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Beitrag vom 02.02.2017

NZZ

Regierungskritiker in Simbabwe verhaftet
Mugabes Angst vor den sozialen Netzwerken

von Christian Putsch, Kapstadt

Ein Pfarrer mobilisierte mit einem regierungskritischen Gedicht auf Facebook Hunderttausende Simbabwer. Nun wurde er auf Geheiss von Diktator Robert Mugabe verhaftet.

Schon in den Nächten vor seiner Verhaftung hatte Evan Mawarire im Exil schlaflose Nächte. Er komme nur wenige Stunden zur Ruhe und wisse nicht, was passieren werde, wenn er in seine Heimat Simbabwe zurückkehre, sagte der regierungskritische Pastor vor einigen Tagen. Sechs Monate hatte der von Diktator Robert Mugabe zum Staatsfeind erklärte Mawarire mit seiner Familie in den USA verbracht. Als er am Montag tatsächlich nach Simbabwe einreiste, wurde der derzeit wohl prominenteste Bürgerrechtler des Landes noch am Flughafen der Hauptstadt Harare verhaftet.

Massenbewegung nach Facebook-Video

Seitdem wird Mawarire in Handschellen auf einer Polizeistation festgehalten, teilte sein Anwalt mit. Ihm wird vorgeworfen, den Sturz der Regierung geplant zu haben. Einen Regierungswechsel strebt er durchaus an, doch der eloquente Religionsführer setzt dafür ausschliesslich verfassungskonforme Mittel ein. Im vergangenen Frühjahr wurde ein mit einem Handy aufgenommenes Facebook-Video, in dem Mawarire ein Gedicht zur Missachtung der Menschenrechte durch Mugabe vorträgt, zu einem der grössten viralen Erfolge in der Geschichte Simbabwes. Unter dem Hashtag #ThisFlag entstand auch auf Twitter eine Massenbewegung, die Demonstrationen in Harare organisierte.

Schon damals stand Mawarire vor Gericht, das ihn vom Vorwurf des Aufrufs zu öffentlicher Gewalt freisprach. Der Aktivist verliess das Land dennoch, weil er um die Sicherheit seiner Frau und der drei Kinder fürchtete. Das brachte ihn in Simbabwe auch von seinen Anhängern Kritik ein, schliesslich spricht Mawarire in seinem Gedicht davon, die Bürger müssten «die Wand der Angst erklimmen». Wohl auch deshalb entschied er sich nun zur Rückkehr. Mugabe habe deutlich gemacht, dass er nicht willkommen sei, erklärte er, «aber er trifft diese Entscheidung nicht. Ich habe kein Verbrechen begangen.»

Kritik an Mugabe als Verbrechen

Doch in Simbabwe gilt jede Form der Kritik an dem 92 Jahre alten Mugabe als Verbrechen. Besonders wenn sie von einem Mann mit Mawarires Einfluss stammt, der vergeblich darauf gehofft hatte, dass ihn seine internationale Bekanntheit vor einer Verhaftung schützen werde. Am Dienstag berichtete das staatliche Fernsehen über die Verhaftung des «flüchtigen Pastors». Der völlig legal reisende Aktivist hat über 60 000 Follower auf Twitter und liebäugelt damit, bei den Wahlen im kommenden Jahr als unabhängiger Kandidat gegen Mugabe anzutreten. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) kritisierte die Vorwürfe gegen Mawarire als «erfunden» und «absolut lächerlich». Tatsächlich gehe es der Regierung darum, ihn dafür zu bestrafen, dass er über die sich verschlechternde Menschenrechtssituation in Simbabwe spreche. Die Organisation forderte die sofortige und bedingungslose Freilassung Mawarires.

Für Mugabe könnte sich die Verhaftung des Bürgerrechtlers als Eigentor herausstellen. Selbst treue Anhänger, die zumeist in ländlichen Gegenden zu finden sind, halten den Präsidenten inzwischen für zu altersschwach, um an seinem Vorhaben der lebenslangen Regentschaft festzuhalten. Angesichts der anhaltenden finanziellen Krise muss der Diktator mehr denn je um die Unterstützung seines Volkes bangen. Der Staat ist nahezu zahlungsunfähig, die Polizei hat viele Beamte seit Monaten nicht bezahlt.

Mysteriöser Todesfall

Mugabe hatte als Held des Befreiungskampfes 1980 die Macht zunächst mit beachtlichem Erfolg übernommen, fiel aber zunehmend mit Menschenrechtsverletzungen, rassistischen Parolen und katastrophaler Wirtschaftspolitik auf. Die Gefahr der sozialen Netzwerke für seine Regierung realisiert er aber trotz seinem fortgeschrittenen Alter sehr wohl. Vor den Wahlen im Jahr 2013 sorgte die Facebook-Seite eines gewissen Baba Jukwa für Aufsehen, der von sich behauptet, ein ehemals hochrangiges Mitglied der Regierungspartei Zanu-PF zu sein. In simbabwischen Medien wurde er mit dem amerikanischen Whistleblower Edward Snowden verglichen.

Baba Jukwa warnte damals mehrfach vor der Ermordung des ehemaligen Zanu-PF-Ministers Edward Chindori-Chininga. Der Vorsitzende eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses hatte die mangelnde Transparenz bei Diamantenerlösen kritisiert. In Simbabwe ist es ein offenes Geheimnis, dass Mugabe sich damit die Loyalität von Polizei und Militär erkauft. Und Baba Jukwas Prophezeiung könnte sich erfüllt haben: Sechs Wochen vor den Wahlen starb der 58 Jahre alte Politiker, angeblich bei einem Autounfall.