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Beitrag vom 14.04.2016

FAZ

Asylkosten schönen Bilanz zur Entwicklungshilfe

Die deutsche Hilfsgelderquote steigt auf 0,52 Prozent der Wirtschaftsleistung und erreicht einen Rekordwert. Doch nur, weil 3 Milliarden Euro Asylkosten eingerechnet werden durften.

von Manfred Schäfers, Berlin

Deutschland hat seine Entwicklungsausgaben so stark gesteigert wie selten zuvor und nähert sich in großen Schritten dem internationalen 0,7-Prozent-Ziel. Im vergangenen Jahr stieg die offizielle Entwicklungshilfe Berlins um ein Viertel auf 0,52 Prozent der Wirtschaftsleistung. 2014 hatte die Quote 0,42 Prozent betragen.

Ein Grund für die deutliche Ausweitung ist die Aufstockung des Etats von Minister Gerd Müller (CSU). Erheblich wichtiger ist allerdings ein anderer Effekt: die großen Ausgaben für Flüchtlinge. Dabei hat die Bundesregierung den Spielraum, diese Ausgaben bei der offiziell berechneten Quote zu berücksichtigen, bei weitem nicht ausgeschöpft.

Berücksichtigung der Kosten für Asylbewerber

Berücksichtigt wurden in den Statistiken für Deutschland, die die Industrieländerorganisation OECD am Mittwoch vorgelegt hat, nur etwas mehr als 200.000 Flüchtlinge. Im vergangenen Jahr sind mehr als 1 Million Menschen als Asylmigranten nach Deutschland gekommen, die Mehrheit davon in der zweiten Jahreshälfte. Der allergrößte Teil der Asylbewerberkosten wird sich erst in den Hilfszahlen für das Jahr 2016 wiederfinden. Ein weiter Sprung in Richtung der international festgelegten Zielmarke für die Entwicklungshilfeausgaben ist absehbar. „Die Richtung zeigt klar nach oben“, hieß es im Entwicklungsministerium.

Die Ministerien für Entwicklung und Finanzen haben lange über das Verfahren gerungen, wie man die Kosten aus dem Asylbewerberansturm berücksichtigen sollte. Zuvor haben sie nie eine nennenswerte Rolle gespielt. Nun hat man sich darauf verständigt, die Kosten für Unterkunft und Versorgung der Flüchtlinge, die einen Asylantrag gestellt haben, für zwölf Monate zu berücksichtigen – und zwar jeweils in der Periode von Juli bis Juni.

In die Statistik über das vergangene Jahr sind demnach die Kosten aus der zweiten Jahreshälfte 2014 und den ersten sechs Monaten des Jahres 2015 eingeflossen, also bevor die Flüchtlingszahlen in die Höhe schossen. Das Finanzministerium war an einer realitätsnäheren Bewertung interessiert gewesen, hieß es in Regierungskreisen. Das Entwicklungsministerium war eher an einer Glättung interessiert, damit die Zahlen nicht nur kurzfristig in die Höhe schnellen, um danach umso stärker wieder zurückzufallen.

„Wir stehen vor einer historischen Herausforderung“

Das Entwicklungshilfeministerium von Müller legt Wert auf den Hinweis, dass das deutsche Vorgehen den internationalen Standards entspricht und man damit keine Sonderrolle einnehme. Begründet wird die Berücksichtigung der Flüchtlingskosten mit der Entlastung der Krisenregionen, die sich sonst um die Menschen kümmern müssten. Deutschland hat Flüchtlingskosten von 2,7 Milliarden Euro berücksichtigt. Sie machen 17 Prozent der offiziellen Entwicklungsausgaben aus (sogenannte Official Development Assistance – ODA). Für Schweden wird mit 34 Prozent ein doppelt so hoher Anteil ausgewiesen, aber auch in Österreich, Italien und den Niederlanden sollen die Flüchtlingskosten mehr zu den ODA-Werten beigetragen haben.

Die deutschen Entwicklungshilfeausgaben stiegen vergangenes Jahr auf den Rekordwert von 17,8 Milliarden Dollar (umgerechnet 15,6 Milliarden Euro), wie die OECD am Mittwoch mitteilte. Im internationalen Vergleich liegt Deutschland als Geberland hinter Amerika und Großbritannien auf dem dritten Platz. „Wir stehen mit der Flüchtlingskrise vor einer historischen Herausforderung. Dieser Herausforderung tragen wir erneut mit einer erheblichen Steigerung des Haushalts des Entwicklungsministeriums Rechnung“, sagte Müller nach Veröffentlichung der neuen Zahlen. Höhere Flüchtlingskosten in Deutschland seien dabei keine Konkurrenz für das Ziel, den Flüchtlingen in der Krisenregion rund um Syrien zu helfen. „Jeder Euro, den wir vor Ort in Bleibeperspektiven investieren, bewirkt zwanzigmal mehr als in Deutschland.“

Die Grünen-Politiker Uwe Kekeritz und Anja Hajduk kritisierten, die Erhöhung der deutschen Hilfsquote sei nicht Ergebnis zusätzlicher Investitionen und Unterstützung für Entwicklungsländer, sondern das Ergebnis geltender, aber fragwürdiger Anrechnungsmethoden für Inlandskosten. Perspektivisch sollten Ausgaben für Unterbringung und Versorgung von Geflüchteten aus der ODA-Quote herausgenommen werden.