Beitrag vom 05.08.2016
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Schweiz weist Eritreer an der italienischen Grenze ab
Seit Mitte Juli gelangen viele Flüchtlinge aus dem Süden Italiens an die Tessiner Grenze. Sie wollen durch die Schweiz in andere europäische Länder weiterreisen. Doch das Grenzwachtkorps schickt die Transitflüchtlinge zurück. In Como haben sich wilde Lager gebildet.
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Roberto Bernasconi (65), Chef der italienischen Caritas in Como, sprach mit dem «Blick» über die Ziele der Eritreer: «Sie wollen durch die Schweiz weiterreisen nach Deutschland, Belgien, Dänemark, in die Niederlande. Dort haben sie eine Community». Hunderte campieren in den Grünanlagen am Bahnhof San Giovanni. Alle seien laut Bernasconi fest entschlossen, über die Schweiz weiter nach Norden zu gelangen.
Doch das Grenzwachtkorps schickt jene Flüchtlinge, die in der Schweiz kein Asylgesuch stellen wollen, umgehend zurück nach Italien. Allein in der vergangenen Woche wurden über 1100 illegal Eingereiste zurückgeschafft - mehr als je zuvor im laufenden Jahr. Weniger als ein Fünftel der Betroffenen hatte Asyl beantragt.
«Sie sind blutjung, viele minderjährig»
Die Abgewiesenen schlafen unter freiem Himmel. Die meisten seien Eritreer, wie Bernasconi erklärt: «Sie sind blutjung, viele minderjährig. Mütter mit kleinen Kindern und auch Schwangere sind dabei.» Die geregelte Unterbringung in einem Gebäude würden die meisten ablehnen.
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«Die Flüchtlinge wollen am Bahnhof bleiben, hoffen auf eine Gelegenheit weiterzukommen.» Aufgrund schärferer Kontrollen am Brenner setzten sie auf eine Route durch die Schweiz. «Einige versuchen es vier-, fünfmal», berichtet der Caritas-Chef. «Doch die Menschen haben keine Chance. Die Schweiz kontrolliert hermetisch ihre Grenze.»
Schlepper seien in Como anscheinend kein grosses Thema. «Die Flüchtlinge hier sind keine Syrer aus der Mittelschicht, die sich eine organisierte Flucht leisten können. Die Leute hier sind bettelarm», wie Bernasconi erklärt.
Grundsätzliche Probleme im italienischen Aufnahmesystem
Der Weg über die grüne Grenze sei für die Flüchtlinge keine Alternative. Wanderwege und Schmugglerpfade würden von Drohnen observiert, jeder Verdächtige werde aufgehalten. «Das weiss ich von Wanderern, die von Grenzbeamten kontrolliert wurden.»
Caritas leistet in Como Hilfe, wo es möglich ist. «Wir haben eine Mensa eingerichtet, Duschen aufgestellt. Auch haben wir Zelte für die Notleidenden errichtet, besonders für die Familien.» Roberto Bernasconis Prognose ist wenig optimistisch: «Ich mache mir grosse Sorgen über das, was noch auf uns zukommt.»
Auch die Schweizerische Flüchtlingshilfe befasst sich mit der schwierigen Situation. Italien leide unter grundsätzlichen Problemen im Aufnahmesystem, wie Seraina Nufer, Juristin bei der Flüchtlingsorganisation dem «Blick» berichtet. «Wir stehen in Kontakt mit Hilfswerken sowohl im Tessin als auch in Como.» Zudem werde mit den Schweizer Behörden das Gespräch gesucht.