert wird und das Geld mit vollen Händen  ausgibt, lebt die Mehrheit der 21 Millionen Angolaner in großer Armut. Jeder dritte Erwachsene ist Analphabet, viele leben ohne Strom und sauberes Wasser. Es fehlt nicht nur in Angola an transparenten Entscheidungsverfahren. Nicht selten entscheidet der Präsident selbst. Macht wird über informell und über klientelistische Netzwerke ausgeübt.  Der Präsident von Simbabwe, Robert Mugabe hat in Hongkong eine Villa für 5,6 Millionen US Dollar gekauft . Während das Volk von Simbabwe unter bitterer Armut leidet, Schulen und Krankenhäuser geschlossen sind, feierte Mugabe nach südafrikanischen Medienberichten kürzlich ein verschwenderisches Fest zu seinem 91. Geburtstag das eine Million Dollar gekostet haben soll. Auf dem Speiseplan: auch zwei Elefanten. 

Schäden durch Unterschleif

Die Schäden, die durch die Unredlichkeit entstehen, sind erheblich. Es ist eine Ausbeutung von innen. "Korruption hat immer katastrophale soziale Folgen: An die Stelle von fairer Verteilung und demokratischer Verfahren setzt sie Intransparenz, Stärkung der Starken und Schwächung der Schwachen” sagt Peter Eigen, der Gründer von Transparency International. Das Problem ist auch, dass in mangelhaften Rechtssystemen Sanktionsmöglichkeiten nicht umgesetzt werden. Korruption ist gnadenlos und trifft vor allem die Armen, die sich am wenigsten dagegen wehren können. Korruption, keine auf nachhaltige Entwicklung ausgerichtete Verwendung der Erlöse aus Rohstoffausfuhr, sind ursächlich dafür verantwortlich, dass Afrika die Probleme hat, die es hat. Korruption zementiert Machtverhältnisse Abhängigkeiten, wo Initiative und Engagement gefordert wären, Korruption reduziert öffentliche Einnahmen zu Gunsten privater Gewinne, Korruption schafft Unsicherheit und Misstrauen statt Berechenbarkeit und Verlässlichkeit, Korruption stellt die staatliche Legitimität in Frage, Korruption untergrabt die Voraussetzungen für wirtschaftliches Wachstum. Der Sinn von Korruption ist es, Politik zu pervertieren, also falsche Entscheidungen zukaufen. Projekte werden mit dem Hintergedanken ausgesucht, wie viele Korruptionsgelder man verdienen kann. Positiv tun sich bislang nur Länder wie Ruanda, Botswana, Mauritius, Sambia, Senegal, Ghana und Namibia hervor. Dort wird gezielt daran gearbeitet, die Korruption auszumerzen. 

Kosten der Unterschlagung

Die meisten der betroffenen Länder erkennen die wirklichen Kosten der Korruption nicht. Eine Regierung, die es mit dem Kampf gegen die Korruption ernst meint und sich ein gesamtwirtschaftliches Wachstum zum Ziel setzt, muss die emotionale und moralisierende Ebene der persönlichen Anschuldigungen verlassen und den durch Korruption verursachten Schadenschatzen, beziffern und durchschaubar machen. Korruption erhöht die Transaktionskosten beim Aushandeln von Preisen für Guter und Dienstleistungen, Korruption verhindert eine marktkonforme Preisbildung, die im Ergebnis Knappheitsverhältnisse widerspiegeln sollte.

Allerdings sehen die betroffenen Regierungen in der Korruptionsbekämpfung in erster Linie eine Einmischung in interne und politisch sensible Angelegenheiten. Warum sollten sich diese Autokraten anders verhalten, solange sie um unsere bedingungslose Hilfsbereitschaft wissen? Man erwartet von uns, dass wir das Wohl der Machteliten weiterhin nicht durch unbequeme Fragen nach dem Volkswohl stören. Was wir bei unseren eigenen Regierungen für selbstverständlich erachten und kritisch beobachten, fordern wir in Afrika nicht ein: Zu einer guten Regierungsführung gehört zu allererst, die eigene Bevölkerung nicht zu missachten.

(Volker Seitz war zuletzt bis zu seinem Ruhestand 2008 Leiter der deutschen Botschaft in Jaunde/Kamerun. Sein Buch "Afrika wird armregiert oder Wie man Afrika wirklich helfen kann” erschien 2014 bei dtv in 7. überarbeiteter und erweiteter Auflage.)