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For a different development policy!

Beitrag vom 06.09.2013

General-Anzeiger Bonn Leserbriefe

Neue Akzente in der Entwicklungspolitik?

Zu den Artikeln "Extrem inspirierend" und "Abschied von alten Zeiten" vom 2. September Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Die Kritiker der Entwicklungspolitik Dirk Niebels können es kaum glauben, wenn der Entwicklungsminister meint, dass das Ziel von 0,7 Prozent hinterfragt werden muss. Auch sein Staatssekretär Hans-Jürgen Beerfeltz aus dem Bundesministerium für Entwicklungszusammenarbeit, BMZ, unterstützte jüngst in einer Podiumsdiskussion ausdrücklich die These des vor fünf Jahren gegründeten "Bonner Aufrufs", nämlich dass mehr Entwicklungshilfe nicht automatisch mehr Entwicklung bedeutet.

Diese Standpunktänderung lässt aufhorchen, wurde doch bisher starr am 0,7-Prozent-Ziel festgehalten. Allerdings ist Skepsis zum erfreulichen Meinungsschwenk angebracht, bringt doch Beerfeltz gleichzeitig zum Ausdruck, dass der deutsche Mittelstand verstärkt motiviert werden soll, in die Hilfsindustrie einzusteigen. Die Botschafterin von Ruanda, Christine Nkulikiyinka, klagt über die Bevormundung des Westen. "Leider wird meistens über uns gesprochen, nicht mit uns". Weiter: "Wir wollen über unser Schicksal selbst entscheiden und eigenverantwortlich handeln. Nur so können wir unsere Würde wiedererlangen".

Es ist kaum anzunehmen, dass die profitorientierte Privatwirtschaft diesen geforderten Respekt gegenüber fremden Kulturen besser aufbringt, als die Vertreter der staatlichen Entwicklungshilfe. Die Wirkung der Entwicklungshilfe, so Beerfeltz weiter, muss besser als bisher überprüft werden. Auch dieser Forderung des Bonner Appells schließt sich der BMZ-Vertreter an. Nur muss er dann aus Gründen der Glaubwürdigkeit folgerichtig eine wirklich unabhängige Kontrollinstitution nach Art des Bundesrechnungshofes schaffen. Das kürzlich eingerichtete Evaluierungsinstitut kann dieser wichtigen Aufgabe kaum gerecht werden, wird es doch vom BMZ finanziert.

Jürgen Haushalter, Meckenheim

"Extrem inspirierend" war der Bonner-Aufruf für das Bundesministeriums für Entwicklungszusammenarbeit vor allem weil die Wirkungslosigkeit von elf Jahren Entwicklungspolitik der Vorgängerregierung angeprangert werden konnte. An einer Auseinandersetzung mit der eigenen Politik der vergangenen vier Jahre war Staatssekretär Beerfeltz offensichtlich nicht interessiert. Sonst hätte er sich für das Podium nicht zwei Aufruf-Initiatoren ausgesucht, die seit 2009 beziehungsweise 2010 nicht mehr aktiv waren.

Weder die wichtige Fortentwicklung des Bonner-Aufrufs mit den "10 Punkten" noch den Aufruf an die Bundesregierung 2009 (veröffentlicht im Berliner Tagesspiegel) haben diese "Sprecher" des Bonner Aufrufs mitgetragen. Kein Wort darüber, dass Entwicklungspolitik in vielen Ländern die Qualität der Regierungsführung eher verschlechtert und interne Reformen verhindert hat. Der Mittelaufwand steigt, die Empfänger werden jedoch nicht viel besser ausgewählt. Die immer wieder apostrophierte Augenhöhe zwischen Afrika und uns kennen das BMZ und die meisten Entwicklungshelfer nur aus den einschlägigen Fachgazetten. Selbst in wohlmeinenden Helferkreisen, die gerne Füllhörner über den Kontinent ausschütten, hat sich inzwischen herumgesprochen, dass wirkliche Entwicklung Afrikas nur autogene Entwicklung sein kann, also nur solche, die aus eigenem Antrieb erzeugt wird.

Wir müssen uns Afrika ungezwungener nähern, den Afrikanern zuzutrauen, dass sie ihre Schwierigkeiten selbst lösen können. Der Kontinent hat alles, was es braucht, um anstehende Probleme zu lösen. Es muss und kann dies aus eigener Kraft leisten - danach kann man über Unterstützung reden. Es gab in den letzten Jahren in einigen wenigen Staaten Verbesserungen. Aber gemessen an dem, was möglich wäre, schneiden die meisten afrikanischen Staaten schlecht ab.

Volker Seitz, Six Fours les Plages Frankreich