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Beitrag vom 17.08.2015

Tagesanzeiger, Zürich

Demokratie

Aus Präsidenten werden wieder Autokraten

Der Wind hat gedreht: Afrika hat erneut ein Problem mit rücktrittsunwilligen Spitzenpolitikern.

Von Johannes Dieterich Johannesburg

Barack Obamas nachdrückliche Worte waren offensichtlich umsonst. Ende Juli hatte der US-Präsident seine afrikanischen Kollegen in einer Rede in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba aufgefordert, seinem Beispiel zu folgen und nach zwei Amtsperioden freiwillig von der Macht zu lassen. Kurz darauf feuerte der Präsident der Republik Kongo, Denis Sassou-Nguesso, zwei seiner Minister. Sie hatten sich gegen die erklärte Absicht ihres Staatschefs ausgesprochen, sich mit einer Verfassungsänderung noch eine dritte Amtszeit zu ermöglichen. Gleichzeitig gab in Ruanda die Regierungspartei bekannt, in dem fast 13 Millionen Einwohner zählenden Staat hätten sich lediglich zehn Menschen gefunden, die einer weiteren, verfassungswidrigen Amtszeit des Präsidenten Paul Kagame ablehnend gegenüberstünden.

Und in Burundi, wo sich Pierre Nkurunziza soeben trotz heftiger Unruhen und eines Wahlboykotts der Oppositionsparteien entgegen den Bestimmungen der Verfassung zum dritten Mal zum Präsidenten wählen liess, erklärte die Regierungspartei, der Wahlsieg des 51-Jährigen sei einem «göttlichen Wunder» zuzuschreiben. Dagegen kam auch die eindrückliche Ermahnung des Friedensnobelpreisträgers Obama nicht an.

Vorbild USA

Experten hatten nach dem Ende des Kalten Krieges von einem über Afrika fegenden «Wind des Wandels» gesprochen: Damals setzten viele Nationen ihre Diktatoren ab, wählten ihre Regierungen selbst – oft zum ersten Mal in ihrer Geschichte – und gaben sich neue Verfassungen, mit denen die Amtszeit der Präsidenten nach dem Vorbild der USA auf nur eine mögliche Wiederwahl beschränkt wurde.

Das geschah unter dem Druck der Bevölkerung und mit guten Gründen. Denn unter afrikanischen Bedingungen einen Präsidenten durch Wahlen aus dem Amt zu komplementieren, stellte sich als ziemlich schwierig heraus. Zu viele Möglichkeiten bleiben den Big Men, um die Abstimmung zu ihrem Vorteil zu gestalten: Von der Kontrolle der Medien, über die Einschüchterung der Opposition bis zur eklatanten Wahlfälschung ist alles möglich. Immerhin 36 der 50 südlich der Sahara gelegenen Nationen nahmen eine Begrenzung der Amtszeit in ihre Verfassung auf – in zwölf dieser Staaten wurden Präsidenten bereits auf diese Weise ausgewechselt.

Eine Errungenschaft, die keineswegs nur symbolische Bedeutung hat. In Staaten mit regelmässigen Präsidentenwechseln werden, das haben Studien gezeigt, die in Afrika notorisch schwachen Institutionen gestärkt: weil die Macht allmählich mehr an Ämter als an Personen gekoppelt wird. Gleichzeitig nimmt dort die Korruption ab, weil sich die Netzwerke der Langzeitherrscher nicht bis in die äussersten Winkel des Staatswesens ausbreiten können. Länder wie Äquatorialguinea, Zimbabwe oder Angola, deren Staatschefs bereits seit mehr als 30 Jahren in ihren Sesseln kleben, gelten als die korruptesten und am schlechtesten regierten Nationen der Welt.

Inzwischen bläst der Wind des Wandels jedoch in die Gegenrichtung. Seit Jahren versuchen einzelne Autokraten, ihr Haltbarkeitsdatum wieder abzuschaffen: Einige waren wie in Kamerun, im Tschad oder Uganda erfolgreich, andere scheiterten wie in Nigeria, Burkina Faso oder dem Senegal am Widerstand der Bevölkerung.

Rücktritte bringen Stabilität

Das Argument der Sesselkleber ist stets dasselbe: Falls sie zum Rücktritt gezwungen würden, werde ihr labiles Land in Flammen aufgehen, so gut wie sie könne kein anderer regieren. Die Realität ist eine andere. In keinem der zwölf afrikanischen Staaten, in denen ein Präsident nach seiner zweiten Amtszeit abgelöst wurde, ist es zu Unruhen gekommen. Im Gegenteil: Ausgerechnet diese Länder gehören wie Südafrika, Ghana oder Botswana zu den stabilsten des Kontinents.

Derzeit weht der Gegenwind des Wandels so kräftig wie noch nie. Gleich vier Präsidenten versuchen, an der Macht zu bleiben, ausser dem burundischen, der ruandische und die der beiden Kongos. Alle vier Staaten gehören zu den unruhigsten des Kontinents. Werden sie durch den Ehrgeiz ihrer Staatschefs noch weiter erschüttert, könnte das afrikanische «Herz der Finsternis», die Region der Grossen Seen, einmal mehr ins Chaos gestürzt werden. Wenn es jemanden gibt, dessen Worte womöglich nicht im Wind verwehen, wäre es die Afrikanische Union. Doch die schweigt sich zu diesem Thema aus, als ob sie all das nichts angehen würde.