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For a different development policy!

Beitrag vom 28.04.2015

FAZ

Mehr Entwicklungshilfe, zweifelhafte Wirkung

Kann deutsches Geld Afrika in die Moderne katapultieren? Lässt sich mit europäischer Entwicklungshilfe die oftmals tödliche Fluchtbewegung über das Mittelmeer stoppen?

mas. BERLIN, 27. April. Die Bundesregierung läuft nach der Tragödie im Mittelmeer, als vermutlich mehr als achthundert Menschen auf dem Weg nach Italien ertranken, Gefahr, mehr zu versprechen, als sie halten kann. "Wir werden intensiv an der Überwindung der Fluchtursachen arbeiten", versprach Bundeskanzlerin Angela Merkel am Tag nach Bekanntwerden des Unglücks. Bundesentwicklungsminister Gerd Müller forderte ein EU-Sofortprogramm von 10 Milliarden Euro. Lässt sich also Entwicklung kaufen?

Die Erfahrung sollte da skeptisch machen. Seit mehr als fünfzig Jahren sind deutsche Fachleute auf dem Nachbarkontinent aktiv. Seit 2005 fließt immer mehr Geld nach Afrika: in absoluten Zahlen, aber auch relativ. Von Entwicklungsausgaben, die sich regional zuordnen lassen, ging vor zehn Jahren jeder vierte Euro dorthin, heute ist es jeder zweite. Konkret schnellte die Hilfe für Afrika in dem wachsenden Gesamtetat von knapp 500 Millionen Euro auf nicht ganz 1,3 Milliarden Euro.

Rainer Thiele, Leiter des Forschungsbereichs Armutsminderung und Entwicklung am Institut für Weltwirtschaft, warnt davor, die Möglichkeiten der Entwicklungspolitik zu überschätzen. Ein Land werde sich nur entwickeln, wenn es ordentlich regiert werde. Damit gerieten Geberländer in ein Dilemma. Die ärmsten Länder seien zumeist solche, die besonders schlecht regiert würden. Wenn man dort den Menschen beistehen wolle, könne man allenfalls mit konkreten Projekten punktuell helfen. Die Deutschen bewegen sich mit ihrer Arbeit nach seiner Einschätzung im internationalen Vergleich im Mittelfeld.

Noch schlechter kommt die Hilfe aus Deutschland in einer amerikanischen Analyse weg. Das "Center for Global Development" und das Institut "Global Economy and Development at Brookings" kritisieren die deutsche Entwicklungspolitik: zu viele Länder, zu viele Projekte, heißt es. Bei Maximierung der Effizienz steht Deutschland ganz weit hinten auf der Liste mit 31 Gebern.

Die Bundesregierung weist den Vorwurf aus dem Bericht zurück, dass die deutsche Entwicklungszusammenarbeit zu stark zersplittert und damit ineffizient sei. Wegen ihrer hohen Qualität und Verlässlichkeit habe die deutsche Entwicklungspolitik bei vielen Partnern einen sehr guten Ruf, betonte eine Sprecherin. Die bilaterale staatliche Zusammenarbeit konzentriert sich nach ihren Angaben seit drei Jahren auf 79 Staaten. "Mit 50 Ländern haben wir bis zu drei Schwerpunktthemen vereinbart, auf die wir unsere Zusammenarbeit konzentrieren." In 29 Ländern sei die Kooperation auf ein einziges Schwerpunktthema begrenzt.

Die in dem Bericht aus Washington genannte hohe Zahl von 132 Partnerländern berücksichtige darüber hinaus Länder, in denen sich deutsche Nichtregierungsorganisationen und private Träger engagierten, die durch das Entwicklungsministerium unterstützt würden, heißt es in Berlin. Zudem seien Länder dazugerechnet worden, nur weil junge Leute von dort an einer deutschen Universität studierten.

Die Zusammenarbeit mit Nichtregierungsorganisationen, privaten Initiativen und Kommunen sei angesichts der derzeitigen Krisen und Konflikte zunehmend wichtig, betonte die Sprecherin des Entwicklungsministeriums. "So können wir flexibel und schnell auf akute Notlagen in der Welt reagieren und Menschen in Ländern helfen, mit denen Verhandlungen auf Regierungsebene schwierig oder gar unmöglich wären, zum Beispiel im Irak, in Syrien, Somalia oder in Jemen."

Minister Müller will mit den 10 Milliarden Euro, die aus dem 300-Milliarden-Euro-Investitionspaket von Jean-Claude Juncker herausgenommen werden sollen, die Lebensbedingungen der Menschen vor Ort verbessern, um Fluchtursachen einzudämmen. Dabei geht es ihm um den Aufbau von Infrastruktur, um Beschäftigungsförderung - gerade für junge Menschen - und um Schaffung von wirtschaftlichem Wachstum. "Nur so entstehen Zukunftsperspektiven für die Bevölkerung in Krisenländern", heißt es. In Libyen, das zentrale Transitland für viele Flüchtlinge, habe zunächst die Stabilisierung der politischen Lage Priorität.

Was muss der deutsche Entwicklungsminister künftig anders machen, damit die Mittel in Afrika effizienter eingesetzt werden? "Er müsste öfter bereit sein, den Hahn zuzudrehen, wenn Dinge schieflaufen", sagt der Kieler Forscher Thiele. Auch dürfe man sich nicht mit zigtausend Projekten verzetteln. Wichtiger sei es, Strukturen in den Ländern zu verändern. Das sei nicht nur besonders schwierig, sondern auch nicht so populär. "Es ist schwer, sich damit zu schmücken, wenn man statistische Ämter oder Steuerbehörden aufgebaut hat. Mit Schulen oder Krankenhäusern geht das besser."