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For a different development policy!

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Sun, 1 Feb 2009 - 10:03

Dr. Hartmut Schellhoss, Köln
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Wenn die Entwicklungspolitik nicht grundlegend verändert wird

Tag für Tag erreichen Boote, überladen mit zu Tode erschöpften Afrikanern, mit letzter Not die Insel Lampedusa, ein anderes EU-Gestade - oder kein Land mehr. Wird das so bleiben? Oder ist das das Vorstadium einer Entwicklung, wie wir sie aus der Geschichte Europas kennen?

Zwischen dem 2. und dem 6. Jahrhundert nach Christus "wanderten" viele Germanen nach Westen und Süden. Verschlechterte Lebensbedingungen in ihrer Heimat, insbesondere auf Grund klimatischer Veränderungen, der Einfall ( keine "Wanderung") der Hunnen in Osteuropa und die Kunde von blühenden Landschaften im Römischen Reich ließen sie dorthin völkerwandern. Ursprüngliches Ziel war von der römischen Regierung gesichertes Siedlungsland, nicht die Zerstörung des Römischen Reiches. Allerdings, auch durch die damit verbundenen Auseinandersetzungen, wurde dann die römische Zivilisation weitgehend zerstört. Hier in Deutschland wird das damalige Geschehen nicht negativ, sondern als Beleg für die Potenz unserer Vorfahren bewertet. Diese hatte sich schließlich schon früher gezeigt und ist mit dem Denkmal für den germanischen Buschkrieger im Teutoburger Wald gewürdigt worden.

In weiten Teilen Afrikas sind die Lebensbedingungen wahrscheinlich schlechter, als sie es seinerzeit für die Germanen waren. Einfälle in die Heimat benachbarter Völker gibt es in Afrika auch. Die errechnete Klimaveränderung wird auch in weiten Teilen Afrikas die Lage verschlimmern. Gesundheitsdesaster, Ernährungskatastrophen und Perspektivlosigkeit lassen jetzt eine neue, diesmal schwarze Völkerwanderung beginnen. In Richtung Süd- und Mitteleuropa. Dies umso mehr, als die Kunde von den dort blühenden Landschaften sich anders als seinerzeit für die Germanen konkret aus vielen in der Heimat verfügbaren Medien speist.

Zigtausende machen sich auf den Weg. Die Völkerwanderung endet erst einmal an den West- und Nordküsten des Kontinents. Die Boote der bisher vereinzelt genutzten Art bieten aber nicht genug Platz. Dieses Problem lässt sich jedoch lösen.

Die deutsche Reederei Ballin hat es in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vorgemacht. Tragende Geschäftsidee war die Vermittlung von Amerika-Passagen für eine sehr große Zahl Deutscher, die ihre Heimat aus existentiellen Gründen verlassen wollten. Später hat Ballin den Transport auch mit eigenen Schiffen übernommen. Nicht in Kabinen mit Seeblick. Auf seine Anregung wurden die großen Überseeschiffe mit Zwischendecks ausgestattet. Hier konnten zu relativ niedrigen Preisen viele Elendsauswanderer zusammengepfercht transportiert werden. Für die dort auf die Ausreise wartenden Emigranten ließ Ballin in Hamburg Schlaf- und Wohnpavillons, Speisehallen, Räume für ärztliche Untersuchungen, Bäder und sogar Kirchen errichten. Die Kosten waren im Preis des Passagiertickets enthalten.

Im Sommer 2009 greift eine Reederei die Ballinsche Geschäftsidee wieder auf. Sie errichtet Wohncontainer in einigen Hafenstädten Afrikas und least große Schiffe. Die Reederei kalkuliert zunächst einmal vorsichtig mit insgesamt 200 Tausend Passagieren. Viele afrikanische Großfamilien legen zusammen, um die wegen des Massengeschäfts kostengünstige Passage für wenigstens einige ihrer Mitglieder zu finanzieren.

In einer ersten Welle gehen Tausende Wanderer an Bord. Wie geht es weiter?

· Die Schiffe stechen in See und legen in Marseille, Rotterdam und Hamburg an, die Völkerwanderer gehen von Bord, sammeln sich erst mal in den Kirchen? Wird ihnen gesicherter Aufenthalt gewährt? Die einheimische Bevölkerung, jedenfalls soweit Germanen im Stammbaum, reagiert verständnisvoll, weil die Vorfahren ja auch mal völkerwanderten? Oder:

· Die EU sagt den Herkunftsstaaten der Flüchtlinge im Gegenzug für deren Wiederaufnahme (diesmal verbindlich) ausreichende Hilfen zu, damit Gründe für die Völkerwanderung entfallen? Oder gar:

· Jedem Völkerwanderer wird ein Geldbetrag geschenkt oder ein zinsloser Kredit gewährt, der zur Gründung einer Existenz im Heimatland ausreicht? Oder eher:

· Der Nato-Rat wird einberufen und beschließt: Flottenverbände des Militärbündnisses laufen aus und hindern die Völkerwanderungsschiffe mit Gewalt am Eindringen in die Hoheitsgewässer der Mitgliedsstaaten? Oder gar:

· Die afrikanischen Häfen werden vermint, damit kein Schiff auslaufen kann? Oder?

Auf jeden Fall wird schnell ein EU-Sondergipfel einberufen, der UN-Flüchtlingskommissar wird mit eingeladen. Wo findet der Gipfel statt? Natürlich, wegen des passenden Ortsnamens, in Heiligendamm.