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Wed, 12 Feb 2014 - 14:22

Helmut Danner, Nairobi, Kenia
19 Jahre politische Bildung in Ägypten und Kenia.
Posting

Ich reagiere auf die Äußerung von: Tobias Kahler
Die 0,7%-Quote ist fragwürdig in mehrfacher Hinsicht:
1. Seit 1958 haben sich Höhe und Zielvorgaben ständig geändert.
2. Die Bedeutung von 0,7% ist relativ: Herr Kahler verweist auf die stark gestiegenen Staatseinnahmen im südlichen Afrika. Hinzukommen die Überweisungen aus der Diaspora, die das 2,5-fache der ODA-Mittel ausmachen und der Kapitalzufluss, der mehr als das 4-fache davon ausmacht, Maßnahmen von China oder Brasilien nicht eingerechnet. (Siehe Niels Keijzer)
3. Mit Recht verweist Herr Kahler auf Finanzierungserfolge bei den MDG. Aber machen die MDG die ganze EZ aus? Sind sie nicht spezifische, wenngleich sinnvolle Anstrengungen?
4. Finanzielle Hilfen im Rahmen der EZ können nur greifen, wenn bestimmte Voraussetzungen gegeben sind. Es bedarf einer verlässlichen Regierungsführung, die nicht korrupt ist, die Zusagen einhält, die im Rohstoffsektor transparent ist, bei der es keine illegalen Finanzflüsse gibt. Herr Kahler erwähnt diese Entwicklungshindernisse. Man kann noch das Problem des Tribalismus anfügen, die Gleichgültigkeit der politischen Eliten gegenüber der Bevölkerung oder die korrupte und bürokratische Verwaltung. Aber Herr Kahler sagt nicht, wie diese negativen Entwicklungsfaktoren durch Finanzierung überwunden werden könnten. Denn ist es im Gegenteil nicht so, dass Geld jene Entwicklungshemmnisse noch unterstützt? Und in dieser Hinsicht wäre es besser, überhaupt nicht zu finanzieren (Siehe z.B. Dambisa Moyo.)
5. Die 0,7%-Quote wird noch fragwürdiger, wenn wir fragen, wofür sie dienen soll, nämlich für eine ‚Entwicklung‘, die ihr Maß an den WEIRD-Ländern nimmt (WEIRD = Western, educated, industrialized, rich, democratic). Hier bedeutet ‚Entwicklung‘ das Überwinden einer Unter-Entwicklung. ‚Entwicklungsländer‘ werden darum immer mit westlicher Überlegenheit wahrgenommen. Ist in dieser Hinsicht ‚Entwicklung‘ nicht ein rassistischer Begriff? Zudem ist der Blick auf die ‚unterentwickelten‘ Länder quantitativ und ökonomisch. Hierin liegt die Gefahr "der einzigen, einseitigen Story", die entwürdigt (Chimamanda Adichie). Wenn die Rede von der "EZ auf gleicher Augenhöhe" kein Feigenblatt für westliche Besserwisserei sein soll, dann müssen wir Abschied nehmen von der quantitativ-ökonomischen Definition von ‚Entwicklung‘ und müssen Raum geben für das, was andere Gesellschaften traditionell und kulturell ausmacht. Dann müssen wir damit rechnen, dass die Gemeinschaft größeres Gewicht hat als das Individuum; dass bei der ethischen Orientierung die Person, der ‚Bruder‘, Vorrang vor der Sache hat; dass unter Umständen Rationalität nicht naturwissenschaftlich, sondern spirituell bestimmt wird. Nicht-westliche Gesellschaften haben ein Recht auf eine Selbstbestimmung, die es ihnen erlaubt, westlichen Standard anzustreben oder abzulehnen und in die eigene Tradition und Kultur zu integrieren. Wenn wir dieses Recht respektieren, dann verändert sich EZ radikal und die 0,7%-Quote wird hinfällig.