Skip to main content
For a different development policy!

Beitrag vom 04.10.2018

FAZ

Leserbrief

Mehr auf „Good Governance“ achten

Auffallend bei dem Beitrag „Afrika helfen - mit weniger Entwicklungshilfe“ (F.A.Z. vom 25. September) ist, dass' die eigentlich betroffenen Menschen nicht zu Worte kommen. Also diejenigen, denen der Besuch einer bisher nicht vorhandenen Schule oder die Behandlung in einer Gesundheitsstation ermöglicht wurde. Dies gilt auch für das Personal von NGOs, die in der Regel kein besonderes Lob, geschweige denn einen Orden erhalten, aber vor allem in Krisengebieten nicht nur ihre Gesundheit, sondern im Extremfall auch ihr Leben gefährden. Ebenso fehlen die Stimmen der Kleinbauern.

Es ist eine Tatsache, dass viele Projekte wie zum Beispiel die Schulen oder Gesundheitsstationen nach einer Anzahl von Jahren in ihrer Substanz ausgezehrt und nur noch teilweise funktionsfähig sind. Ursache hierfür sind in der Regel mangelndes Interesse der lokalen beziehungsweise regionalen staatlichen Verwaltung an der Fortführung dieser Projekte oder ganz einfach unzureichende Haushaltsmittel. Damit sind wir bei dem erwähnten Mikro-Makro-Paradox, dass nämlich der erforderliche Treibriemen zwischen kleinem und großem Rad ausgebeult oder gar nicht mehr vorhanden ist.

Sicherlich würde sich im Falle der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit die Chance eines nachhaltigen Betriebs ganz wesentlich erhöhen, wenn hier eine stärkere Auswahl der Länder nach den Kriterien der „good governance“ erfolgen würde. Dies ist eine schon seit langen Jahren bestehende Forderung, um Unrechtsregime nicht auch noch durch staatliche Hilfe zu legitimieren; diese Politik istaber aus außenpolitischen Gründen und wirtschaftspolitischen Interessen unserer Regierungen nie konsequent umgesetzt worden. Vielleicht bewirken ja die. augenblicklich
unruhigen Zeiten, dass die »ethischen Werte in unserem Handeln doch noch größeres Gewicht erhalten. .

Und nun soll es also die Privatwirtschaft allein richten. Dabei gibt es gar keinen Zweifel daran, dass eine Volkswirtschaft nur auf der Basis einer stabilen und kreativen Unternehmerkultur ein angemessenes Wohlstandsniveau erreichen kann. Nur stoßen wir hierbei auf die Erkenntnis, dass die Wahrheit eindeutig, aber vielschichtig ist. Dies bedeutet, dass wir auch bei einer ausreichenden Anzahl von privaten Investitionen nur dann von einer nachhaltigen Entwicklung eines Landes ausgehen können, wenn die Regierungen und staatlichen Organe sorgsam mit den erhaltenen Steuergeldern umgehen. Schließlich brauchen Unternehmen Arbeitskräfte, die gut ausgebildet und gesund sind, aber auch eine funktionierende Infrastruktur für die erforderlichen Transporte; darüber hinaus sind transparente Gesetze mit einer entsprechenden Umsetzung unabdingbar.

Wer die Geschichte der Zusammenarbeit zwischen Privatwirtschaft und Regierungen in so manchem dieserLänder über Jahre yerfolgt hat, weiß leider auch, dass Korruption und Betrug eine hohe Kreativität aufweisen, die sich bedauerlicherweise auch in unseren Breitengraden zusehends
stärker finden. Private Investitionen allein, das heißt, ohne verbesserte Rahmenbedingungen, werden also die Armut auch nicht nachhaltig reduzieren.

PROFESSOR DR. WINFRIED POLTE; PRÄSIDENT
VON CARE DEUTSCHLAND; KÖLN