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Beitrag vom 09.02.2017

FAZ

Afrika-Marshall Müller zielt auf Ordnung und Wachstum

Gerd Müller zieht es immer wieder nach Afrika. Der Minister will dort aufräumen, für Ordnung und Wachstum sorgen. Mit Anreizen und neuen Schwerpunkten, damit sich nicht noch mehr Menschen ohne Hoffnung auf bessere Zeiten in der Heimat auf den Weg nach Europa machen. Der CSU-Politiker spricht von einem Marshallplan, in Anlehnung an die Hilfen der Amerikaner – benannt nach Außenminister George Marshall – für das nach dem Zweiten Weltkrieg in Trümmern liegende Europa. Müller will ausdrücklich nicht unbedingt mehr staatliches Geld nach Afrika schaufeln. In einer Zeit, in der die Bundesregierung Afrika zu einem zentralen Thema ihrer Präsidentschaft in der Gruppe der zwanzig wichtigsten Wirtschaftsnationen (G 20) macht, gewinnt der Diplom-Wirtschaftspädagoge automatisch an Bedeutung. So ist Müller im Grunde der deutsche Afrika-Minister.

An diesem Donnerstag hat der 61 Jahre alte Entwicklungsminister in Nairobi seinen Aufritt auf dem groß angekündigten deutsch-afrikanischen Wirtschaftsgipfel. Doch könnte ihm Brigitte Zypries in der kenianischen Hauptstadt die Schau stehlen. So geht von der SPD-Politikerin, die erst seit knapp zwei Wochen Wirtschaftsministerin ist, immer noch der Reiz des Neuen aus. Für die deutsche Wirtschaft sind beide Minister wichtig. Die Unternehmen hoffen auf bessere Geschäfte. Politische Unterstützung ist dafür in Afrika erfahrungsgemäß hilfreich. Von daher ist der doppelte Minister-Auftritt ein nicht zu unterschätzendes Zeichen. Wie das Wirtschaftsministerium feststellt, betrug der bilaterale Handel mit den afrikanischen Ländern südlich der Sahara zuletzt knapp 26 Milliarden Euro im Jahr – was aber nur dem deutschen Handel mit der Slowakei entspricht.

An großen Zielen und großen Worten mangelt es Müller üblicherweise nicht. Wenn er redet, schießen Schlagworte stakkatoartig aus seinem Mund: Überleben sichern, die Schöpfung bewahren, Stärkung der Frauen. So pathetisch wie anschaulich formuliert er Sätze wie: Das Leben eines Kindes, das ihn mit großen Augen in Afrika anschaue, sei nicht weniger wert als das eines europäischen Kindes. Er ist ein Möchtegern-Weltveränderer, so dass man sich manchmal verwundert die Augen reibt und sich fragt, ob er wirklich CSU-Mitglied ist. Aber eine solche Einstellung ist offenbar Einstellungskriterium für jeden Entwicklungsminister.

Ein Grüner oder Linker an der Spitze des Ressorts würde vermutlich in den allermeisten Fällen nicht anders auftreten als Müller – manchmal aber vermutlich doch. So sorgte der Politiker aus dem Allgäu im Herbst vergangenen Jahres mit geschlechterspezifischen Einlassungen für Schlagzeilen: „Wenn eine afrikanische Frau 100 Dollar verdient – Preisfrage: Wie viel bringt sie nach Hause, zur Familie? Die bringt 90 Dollar nach Hause. Wenn ein afrikanischer Mann 100 Dollar verdient – Preisfrage: Was bringt der nach Hause? 30 Dollar. Und du weißt sicher, was er mit dem Rest macht. Nämlich Alkohol, Suff, Drogen, Frauen natürlich.“ Das hat ihm in der Öffentlichkeit viel Häme und Kritik eingebracht, beispielsweise den Vorwurf, sexistisch zu sein und Rollenklischees zu pflegen. Doch hinter vorgehaltener Hand gibt so mancher Afrika-Kenner zu: Müller hat im Grunde recht.

Der CSU-Mann weiß um die letztlich bescheidenden Ergebnisse der seit mehr als einem halben Jahrhundert laufenden Bemühungen, die jungen Staaten, die aus den früheren Kolonien der Europäer hervorgegangen sind, mit externem Wissen und Geld in die Moderne zu führen. Sein Ziel lautet daher, Reformen auf den Weg zu bringen, damit die private Wirtschaft aufblühen kann. So will er die „Reform-Champions“ besonders unterstützen. So will er Investoren, die den Schritt nach Afrika wagen, Risiken abnehmen. So will er einen Handelsaustausch befördern. Er befürwortet eine Freihandelszone mit den Mittelmeeranrainern. Mit den Ländern südlich der Sahara will er den Warenaustausch „fairer“ gestalten.

Aus Sicht der deutschen Wirtschaft ist es höchste Zeit für einen Neustart in der deutschen Afrika-Politik. Man erwartet allerdings mehr als schöne Sonntagsreden. So hofft man auf konkrete Maßnahmen, etwa bessere Absicherung der Geschäfte mit besonders riskanten Ländern oder Hilfen für den Markteintritt. Der Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft mahnt, die Entwicklungszusammenarbeit sollte weniger die wirtschaftlich schwächsten Länder unterstützen und mehr mit den Ländern kooperieren, die gute Rahmenbedingungen geschaffen haben. Der Verein nennt in diesem Zusammenhang Äthiopien, Botswana, die Elfenbeinküste, Kamerun, Kenia, Namibia, Ruanda, Tansania und Uganda.

In Nairobi will Müller auch eine Berufsbildungsinitiative starten. Sein Ziel: Bis zu 5000 junge Menschen in den nächsten fünf Jahren beruflich ausbilden, bis zu 500 Stipendien vergeben und bis zu 100 Berufsschullehrer aus- und fortbilden. „Unternehmen, die in Afrika investieren, brauchen gut ausbildete Fachkräfte, die Jugend Afrikas braucht Ausbildung und Zukunftsperspektiven“, argumentiert er und verspricht: „ Das bringen wir zusammen und kurbeln auf diese Weise Investitionen in Afrika an.“

MANFRED SCHÄFERS