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Beitrag vom 14.07.2017

Kölner Stadt-Anzeiger

Afrikas Bevölkerung wächst, die Wirtschaft kommt nicht voran

Geduldete Korruption und Vetternwirtschaft

VON WOLFGANG DRECHSLER

An Afrika zerren seit langem Kräfte, die den Kontinent entweder zerreißen und damit auch Europa schwer erschüttern könnten - oder ihn erstmals seit der Unabhängigkeit vor 60 Jahren auf einen nachhaltigen Wachstumspfad hieven und damit womöglich vom Almosenempfänger zum Investitionsziel machen. Aktuelle Uno-Prognosen gehen davon aus, dass sich die Zahl der Menschen im Afrika südlich der Sahara bis zum Jahr 2050 verdoppeln wird - von derzeit einer Milliarde auf dann mindestens 2,2 Milliarden. Ob diese Menschen eines Tages tatsächlich emsige Konsumenten und Produzenten werden oder stattdessen vor allem sozialen Zündstoff liefern, wird sich in der nächsten Generation entscheiden. Noch ist unklar, woher all die Schulen, Krankenhäuser und vor allem die Millionen an Jobs für die vielen jungen Afrikaner kommen sollen.

Erste Anzeichen dessen, was sich in Afrika zusammenbraut, sind dieser Tage in Italien zu sehen. Kein Tag vergeht, an dem nicht Hunderte von Migranten in seinen überlasteten Häfen anlanden. Bis zum Jahresende werden es wohl 300 000 Neuankömmlinge sein, die allein über die Mittelmeerroute via der Staatsruine Libyen nach Norden kommen - mehr als je zuvor. Groß ist deshalb in Europa die Sorge, die Migration aus dem Süden könne aus dem Ruder laufen. Schiere Panik hatte die deutsche Bundeskanzlerin auch dazu bewogen, den Nachbarkontinent zu einem Schwerpunkt des G 20-Gipfels zu machen. Dass nun trotzdem kaum mehr als ein paar Gemeinplätze in der Abschlusserklärung stehen, ist sicherlich auch den vielen anderen globalen Krisenherden geschuldet.

Immerhin ging es in Hamburg anders als bei früheren Gipfeln diesmal nicht um eine Aufstockung der klassischen Entwicklungshilfe. Ob es jedoch reichen wird, wenn die G 20-Staaten wie nun geplant eine Reihe von Wirtschafts-Patenschaften mit ohnehin bereits besser regierten Ländern in Afrika eingehen, aber darüber Schlüsselländer wie den Kongo, das kranke Herz Afrikas, ignorieren, darf nach den Erfahrungen der Vergangenheit bezweifelt werden. Fast völlig unerwähnt blieb zudem wieder die Bevölkerungsexplosion südlich der Sahara, obwohl sie mehr als alles andere einer Genesung Afrikas entgegensteht, schon weil der stete Zuwachs an Menschen jeden noch so kleinen Fortschritt gleich wieder zunichtemacht.

Auch ist seit langem bekannt, dass durch den steten Geldzufluss eine echte Eigendynamik in Afrika eher verhindert denn befördert wird. Der Bundesverband der Deutschen Industrie hat in einem Positionspapier zum G 20-Gipfel zu Recht zudem noch einmal ausdrücklich daran erinnert, dass für mehr Investitionen der Privatwirtschaft vor allem "veränderte politische und soziale Rahmenbedingungen" in Afrika selbst notwendig wären. Viele Investitionshemmnisse, wie etwa die gesellschaftlich oft geduldete Korruption oder die tief verwurzelte Vetternwirtschaft, seien vorwiegend politischer Natur und könnten weder finanziell noch technisch gelöst werden. Kein Wunder, dass sich westliche Unternehmen mit Investitionen seit Jahrzehnten extrem zurückhalten und die meisten afrikanischen Länder in den Statistiken gar nicht erst auftauchen.

Mehr Realismus gegenüber Afrika wäre vor allem jenen Politikern zu wünschen, die wie die deutsche Kanzlerin und ihr Entwicklungsminister noch immer glauben, man könne Afrika vor allem von außen zum ersehnten Wirtschaftsboom à la Asien verhelfen.