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Beitrag vom 20.01.2020

Finanzen.at

Ruanda - Wirtschaftsboom nach der politischen Katastrophe

Ruanda, ostafrikanisches Land mit 12 Mio. Einwohnern, ist den Europäern am ehesten durch die blutigen Auseinandersetzungen zwischen Hutus und Tutsis und dem Völkermord 1994 an den Tutsis ein Begriff. Politisch ist inzwischen Stabilität eingekehrt. Wirtschaftlich hat die autoritäre Regierung unter Paul Kagame einen Neustart geschafft, mit Wachstumsraten von sieben bis acht Prozent.

Was in Ruanda derzeit passiert, widerspricht jedem Afrika-Klischee der Europäer, sagen Hans Stoisser von Ecotec und Karin Krobath von identifire, die sich seit Jahren um mehr wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Afrika bemühen. Das Land setze auf Digitalisierung und stelle sich zur Verfügung, um neue Technologien auszuprobieren. "Von Drohnen über e-Mobilität bis e-Health, ausprobiert wird, was Sinn für eine Gesellschaft macht, die aus der absoluten Armut kommt und heute schon bei manchen Technologien die Nase eindeutig vor den USA und Europa hat", so Krobath.

Innovationen seien in Afrika einfacher, weil es die alten Industrien erst gar nicht gibt, sagt Stoisser. So war es in Afrika viel einfacher digitales Geld einzuführen, in Kenia etwa sei zahlen über Mobiltelefon standard, die Hälfte des Bruttoinlandsproduktes werde über das Handy abgewickelt. Die Entwicklung ging schnell, weil es vorher kein entwickeltes Bankensystem gab.

In Ruanda wiederum probiere VW eine App für eine Art "Uber" aus, also ein Mietwagendienst, aber ausschließlich mit lokalen Menschen. Uber selber ist hingegen verboten. Auch wenn das vom deutschen Konzern nicht an die große Glocke gehängt werde, zeige es das Potenzial für internationale Konzerne. Auch der US-Konzern Zipline darf die Auslieferung von Medikamenten per Drohne testen - unter der Bedingungen, bei Bedarf Blutkonserven in jedes Buschkrankenhaus zu liefern. Vor allem Frauen im Kindbett profitierten davon.

Beim Thema Frauen können sich überhaupt viele ein Vorbild an Ruanda nehmen, so Krobath und Stoisser. 64 Prozent der Abgeordneten sind Frauen, das ist weltweit die höchste Rate. Im Global Gender Gap Report des Weltwirtschaftsforums belegt Ruanda Platz 6, Österreich nur Rang 53. Auch in allen Wirtschaftsbereichen seien Frauen stark vertreten.

Demokratischen Standards Europas entspricht Ruanda allerdings nicht, Kagame sei eher ein korruptionsfreier "wohlmeinender Diktator", habe aber für die Entwicklung des Landes viel geleistet. Ruanda präsentiere sich auch sehr selbstbewusst und streiche beispielsweise die Marke "made in Ruanda" heraus. Wer im Land produziert ist willkommen, für Importe gelten restriktive Regeln. Beim Tourismus setzt man auf teure, hochwertige Angebote. Alle diese Möglichkeiten sollten Europas Firmen nutzen, ist Stoisser überzeugt. Darum haben Ecotec und Identifire mit dem Unternehmen Living Lab aus Kenia eine neue Marke namens "NextAfrica" gegründet - zur Zusammenarbeit von Menschen und mittelständischen Unternehmen aus den beiden Kontinenten.

tsk/stf
APA