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Beitrag vom 27.07.2017

FAZ

Nigerias neuer starker Mann

In Abwesenheit von Präsident Buhari wird das Land erfolgreich regiert/Von Thomas Scheen

NAIROBI, 26. Juli. Seit Januar dieses Jahres befindet sich der nigerianische Präsident Muhammadu Buhari nahezu ununterbrochen in medizinischer Behandlung in Großbritannien. Woran der 74 Jahre alte Mann leidet, ist ein Staatsgeheimnis. Die Berufsunfähigkeit des Präsidenten, die in anderen afrikanischen Ländern für eine Staatskrise sorgen würde, wird in Nigeria nahezu geräuschlos geregelt. Das liegt vor allem an Yemi Osinbajo, dem stellvertretenden Präsidenten Nigerias, der Buharis Abwesenheit nicht nur vergessen lässt, sondern sogar eigene Akzente setzt: Mitte Juni verabschiedeten Senat und Parlament mit Verspätung das Budget für 2017, das mit 19 Milliarden Euro allerdings bescheiden ausfiel, weil Nigeria gerade die schlimmste Wirtschaftskrise seiner Geschichte erlebt. Das Budget ist Ausdruck dafür, dass das politische Nigeria den Ernst der Lage erkannt hat und zum Sparen bereit ist.

Die Krankheit Buharis weckte zunächst ungute Erinnerungen an den Aufstieg seines Vorgängers Goodluck Jonathan, der ebenfalls stellvertretender Präsident unter Umaru Yar’Adua war, bis dieser für Monate in einer saudischen Klinik verschwand und Jonathan das Land regieren musste. Das ist Nigeria schlecht bekommen. Dabei war Jonathan zunächst nur deshalb zum stellvertretenden Präsidenten aufgestiegen, weil es gute Tradition in Nigeria ist, einem muslimischen Präsidenten einen christlichen Stellvertreter ohne jede Macht zur Seite zu stellen.

Vordergründig verhält es sich auch bei dem Gespann Buhari und Osinbajo so: Der 2015 gewählte Buhari ist ein ehemaliger General und stammt aus dem muslimischen Norden. Der 60 Jahre alte Osinbajo ist ein Yoruba aus dem christlichen Süden. Doch die beiden hatten von Anfang an eine klare Abmachung: Buhari kümmert sich um den Norden, wo die Islamisten von Boko Haram ganze Landstriche entvölkert haben, während Osinbajo sich um den christlichen Süden und insbesondere um das ölreiche Niger-Delta und seine zahllosen Rebellengruppen kümmert.

Dort erregte der in Großbritannien ausgebildete Jurist schon deshalb Aufsehen, weil ihm der konfrontative Stil seines Chefs völlig fremd zu sein scheint. Wo Buhari gerne poltert, bevorzugt Osinbajo geduldiges Zuhören. Der größten Rebellengruppe im Delta beispielsweise sicherte er Jobs im Austausch gegen Waffen zu, und die gegenwärtige Ruhe scheint ihm recht zu geben. Mit den muslimischen Haussa kann der christliche Yoruba offenbar auch umgehen, wie seine Rolle bei der Beilegung der tödlichen Auseinandersetzungen um Weideland und Wasser im nordnigerianischen Bundesstaat Kaduna im Juni zeigte. Damals hatten die Haussa die aus dem Süden zugewanderten christlichen Igbo aufgefordert, Kaduna zu verlassen, und ihnen anderenfalls Schlimmes angedroht. Osinbajo brachte beide Gruppen an einen Tisch und die religiösen Führer als Garanten für eine Art Frühwarnsystem bei künftigen Konflikten in Stellung.

Die Verbindlichkeit, mit der Osinbajo Abmachungen trifft, und seine ruhige Art sind ein völlig neuer Stil in Nigeria, wo sich Staatschefs gerne als Sonnenkönige aufführen. „Das ist wie ein frischer Wind“, findet Cheta Nwanze, einer der einflussreichsten politischen Kommentatoren des Landes. Ein Wind, an dem man sich gewöhnen kann? „Absolut“, sagt Nwanze: „Ich glaube, dass Yemi Osinbajo als Präsident dem Land sehr gut tun würde“.