Beitrag vom 25.09.2024
Berliner Zeitung
Afrikas jüngster gewählter Präsident fordert eine „neue Weltordnung“
Der senegalesische Präsident Bassirou Diomaye Faye fordert mehr Macht für Afrika. Die derzeitige Weltordnung schade den Menschen seines Kontinents.
Sophie Barkey
In seinem ersten Interview mit einem westlichen Medium hat der Präsident des Senegals, Bassirou Diomaye Faye, die Unterrepräsentation Afrikas in internationalen Gremien kritisiert. Bevor er zur Generalversammlung der Vereinten Nationen reiste, forderte er gegenüber der New York Times „eine Reform des Weltsystems und Gleichheit unter den Völkern“.
Faye zufolge sollte künftig etwa die demografische Bedeutung einer Region mitbestimmen, wer die Macht bei den Vereinten Nationen innehat. Die Bevölkerung Afrikas wird nach seinen Angaben im Jahr 2050 wahrscheinlich fast 2,5 Milliarden Menschen betragen, das entspreche schätzungsweise einem von vier Menschen auf der Erde. Die derzeitige Weltordnung schade den Afrikanerinnen und Afrikanern, so Faye weiter. Beispielsweise sei der Kontinent kaum für den Klimawandel verantwortlich, doch wenn die Emissionen der Industrieländer die Polkappen schmelzen lassen, „hat das Auswirkungen auf unsere Küsten“. In Senegal war kürzlich ein Dorf wegen des steigenden Wasserpegels davon gespült worden, wie Faye weiter ausführt.
Zudem kritisierte er es als Ungerechtigkeit, dass reiche Länder weiterhin Kohle nutzen, während sie sich weigerten, Projekte für fossile Brennstoffe in Entwicklungsländern zu finanzieren. In Senegal sei kürzlich das erste Offshore-Ölprojekt in Betrieb genommen worden, und das Land sei gerade dabei, die Infrastruktur für die Umwandlung des Gases in Strom aufzubauen.
Erst Mitte des Monats hatten die USA ihre Unterstützung für die Einrichtung zweier ständiger Sitze für Afrika im UN-Sicherheitsrat ausgesprochen. Das Gremium könne so nicht weiter bestehen – „ein Kontinent mit 1,4 Milliarden Menschen hat da keine Stimme und wird nicht gesehen“, sagte die US-Botschafterin Linda Thomas-Greenfield. Bislang hat der Rat 15 Mitglieder. Fünf Länder – die USA, China, Russland, Frankreich und Großbritannien – haben einen ständigen Sitz und können damit nahezu alle Entscheidungen des Rates durch ihr Veto blockieren.
Senegal: Faye löste kürzlich Parlament auf
Mit 44 Jahren ist Faye laut dem Bericht der jüngste gewählte Regierungschef Afrikas. Im Interview sagte er, ihn zeichne ein besonderes Verständnis für die Jugend aus. Er sagte, ihr größter Wunsch sei es, „nützlich zu sein – nützlich für sich selbst, ihre Familien, ihr Land“. Man müsse „unseren jungen Menschen Antworten geben, damit sie nicht in ständige Verzweiflung gestürzt werden“. Denn ebenjene Verzweiflung treibe sie in die Arme von Schleusern und dschihadistischen Gruppen. Sein Plan sei es daher, vor allem in die Ausbildung von jungen Menschen zu investieren.
Faye hatte sich im Wahlkampf als „Kandidat für den Systemwechsel“ und als Vertreter eines „linken Panafrikanismus“ bezeichnet. Zudem stellte er in Aussicht, die Einkünfte aus den reichen Rohstoffvorkommen des westafrikanischen Landes gerechter verteilen zu wollen und die nationale „Souveränität“ über die wichtigsten Industriezweige des Landes wiederherzustellen. Doch zuletzt hatte die Nationalversammlung, die aktuell noch vom Lager seines Vorgängers Macky Sall dominiert wird, einige seiner Gesetzesvorhaben blockiert.
Faye hatte daraufhin kürzlich die Auflösung des Parlaments verkündet. Er löse die Nationalversammlung auf, „um das souveräne Volk um die institutionellen Mittel zu bitten, die es mir ermöglichen werden, die von mir versprochene systemische Transformation verwirklichen“, so der 44-Jährige bei einer Fernsehansprache Mitte September. Bei der Neuwahl im November hofft Faye nun auf eine stabile Mehrheit im Parlament. Der Senegal mit seinen 18 Millionen Einwohnern gilt als eine der stabilsten Demokratien Afrikas. (mit epd)