Skip to main content
For a different development policy!

Beitrag vom 12.06.2020

FAZ

Der plötzliche Tod des ewigen Führers

Burundis Präsident Nkurunziza stirbt – die Nachfolge ist jedoch ungefährdet

Von Thilo Thielke, Kapstadt

Burun­dis Präsi­dent Pierre Nkurun­zi­za ließ sich „Ewiger Führer“ nennen. Am Montag starb er in einem Kran­ken­haus seines Heimat­orts Karuzi. Die Regie­rung teilte „mit großer Trauer den Tod Seiner Exzel­lenz mit“, als Ursa­che gab sie ein Herz­ver­sa­gen an. Dennoch kamen sofort Speku­la­tio­nen auf, der Präsi­dent sei an Covid-19 erkrankt. Seine Frau war erst einige Tage zuvor ins Aga-Khan-Kran­ken­haus in Nairo­bi gebracht worden, weil sie sich mit dem Coro­na­vi­rus infi­ziert hatte. Der ehema­li­ge Sport­pro­fes­sor Nkurun­zi­za hinge­gen hatte bis dato offen­bar keine Beschwer­den gehabt, noch am Sams­tag hatte er an einem Volley­ball-Match teil­ge­nom­men. Danach erst klagte er über Unwohl­sein. Er wurde 55 Jahre alt.

Lange wäre der Evan­ge­list, Grün­der und Unter­stüt­zer des Fußball­klubs Halle­lu­jah FC und leiden­schaft­li­che Kirchen­chor-Sänger nicht mehr im Amt geblie­ben. Zu der Präsi­den­ten­wahl, die am 20. Mai statt­fand, war er nicht mehr ange­tre­ten. Statt­des­sen hatte die regie­ren­de Partei „Kräfte zur Vertei­di­gung der Demo­kra­tie“ (CNDD-FDD) ihren Gene­ral­se­kre­tär Evaris­te Ndayis­hi­miye nomi­niert. Während welt­weit das Coro­na­vi­rus gras­siert, fanden in Burun­di Massen­ver­samm­lun­gen der Partei statt. Abstand müsse nicht gehal­ten werden, erklär­te der Präsi­dent seinen Unter­ta­nen, da es sich „bei den Burun­di­ern um ein von Gott geseg­ne­tes Volk handelt“. Abge­sand­te der Welt­ge­sund­heits­or­ga­ni­sa­ti­on wurden aus dem Land gewor­fen, Wahl­be­ob­ach­ter der Ostafri­ka­ni­schen Gemein­schaft unter Quaran­tä­ne gestellt. Frei und fair war nicht viel an diesen Präsi­den­ten-, Parla­ments- und Kommu­nal­wah­len.

Der Kandi­dat des Regimes gewann nach Anga­ben der Wahl­kom­mis­si­on mit fast 69 Prozent der abge­ge­be­nen Stim­men. Die Oppo­si­ti­on monier­te massi­ve Unre­gel­mä­ßig­kei­ten. Im August wollte Nkurun­zi­za die Macht an seinen Nach­fol­ger über­ge­ben und sich fortan nur noch „Obers­ter Führer“ nennen lassen. Dass Ndayis­hi­miye neuer Präsi­dent des ostafri­ka­ni­schen Klein­staats wird, bezwei­felt kaum jemand – auch wenn der burun­di­sche Autor David Gakun­zi darauf verweist, dass „entspre­chend der Verfas­sung von Burun­di der Parla­ments­vor­sit­zen­de über­neh­men und eine Neuwahl ausru­fen muss, wenn ein Präsi­dent vor seiner Macht­über­ga­be im Amt stirbt“.

Dass Pierre Nkurun­zi­za im Mai darauf verzich­tet hatte, sich aber­mals zum Präsi­den­ten wählen zu lassen, hat die meis­ten Beob­ach­ter erstaunt. 15 Jahre lang hatte der ehema­li­ge Rebel­len­füh­rer vom Stamm der Hutu sein Volk mit eiser­ner Faust regiert. 2015 ließ er, ähnlich wie der Tutsi Paul Kagame aus dem benach­bar­ten Ruanda, sogar die Verfas­sung ändern, um an der Macht blei­ben zu können. Es kam zu bluti­gen Protes­ten und einem Putsch­ver­such, den Nkurun­zi­za nieder­wer­fen konnte. Die Jugend­or­ga­ni­sa­ti­on der Partei, Imbo­ne­r­a­ku­re, foltert und tötet seit­dem Oppo­si­tio­nel­le. Tausen­de kamen ums Leben, Hundert­tau­sen­de flüch­te­ten ins Ausland. Nkurun­zi­za hätte nach der Gewalt­or­gie bis ins Jahr 2034 regie­ren können und verzich­te­te doch.

