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Beitrag vom 16.08.2019

FAZ

Südafrika rutscht immer tiefer in die Krise

100 Tage nach Antritt der neuen Regierung wachsen Arbeitslosigkeit und Staatsschulden

clb. KAPSTADT, 15. August. Südafrikaner bekommen ihren Staatspräsidenten auf seinem Weg in die ehrwürdigen Regierungsgebäude in Pretoria meist kaum zu sehen, so schnell rasen schwarze Limousinen mit Blaulicht durch den Verkehr. Doch an einem Montag im März, wenige Wochen vor den Parlamentswahlen in Südafrika, war alles anders. Gekleidet in Gelb, Grün und Schwarz, den Farben der Regierungspartei ANC, harrte das Staatsoberhaupt auf einem Fensterplatz in einem Nahverkehrszug der staatlichen Bahngesellschaft Metrorail aus, wie alle anderen Passagiere. Trotz des prominenten Fahrgasts steckte der Zug fast drei Stunden lang fest. „Ich bin froh, dass ich hierher gekommen bin, um mir selbst ein Bild zu machen“, sagte ein sichtlich ungeduldiger Ramaphosa einem Reporter. „Wir müssen jetzt zur Tat schreiten. Unsere Bürger verdienen das Beste.“

Fast 100 Tage sind vergangen, seit der ANC abermals die Wahl gewonnen hat und Ramaphosa als Staatsoberhaupt bestätigt wurde. Sein Amtsantritt nach dem Rücktritt von Jacob Zuma wegen Korruptionsvorwürfen hatte eine Aufbruchstimmung in der Wirtschaft ausgelöst. Nicht nur ist Ramaphosa ein weithin geachteter Mann. Er trat als Aufräumer an, versprach die Korruption zu bekämpfen, Investitionen anzuziehen und die Staatskonzerne zu sanieren. In einer „Ramaphoria“ hatten selbst ANC-kritische Südafrikaner zur Wahl der Regierungspartei aufgerufen, um Ramaphosa im tief gespaltenen ANC zu stärken.

Doch statt Fortschritt jagt bisher eine negative Wirtschaftsnachricht die andere: Im ersten Quartal schrumpfte die Wirtschaftsleistung um mehr als 3 Prozent. Die Arbeitslosigkeit kletterte auf 29 Prozent. „6,7 Millionen Menschen in Südafrika sind arbeitslos. In den Vereinigten Staaten waren es Ende Juni 6 Millionen, aber die Vereinigten Staaten haben 326 Millionen Einwohner, Südafrika 58 Millionen“, erklärte der Finanzanalyst David Shapiro auf Twitter.

Zugleich klettert die Staatsverschuldung immer weiter in die Höhe. In diesem Jahr erwarten Analysten einen Anstieg auf mehr als 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts; das ist doppelt so hoch wie vor zehn Jahren. Nach Angaben des Statistikamtes entfiel schon 2016 ein Zehntel der Staatsausgaben nur auf Zinszahlungen. Nun wird befürchtet, dass auch die Ratingagentur Moody’s die Konsequenzen zieht und die Bonitätsnote Südafrikas auf Ramschniveau senken könnte. Moody’s ist die einzige unter den drei großen Agenturen, die Südafrika noch ein Investitionsrating zugesteht. Folgt Moody’s den anderen, hätte dies einen abrupten Abzug an Kapital aus dem mit Abstand wichtigsten Finanzmarkt in Afrika zur Folge und würde die Währung vermutlich schwächen. Bislang hält sich der Rand verglichen mit anderen Schwellenlandwährungen relativ robust.

Ob es so weit kommt, hängt vor allem von einer Institution ab: dem schwer gebeutelten staatlichen Energieversorger Eskom. Dessen Schuldenberg ist umgerechnet auf 26 Milliarden Euro gewachsen, das ist mehr als ein Zehntel der Wirtschaftsleistung. Unlängst gewährte Finanzminister Tito Mboweni zum zweiten Mal innerhalb von fünf Monaten Milliardenhilfen, damit Eskom Verbindlichkeiten bedienen kann. Zusätzlich aber hat der Staatskoloss, der fast für die gesamte Versorgung zuständig ist, operative Schwierigkeiten. Anfang des Jahres musste er in wechselnden Regionen den Strom abstellen.

Nicht nur Ratingagenturen erhöhen der Druck auf Ramaphosa, den Ankündigungen endlich Taten folgen zu lassen. Die sonst zurückhaltende Wirtschaftsvereinigung Business Unity South Africa warnte vor einer Verschärfung der Lage, die letztlich einen Rettungskredit des Internationalen Währungsfonds nötig machen könnte. „Die Lage ist klar: Entweder wir verschreiben uns unsere eigene Medizin oder jemand anderes wird sie uns verschreiben. Und das wird eine sehr bittere Pille werden“, sagte der Vorsitzende Sipho Pityana. Der Chef der Großbank Nedbank, Mike Brown, warnte, Südafrika gehe die Zeit und das Geld aus. „Deutlich mehr Tempo ist vonnöten, um sich gegen den wirtschaftlichen und finanziellen Niedergang unserer Wirtschaft zu stemmen.“