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Beitrag vom 03.08.2025

Die Welt

TERROR GEGEN CHRISTEN
Sie töteten Frauen, Kinder und Alte und beriefen sich dabei aufs Kalifat

Von Alfred Schlicht

In Nigeria haben muslimische Milizen ein Massaker an Christen verübt. Kein Einzelfall.
Islamistischer Terror gegen Christen breitet sich in Afrika immer mehr aus. Auch in
Ländern mit christlicher Mehrheit.

m Palmsonntag 2025 wurden im zentralnigerianischen Bundesstaat Plateau etwa 50
Menschen, darunter Frauen und Kinder, bei einem Angriff von muslimischen Milizen
getötet. Diesem Mordanschlag vom 13. April waren vier Angriffe seit dem 24. März 2025
vorausgegangen, bei denen mindestens 62 Christen getötet worden waren. Christian
Solidarity International (CSI) spricht sogar von 126.

Wieder einmal – wie schon so oft und auch in vielen anderen Weltregionen – hatten die Täter
bewusst die Fastenzeit, den Zeitraum um das christliche Hochfest Ostern gewählt. Damit
setzen sie besondere Akzente und machen deutlich, dass ihre Intention ganz eindeutig
christenfeindlich ist. Unter den Opfern waren schwangere Frauen, kleine Kinder und alte
Menschen.

In Nigeria nimmt seit vielen Jahren muslimische Gewalt zu. Seit 2002 existiert dort die
islamische Terrorgruppe Boko Haram, die strikt gegen alle westlichen Einflüsse und gegen
alles Christliche ist. Sie spielt seit über zwei Jahrzehnten eine wichtige Rolle bei der
Radikalisierung der nigerianischen Muslime und einer wachsenden muslimisch-christlichen
Konfrontation in Westafrika. Daneben ist der „Islamische Staat der Provinz Westafrika“ aktiv.
Nigeria hat heute etwa 220 Mio. Einwohner, die Hälfte davon sind Christen. Diese sind seit
Jahrzehnten unter starkem Druck. Zwar steht Boko Haram oft im Mittelpunkt der
internationalen Aufmerksamkeit, doch haben islamistische Fulani-Milizen in den letzten
Jahren eine immer wichtigere Rolle bei der Gewaltspirale im Land gespielt. Sie leiten ihren
Führungsanspruch aus der Tradition des im 19. Jahrhundert von Usman Dan Fodio in Nigeria
gegründeten Fulani-Kalifates und seiner militanten Expansion ab und versuchen, durch ihre
Massaker und Entführungen die alleinige Kontrolle über die nördlichen und zentralen
Regionen Nigerias zu erlangen.

Gerne wird in Europa der islamistische Charakter dieser Exzesse ignoriert und behauptet,
hier handle es sich lediglich um Konflikte zwischen muslimischen Fulani-Viehhirten und
christlichen Hausa-Ackerbauern, nicht um einen islamischen Dschihad. Auch der
Klimawandel wird für die Auseinandersetzungen verantwortlich gemacht. Diese vereinfachte
Sicht der Dinge wird der komplexen Situation vor Ort nicht gerecht. Zwar spielen derartige
Interessengegensätze zwischen Vertretern unterschiedlicher landwirtschaftlicher
Produktionsformen eine Rolle, ebenso wie ethnische Konflikte. Doch ist der islamistische
Charakter der Gewaltakte meist eindeutig. Vielfach spielen ethnische, religiöse und
ökonomische Faktoren zusammen, ergänzen einander und verschärfen die Konflikte.
Das Observatory of Religious Freedom in Africa (ORFA)registrierte zwischen 2019 und 2023
in Nigeria 55.910 Morde durch 9970 Überfälle, die Mehrzahl der Todesopfer waren Christen.
Kirchen und religiöse christliche Einrichtungen stehen oft im Mittelpunkt der Attacken. Auch
von den im Beobachtungszeitraum entführten 21.621 Menschen waren laut ORFA mehr als
die Hälfte Christen. Dörfer werden überfallen und Menschen in ihren Wohnungen
verstümmelt, getötet oder entführt, Straßensperren werden errichtet, die Feldarbeit der
Bauern unmöglich gemacht, Agrarflächen verwüstet, es kommt zu Gruppen- und
Massenvergewaltigungen.

Tausende Menschen wurden auf diese Weise vertrieben, Agrarregionen werden zu Weiden für
Herden. Joel Veldkamp von CSI sprach von „einem Völkermord in Zeitlupe“. Das
nigerianische Militär, in dem die Ethnie der Fulani dominiert, zögert oft, gegen die Fulani-
Milizen vorzugehen. Im Gegenteil, die Politik neigt oft dazu, die Stellung des Islam zu
stärken. In mindestens 12 nigerianischen Bundesstaaten im Norden des Landes bildet die
islamische Scharia Grundlage des Rechts – dies impliziert eine Benachteiligung von Christen,
deren Aussage vor Gericht beispielsweise einen geringeren Wert haben als Aussagen von
Muslimen.

