Skip to main content
For a different development policy!

Beitrag vom 04.07.2017

FAZ

Wo China sich engagiert

Von Thomas Scheen

Berlin fordert zwar mehr Investitionen in Afrika, bereitet aber nicht das politische Feld dafür.

Afrika neu denken“ will die Bundeskanzlerin. Sie hat den Kontinent deshalb zum Schwerpunktthema des kommenden G-20-Gipfeltreffens in Hamburg gemacht. Was ihr dabei vorschwebt, ist weniger Entwicklungshilfe im klassischen Sinn, dafür mehr wirtschaftliche Zusammenarbeit, um Armut und Jugendarbeitslosigkeit, die beiden Geißeln Afrikas, wirksam zu bekämpfen – und um so den Strom von Wirtschaftsflüchtlingen zu unterbrechen. Welche Dimensionen dieser inzwischen angenommen hat, zeigt eine Meldung aus Italien: Dort überlegt man, Schiffe mit Flüchtlingen nicht mehr in die Häfen zu lassen, weil es einfach zu viele geworden sind. Allein in der vergangenen Woche wurden vor der Küste Libyens innerhalb von 48 Stunden 8000 Menschen aus Kamerun, Sudan, Mali und Senegal aus dem Wasser gefischt. Der Exodus ist in vollem Gange, doch wie er gestoppt werden soll, darüber gehen die Meinungen auseinander.

In groben Zügen hatte die deutsche Regierung ihren neuen Plan für Afrika schon im Februar dargelegt. Der Rahmen dafür war das sogenannte Deutsch-Afrikanische Wirtschaftsforum in Kenia, das als Zusammenkunft deutscher und afrikanischer Geschäftsleute geplant war. Entwicklungshilfeminister Gerd Müller (CSU) erklärte dabei, künftig werde sich Deutschland in der Ausbildung engagieren und in der Förderung des Mittelstandes, um sowohl afrikanischen Unternehmern als auch ihren deutschen Partnern den Zugang zu Krediten zu erleichtern. „Stellen Sie sich vor, was wir mit drei Milliarden Euro Entwicklungshilfe alles machen können: Wenn wir diese Summe hebeln, können wir Kreditgarantien über 30 Milliarden Euro geben“, kündigte der Minister die neue Richtung an.

Der dazugehörige Plan nennt sich „Compact with Africa“, wurde zusammen mit Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) entwickelt und zielt auf die Förderung privater Investoren ab, damit diese Arbeitsplätze schaffen. Voraussetzung ist allerdings, dass die afrikanischen Regierungen konkrete Vorschläge zur Verbesserung des Investitionsklimas machen, und zwar mit deutscher Hilfe. Das klingt bürokratisch und alles andere als zügig.

Wer Arbeitsplätze in Afrika schaffen will, muss den Staat und damit überbordende Bürokratie, Inkompetenz und Korruption aus dem Spiel nehmen. Wie das funktioniert, demonstrieren seit etlichen Jahren die chinesischen Unternehmen in Afrika, die ganz nebenbei all jene Lügen strafen, die den Kontinent für einen hoffnungslosen Fall halten. Waren es in den vergangenen zehn Jahren vor allem chinesische Staatsbetriebe, die in Afrika Rohstoffe kauften, sind inzwischen die Privatunternehmer aus Fernost in der Mehrzahl. Laut einer Ende Juni veröffentlichten Studie einer Unternehmensberatung ist das Engagement der Chinesen sogar viel größer als ursprünglich angenommen. Demnach sind in Afrika rund 10000 chinesische Unternehmen aktiv, rund neunzig Prozent davon Privatfirmen. Tätig sind sie in allen Bereichen, von industrieller Fertigung über Bau, Immobilienverwaltung, Handel bis hin zu Dienstleistungen.

Allein im verarbeitenden Gewerbe beherrschen chinesische Unternehmen inzwischen zwölf Prozent des kontinentalen Marktes. Das entspricht 500 Milliarden Dollar im Jahr. Bei den zahlreichen Infrastrukturmaßnahmen überall auf dem Kontinent kommen die Chinesen auf einen Anteil von fünfzig Prozent. Und sie machen gute Geschäfte: Ein Viertel der befragten tausend Unternehmen gab an, die Anfangsinvestitionen innerhalb eines Jahres amortisiert zu haben. Ein Drittel spricht von Umsatzrenditen von zwölf Prozent und mehr. Diese Unternehmen beschäftigen Millionen Afrikaner, und 70 Prozent von ihnen bilden zudem aus. Und noch etwas ist außergewöhnlich: Diese chinesischen Firmen produzieren nicht für den asiatischen Markt, sondern für den afrikanischen. Geht das so weiter, wird der Umsatz chinesischer Firmen in Afrika von gegenwärtig 180 Milliarden Dollar in den nächsten acht Jahren auf 440 Milliarden Dollar steigen.

Dabei ist Afrika den Chinesen eigentlich fremd. Sie haben keine Kolonialvergangenheit wie die Europäer, aus der sich Wissen über den Kontinent ableiten ließe. Nur wenige sprechen Englisch, Französisch oder Portugiesisch. Ihr Erfolg beruht auf Produkten, die dem Markt angepasst sind, und auf massiver Rückendeckung aus Peking. Das ist das entscheidende Kriterium. Kredite erhalten ist eine Sache, Gewinne nach Steuern zurücktransferieren zu können eine ganz andere. In dieser Hinsicht ist die chinesische Politik kompromisslos. In Kenia beispielsweise hat Peking Handels- und Niederlassungserleichterungen für seine Landsleute ausgehandelt. Das Gleiche gilt für Angola, Tansania und Sambia, um nur einige zu nennen. Das erleichtert schnelle Entscheidungen und gibt den Investoren Sicherheit. Und genau das ist es, was die in Afrika tätigen deutsche Unternehmer immer wieder kritisieren: dass die Bundesregierung zwar mehr Investitionen in Afrika fordert, aber nicht das politische Feld dafür bereitet.