„Der Präsi­dent­schafts­kan­di­dat Evaris­te Ndayis­hi­miye war nicht Nkurun­zi­zas Mann“, sagt Jesper Bjar­ne­sen, ein däni­scher Anthro­po­lo­ge vom Nordic Africa Insti­tu­te, der sich seit Jahren mit den Zustän­den in Burun­di beschäf­tigt. „Der Präsi­dent hätte lieber eine will­fäh­ri­ge Mario­net­te nomi­niert, aber offen­bar konn­ten sich zuletzt die star­ken Mili­tärs inner­halb der Partei CNDD-FDD gegen Nkurun­zi­za durch­set­zen.“

Der 52 Jahre alte Evaris­te Ndayis­hi­miye hat eine mili­tä­ri­sche Vergan­gen­heit. Nach­dem die ehema­li­ge deut­sche Kolo­nie Burun­di jahr­zehn­te­lang von der Minder­heit der Tutsi dikta­to­risch regiert worden war, kam es 1993 zum Bürger­krieg zwischen Mili­zen der Hutu-Mehr­heit und Tutsi-Kämp­fern. Ndayis­hi­miye studier­te damals in der Haupt­stadt Bujum­bu­ra und entkam nur knapp einem Tutsi-Angriff auf das Univer­si­täts­ge­län­de. Mehre­re Dutzend seiner Kommi­li­to­nen wurden getö­tet. Ndayis­hi­miye schloss sich darauf­hin jenen Hutu an, aus deren Miliz später die CNDD-FDD hervor­ging. Im Mili­tär brach­te er es zum Gene­ral­ma­jor, im Staats­dienst zum Minis­ter für Inne­res und öffent­li­che Sicher­heit, als Partei­sol­dat zum Gene­ral­se­kre­tär. 2003 verhan­del­te er auf der Seite der Hutu ein Frie­dens­ab­kom­men, das 2006 in Kraft trat.

Unter Nkurun­zi­za verarm­te Burun­di immer weiter. Elf Millio­nen Einwoh­ner litten unter einer zuneh­men­den Isolie­rung. Nach Schät­zun­gen des Inter­na­tio­na­len Währungs­fonds lag der Staat, der über keinen Zugang zum Meer verfügt, im Jahr 2018 mit einem jähr­li­chen Pro-Kopf-Brut­to­in­lands­pro­dukt von 307 Dollar noch hinter Staa­ten wie Soma­lia oder Eritrea auf dem letz­ten Platz welt­weit. Auf dem Human Deve­lop­ment Index der Verein­ten Natio­nen rangiert Burun­di auf dem 185. Platz von 189 Staa­ten, im Korrup­ti­ons­wahr­neh­mungs­in­dex von Trans­pa­ren­cy Inter­na­tio­nal auf dem 165. Rang von 180 Staa­ten.

Als im Jahr 2015 die Lage eska­lier­te, hatte auch die Bundes­re­gie­rung die „regie­rungs­na­he bila­te­ra­le staat­li­che Entwick­lungs­zu­sam­men­ar­beit“ einge­stellt und fortan Burun­di-Program­me nur noch „regie­rungs­fern ausge­rich­tet“. Erst kürz­lich nannte Entwick­lungs­hil­fe­mi­nis­ter Gerd Müller den Staat in einem Atem­zug mit Burma als eines der Länder, die sich „reform­re­sis­tent“ gezeigt hätten und mit einer komplet­ten Strei­chung der deut­schen Unter­stüt­zung rech­nen müss­ten. Das Ausblei­ben der Hilfe scher­te den gottes­fürch­ti­gen Nkurun­zi­za wenig. Sein Nach­fol­ger Evaris­te Ndayis­hi­miye trat den Wahl­kampf mit dem Verspre­chen an, die Korrup­ti­on zu bekämp­fen und das Land wieder zu öffnen. Zumin­dest hat er dafür vermut­lich den Segen des Mili­tärs.