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For a different development policy!

Beitrag vom 01.10.2018

Bonner Aufruf

Bonner Memorandum

„Entwicklungshilfe für Afrika beenden - Afrika muss sich selbst entwickeln (wollen)“

als Ergebnis einer Gesprächsrunde Mitte September 2018 in Bonn

Angesichts der Erfahrungen der letzten Jahrzehnte und aus Respekt vor der Leistungsfähigkeit der afrikanischen Gesellschaften ist es geboten, auf ein Ende der bisherigen Entwicklungshilfe hinzuarbeiten und sie durch eine wirtschaftliche Zusammenarbeit auf der Grundlage beiderseitiger Interessen zu ersetzen.

Afrika kann auf das Helfersyndrom der „Geberländer“ verzichten. Vielmehr braucht Afrika (wie seit Jahren von zahlreichen afrikanischen Autoren gefordert) einen Paradigmenwechsel mit der Besinnung auf eigene Stärken, aber auch die eigene Verantwortung für Entwicklung. Die „Geberländer“ missachten mit ihrer Einmischung und ihren Hilfskapazitäten die Würde und die Bereitschaft zur Eigenverantwortung der Menschen in Afrika. Es muss Schluss sein mit unserem paternalistischen Verhalten gegenüber Afrika; wir haben keineswegs immer die richtigen Lösungen anzubieten. Die Entwicklung Afrikas muss von innen kommen. Und die Afrikaner entscheiden dabei über ihren Weg, auch dann, wenn dieser nicht zu unserem Bild von Demokratie passt (Beispiel Ruanda).

Die bisherige Entwicklungshilfe für afrikanische Staaten macht keinen Sinn, weil

? die herrschenden Gruppen dieser Länder offensichtlich nur das Ziel haben, sich persönlich zu bereichern („Milliardär-Präsidenten“). Entwicklungspolitische Transferzahlungen haben dabei auch eine Rolle gespielt.

? die Kapitalflucht aus diesen Ländern höher ist als die Summe der Entwicklungshilfe-Gelder und der ausländischen Investitionen. Dieser Verlust wird nicht durch die Rücküberweisungen afrikanischer Migranten kompensiert, die vornehmlich familiäre Sozialinvestitionen fördern und
nicht eine nachhaltige und breitenwirksame Entwicklung ihrer
Heimatländer.

? systematisch im Bewusstsein der afrikanischen Gesellschaften verdrängt
wird, dass die starke Bevölkerungszunahme kausal relevant für Erfolg
bzw. Misserfolg von Entwicklungsbemühungen ist, somit die Verarmung
vieler Länder Afrikas durch die demographische Entwicklung
vorprogrammiert ist.

? die bäuerliche Landwirtschaft nicht umfassend unterstützt wird und
fruchtbare Landstriche an andere Länder, z.B. die Golfstaaten, vergeben
werden. Von den Pachterlösen profitieren in erster Linie die jeweiligen
Regierungen und nicht die nun als Arbeiter schlecht bezahlten Bauern.

? die bestehenden Handelschancen vor allem auch zwischen den
afrikanischen Ländern und die Möglichkeiten, sich gegen Billigimporte
durch Zölle und Kontingente zu schützen, nicht wirklich genutzt werden.

? die Entwicklungshilfe von den europäischen Ländern instrumentalisiert
wird als Mittel gegen Flucht und Migration. Die intendierte Verknüpfung
mit sicherheitspolitischen Gesichtspunkten (z.B. die Unterstützung der
Armeen und Polizeikräfte der Anrainerstaaten südlich der Sahara) ist
höchst problematisch für jedes Verständnis von Entwicklung.
Wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Deutschland und afrikanischen
Ländern auf der Grundlage beiderseitiger Interessen macht Sinn, wenn

? wir unsere politischen und ökonomischen Interessen eindeutig definieren
einschließlich der Beachtung international vereinbarter Werte, Normen
und Standards sowie der Menschenrechte.

? Deutschland eine eigene differenzierte Strategie gegenüber Afrika
entwickelt, die auf die Überwindung postkolonialer
Abhängigkeitsverhältnisse abzielt (d.h. Ende von „Rohstoffe gegen
Industriegüter“).

? Afrika bereit ist, seine wertvollen Rohstoffreserven wie Gold, Platin,
Diamanten, Phosphate, Coltan, Kobalt, Erdgas und Erdöl im eigenen Land
weiterzuverarbeiten - so wie z.B. in Botswana, wo inzwischen
Rohdiamanten aus aller Welt sortiert, gehandelt und weiterverarbeitet
werden in eigenen Werkstätten (arbeitsplatz- und einkommenschaffende
Wertschöpfung).

? afrikanische Regierungen bestehende Ansätze für ein Unternehmertum in
Handwerk, Handel und Industrie fördern und nicht weiter behindern,
und deutsche Unternehmen sich als faire Partner anbieten für eine
zunehmend selbstbewusste afrikanische Wirtschaft.

Zu den Teilnehmern der Konferenz gehörten neben den entwicklungspolitischen
Wissenschaftlern

Prof. Dr. Hans-Ferdinand Illy
Prof. Dr. Peter Molt
Prof. Dr. Franz Nuscheler
Prof. Dr. Rainer Tetzlaff

unter anderen auch

Dr. Karl Addicks, ehem. Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion für Entwicklungspolitik
Marc Chantelauze, ehem. Projektmanager der KfW-Entwicklungsbank
Wim Dohrenbusch, ehem. Afrika-Korrespondent für Zeitungen und ARD
Volker Franzen, ehem. Sprecher der GTZ
Dr. Wilfried Hoffer, viele Jahre in Afrika, davon 9 Jahre Leitung DED und GTZ in Mali
Dr. Leo Kreuz, 30 Jahre BMZ
Dieter Mönnich, 14 Jahre DED und GTZ
Dr. Wolfgang Runge, ehem. Botschafter im Niger
Volker Seitz, 17 Jahre Diplomat in Afrika, Autor „Afrika wird armregiert“
Klaus Thüsing, ehem. MdB, 15 Jahre für DED in Afrika
Dr. Eduard Westreicher, 32 Jahre BMZ
Elke Zarth, seit 25 Jahren Unternehmerin in Mali

Die Erklärung wird außerdem unterstützt von:

Dr. Hans Christoph Buch, Berlin, Schriftsteller, Reporter aus Krisengebieten der 3. Welt
Dr. Guido Herz, ehem. Botschafter in Tansania
Prof. Dr. Robert Kappel, entwicklungspolitischer Wissenschaftler und Afrika-Experte

Kontakt:
Kurt Gerhardt, ehem. Landesbeauftragter des DED im Niger, Koordinator des Bonner
Aufrufs
Tel. 0221/9434503, mobil: 0173/2135216 eMail: post@bonner-aufruf.eu