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For a different development policy!

Beitrag vom 09.09.2015

Telepolis

Investitionen statt Predigten

Peter Mühlbauer

Hilft Chinas Profitstreben afrikanischen Ländern mehr als deutsche Entwicklungshilfe?
Der Politologe Eberhard Sandschneider lehrt und forscht seit 1998 an der Freien Universität Berlin zur Politik Chinas und zu Internationalen Beziehungen und wurde 2007 mit dem Buch Globale Rivalen - Chinas unheimlicher Aufstieg und die Ohnmacht des Westens auch außerhalb der akademischen Welt bekannt. Derzeit sorgt der Direktor der Deutschen Gesellschaft für auswärtige Politik (DGAP) mit der These für Aufmerksamkeit, dass das Reich der Mitte mit seinen Investitionen afrikanischen Ländern mehr nützt als der Westen mit seiner Entwicklungshilfe.

Herr Professor Sandschneider – Ihren Erkenntnissen nach haben die chinesischen Investitionen in Afrika mehr zum dortigen Wirtschaftswachstum beigetragen haben, als der Westen. Wie sind sie zu dieser Einschätzung gekommen?

Eberhard Sandschneider: China folgt in Afrika einer sehr eigenen Entwicklungsstrategie, die mehr damit zu tun hat, China zu helfen als den Afrikanern Gutes zu tun. Im Endeffekt machen sich aber die erheblichen Investitionen vor allem in Infrastrukturmaßnahmen für die generelle Wirtschaftsentwicklung afrikanischer Länder ausgesprochen positiv bemerkbar.

Gibt es Zahlen dazu?

Eberhard Sandschneider: Einige Quellen nennen bis zu 150 Mrd. US-Dollar als Gesamtsumme für chinesische Investitionen.

Haben die chinesischen Investitionen politische Ziele – oder nur wirtschaftliche?

Eberhard Sandschneider: Im Vordergrund stehen sicherlich zunächst einmal wirtschaftliche Ziele, die vor allem mit Ressourcenzugang und Ressourcensicherung für China zu tun haben. Aber natürlich hat die enge wirtschaftliche Zusammenarbeit auch Folgen für das politische Verhältnis. China kann sich auf politischer Ebene darauf verlassen, mit seinen Anliegen in Afrika jederzeit Gehör zu finden. Die regelmäßigen Gipfeltreffen bestätigen das eindrücklich.

Wo fand China da zum Beispiel Gehör?

Eberhard Sandschneider: In den Vereinten Nationen kann China bei fast allen Sachfragen, die etwa im Plenum der Generalversammlung behandelt werden, darauf bauen, ohne große Mühe die afrikanischen Staaten auf seiner Seite zu wissen. Diese teilen auch die Kritik am Westen, Vorgaben zu good governance u.ä. in den Mittelpunkt zu stellen.

Was wäre so eine Sachfrage?

Eberhard Sandschneider: Beispielsweise Fragen der Reform der Vereinten Nationen, aber natürlich auch der gesamte Komplex von Menschenrechten und Demokratisierung. Afrikanische Staaten teilen in ihrer überwiegenden Mehrheit Chinas Insistieren auf eigenes Tempo und eigene Entwicklung, auch wenn das im Westen hart kritisiert wird.

Zurück zu den Investitionen: Was bauen die chinesischen Investoren da konkret? Straßen? Telekommunikationsnetze?

Eberhard Sandschneider: Weniger Telekommunikationsnetzwerke im klassischen Sinn: Afrika überspringt gerade die Phase der Festnetztelefonie, geht sofort zur Mobiltelefonie über und ist im Vergleich zum Westen schon sehr viel weiter - etwa bei Fragen der Onlinebezahlung. China ist aber als Investor sehr intensiv im Bau von Straßen und Bahnstrecken (immer mit dem Eigeninteresse des Ressourcentransports), gelegentlich auch beim Bau von Krankenhäusern und Schulen engagiert. Wenn nötig, wird auch schon einmal ein Präsidentenpalast gebaut, wenn es der Pflege politischer Beziehungen förderlich ist.

Und was bauen die Europäer?

Eberhard Sandschneider: Nichts Vergleichbares! Wir predigen good governance, versorgen junge westliche Akademiker mit gut bezahlten Beraterstellen und wundern uns, dass aus all der Entwicklungshilfe der letzten Jahrzehnte nicht mehr geworden ist.

Sollte Deutschland wirtschafts- und außenpolitisch mehr wie China agieren, damit afrikanische Länder bessere Wachstumschancen haben?

Eberhard Sandschneider: "Mehr wie China" erscheint nicht wirklich sinnvoll, denn der gänzliche Verzicht auf Wertefragen scheint in unserem System nur schwer durchsetzbar. Aber vielleicht würde es schon ausreichen, wenn die konkreten Bedürfnisse der Länder vor Ort, und nicht die westlich definierte Ideologie des Helfenwollens zum Maßstab unserer Politik werden würde. Marktöffnung für lokale Produkte etwa würde den meisten noch unterentwickelten Ländern weit mehr helfen, als die Formen der finanziellen Hilfe, die wir derzeit anbieten. Aber natürlich sind hierbei die Grenzen durch unsere eigenen Wirtschaftsinteressen eng gesteckt.

Könnten chinesische Investitionen in Afrika langfristig nicht auch negative Folgen haben? Etwa Umweltschäden?

Eberhard Sandschneider: Natürlich - und wie! Das gleiche gilt für die Auswirkungen auf den lokalen Arbeitsmärkten, wo es - bedingt durch den chinesischen Arbeitskräfteimport - keinerlei Effekte gibt. Grundsätzlich: Festzustellen, dass China mit seiner Politik durchaus erfolgreich ist, heißt nicht alles gut heißen zu müssen oder nachahmen zu sollen, was China tut. Genau wie in der eigenen innenpolitischen Entwicklung hat auch China entwicklungspolitisches Engagement seine Schattenseiten. Das ändert nichts an der erheblichen Anschubwirkung für afrikanische Ökonomien.