Skip to main content
For a different development policy!

Beitrag vom 11.01.2021

Achgut.com

Afrika-ABC in Zitaten: Aberglaube (1)

von Volker Seitz

Für mich sind die Literatur und Erinnerungen von Afrikanern der beste Weg, um den einzigartigen, widersprüchlichen und beeindruckenden Kontinent Afrika zu verstehen. Literatur fördert auf angenehme Weise interkulturelles Verständnis und Respekt vor anderen Kulturen. Als Diplomat habe ich mich vor jeder Versetzung mit der zeitgenössischen Literatur eines für mich neuen Landes auseinandergesetzt. Das möchte ich auch jedem Reisenden, Entwicklungshelfer, Journalisten oder eben Diplomaten empfehlen. Eine bessere Vorbereitung auf ein Land gibt es nicht. Die heutige afrikanische Realität ist jedenfalls bei den genannten Schriftstellern gut verortet.

Die Übersetzerin von Paulina Chiziane, Elisa Fuchs, schreibt im Nachwort zu „Wind der Apokalypse“ (siehe unten): „Die Gegenwart kann nur verstanden und bewältigt werden, wenn man die Vergangenheit kennt und begreift. Echte Entwicklung kann nicht verordnet und über die Realität gestülpt werden, das Neue muss im Bestehenden Wurzeln fassen und daraus herauswachsen.“

Der manchmal bedauernswerten Wirklichkeit von Frauen in Afrika kann man sich literarisch nähern. Die Romane sind eine Fundgrube für Gesellschaftskritik. Einige Bücher berichten sehr authentisch über das Verhältnis von Mann und Frau und die Last der Traditionen, Mythen und Konventionen. Vor allem „Ein so langer Brief“ der Senegalesin Mariama Ba hat viel Aufmerksamkeit erregt, weil sich hier zum ersten Mal eine Frau aus einer polygamen Gesellschaft zu Wort meldete. Die Möglichkeiten für Frauen, auf ihre Probleme aufmerksam zu machen und recht zu bekommen, sind in Afrika – trotz der sozialen Medien – immer noch nicht sehr groß. Die Darstellung der Dorfrealität ist oft eine völlig andere als in philosophische Abhandlungen von mit Preisen überhäuften städtischen Intellektuellen.

Gerade weil viele Menschen versuchen, aus Afrika nach Europa zu gelangen, ist es aufschlussreich, hin und wieder die Literatur des Kontinents zu lesen. Manche brechen auf, weil sie von einem besseren Leben träumen. Weil sie Verwandte haben oder Leute aus der Nachbarschaft kennen, die es nach Europa geschafft haben und die nun vom Leben in der Ferne schwärmen und jede Menge Geschenke mitbringen, wenn sie zu Besuch kommen.

Wir beginnen unsere Reihe mit Stichworten ahand von Zitaten aus literarischen Streifzügen, Autobiografien, Filmen und Interviews mit dem Buchstaben A.

Aberglaube

Dämonische Kräfte werden oft als Ausrede benutzt, um unerwünschte Personen loszuwerden.

Die Sambierin Rungano Nyoni hat sich des Themas angenommen und 2017 mit Unterstützung aus Großbritannien und Frankreich den Spielfilm „I am not a witch“ gedreht. Nach einem kleineren Zwischenfall in ihrem Dorf wird das 8-jährige Waisenkind Shula der Hexerei bezichtigt und für schuldig befunden. Sie wird in ein Hexen-Lager in der Wüste verbannt. Mit einem Band wird Shula an einen großen Baum gebunden und ihr wird gesagt, dass sie sich in eine Ziege verwandeln wird, sollte sie ihre Fesseln durchtrennen. Der Film handelt von Zauberei, Aberglauben und Männerherrschaft, denn Männer entscheiden, welche Frau eine „Hexe“ ist, und ein schändlicher Beamter führt die „Hexe“ Shula als Touristenattraktion vor.

Der nigerianische Schriftsteller Odafe Atugun zwingt seine Leser in dem Roman „Das Geheimnis des Glücks“, Arche 2018, sich mit den verstörenden Gebräuchen und Traditionen auseinanderzusetzen, die Waisenkinder in manchen Dörfern als bösartig betrachten. „Sie sehen schlecht ernährt und traurig aus, und oft suchen sie im Müll nach etwas Essbarem.“ (S. 184)...“ Ich begann damit, dass ich ihm von der schlimmen Tradition in unserem Dorf erzählte, wonach Waisenjungen als böse Kinder gebrandmarkt wurden. Ich erzählte ihm von ihrem schwierigen Leben und dass sie am Dorfrand in einem leer stehenden Haus Zuflucht suchen mussten und dass sie von dort in die Ferne reisten und nicht mehr wiederkamen.“ (S. 196).

Adoption afrikanischer Kinder

Die nigerianische Schriftstellerin Chimamanda Ngozi Adichie kritisiert die Vorstellung, man helfe Afrika, indem man afrikanische Kinder adoptiere. Es sei leicht, Armen die Würde zu nehmen und sie zu Objekten des Mitleids zu machen. Hilfe sei wie gesalzene Erdnüsse. Je mehr diese korrupten Politiker bekommen, desto gieriger werden sie. („Was Madonna verschwieg“, in F.A.Z. 18.11.2006)