Nigeria steht aufgrund seiner hohen Einwohnerzahl und als Heimat von über 100 Millionen
Christen im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Ist es doch oft Schauplatz besonders
grausamer Akte von Gewalt gegen Christen. Auf dem Weltverfolgungsindex steht Nigeria auf
Platz 7, was Christenverfolgung und -diskriminierung betrifft. Aber auch die Nachbarstaaten
und praktisch das gesamte Afrika südlich der Sahara sind Vormarschgebiete islamistischer
Gewalt.

Islamischer Terror expandiert nach Süden

In Nigeria breitet sich der Terror mehr und mehr auch in die südlichen Regionen aus, die
überwiegend christlich sind. Diese Tendenz ist allerdings nicht auf Nigeria beschränkt.
Massaker und Vertreibungen „wandern“ immer weiter nach Süden, etwa in den Kongo, aber
auch seit Jahren nach Mosambik, wo es zunächst schien, als könne man die islamistische
Gewalt eindämmen – aber inzwischen ist der islamische Terror wieder auf dem Vormarsch.
Zwar gehört Afrika zu den großen Verbreitungsgebieten des Christentums, fast die Hälfte der
Afrikaner sind Christen – aber Afrika ist auch der Kontinent, in dem die Christen besonders
bedroht sind und unter Druck stehen. In Kamerun etwa, das eine absolute christliche
Bevölkerungsmehrheit hat, dringen von Nigeria her Boko Haram und andere gewalttätige
Gruppen über die lange gemeinsame Grenze vor und begehen willkürliche Gewaltakte.

Niger, Mali und Burkina Faso sind, auch wenn sie nur einen sehr geringen christlichen
Bevölkerungsanteil haben, ebenfalls stark islamischem Terror ausgesetzt. Der IS ist hier
ebenso präsent wie die Dschama’a Nusrat al-Islam wa-l-Muslimin, eine mit Al-Qaida
verbundene Gruppe. Sie kontrollieren Teile der Staatsgebiete der drei westafrikanischen
Staaten und dringen von dort aus immer wieder in die Küstenstaaten vor. So haben
Terrorgruppen am 17. April 2025 in Benin, dem westlichen Nachbarn Nigerias, über 50
Soldaten der beninischen Armee getötet. Bereits im Januar 2025 hatte dort ein ähnlicher
Überfall 30 Todesopfer gefordert.

In ganz Westafrika nimmt islamistischer Terror stark zu – das ist die übereinstimmende
Meinung renommierter Fachleute. So sieht das International Centre for Counter-Terrorism
(ICCT) zwischen Ende 2022 und Ende 2024 eine Vervierfachung terroristischer Angriffe in
der Sahel Zone und die International Crisis Group konstatiert im Senegal, dass sich die
Anschläge von den großen Städten auf die ländlichen Regionen ausgeweitet haben. In den
Ländern der Region sind neuerdings Söldner der russischen Wagner-Gruppe im Einsatz,
nachdem die französischen und deutschen Truppen, welche die Stabilität der
westafrikanischen Staaten sichern sollten, abgezogen werden mussten. Das Problem der
islamistischen Gewalt freilich bleibt weiterhin ungelöst.

Nigeria kommt im westafrikanischen Kontext besonderes Gewicht zu. Aufgrund seines Ölund
Gasreichtums und seiner noch wenig ausgebeuteten anderen Ressourcen, z.B. Metalle,
hat es überregionale wirtschaftliche Bedeutung. Auch durch seine hohe Bevölkerungszahl ist
Nigeria besonders wichtig. Es ist das Land, das die höchste Zahl an Christen in der Region hat
– und damit hohes Potenzial für religiös motivierte Gewalt.

Worst-Case-Szenario wäre, dass ein Land Westafrikas – schlimmstenfalls Nigeria – ganz in
die Hand islamistischer Machthaber fallen würde. Dies würde einen Erdrutsch im Interesse
des radikalen Islam bedeuten. Die Folgen für die Bevölkerung wären katastrophal. Nicht
zufällig werden in Nigeria die Islamisten im Volksmund gerne als „Taliban“ bezeichnet. Die
Terrormuslime würden dann umfangreiche Ressourcen kontrollieren und könnten
bedeutende finanzielle Mittel generieren. Für die internationale Gemeinschaft würde eine
solche Entwicklung ein neues Versagen bedeuten. Neue Flüchtlingsströme würden sich
Richtung Europa aufmachen. Für Afrika wäre es eine humanitäre Katastrophe.